Logen-Blog [105]: Neueste Nachrichten aus Bayreuth
Wir unterbrechen die Übertragung aus Berlin und bringen eine kurze
Sondersendung zur Eröffnung der Bayreuther Jean-Paul-Woche
Hier gilt's der Kunst. In Bayreuth widmen sich 15 Künstler – keiner von ihnen aus Bayreuth – dem Phänomen Jean Paul über die Wortschöpfung Seidenpudelspitz. In der Friedrichstraße, die seinen dritten Vornamen im Titel trägt – seiner Straße, in der er zwei und sein Freund Emanuel Osmund mehrere Häuser bewohnten -, in dieser Straße findet ein Kunstprojekt statt, das man bei einem guten Kuchen im guten gleichnamigen Restaurant, gleich in der Passage neben der Klavierfabrik Steingraeber, ausklingen lassen kann. Dass vielleicht kein einziges der spielerisch angelegten Kunstprojekte die Unsichtbare Loge direkt reflektiert, ja kaum eines mit einem konkreten Werk umgeht: es ist schade, aber wohl unausweichlich. Nur – aber was heißt hier: „nur“? – im Keller des Manns Bräu haben sich die Nürnberger „Weltanschauungsbeauftragten“ Martin Fürbringer und Philipp Moll darauf eingelassen, einen Text Jean Pauls regelrecht zu bebildern. Hier sehe ich, bewacht von einer charmanten Justina, die ein Buch über die 7 Gesetze der Schildkröte liest (sie lieset es, weil sie's geschenkt bekam, wie sie freimütig bekennt) und damit sehr nah dran ist an der richtigen Art, Jean Paul zu lesen, auf Abdrücke von Potentaten, wie sie das Schulmeisterlein aus dem Anhang zur Unsichtbaren Loge seiner geliebten Justina bringt. Einmal also hat sich ein Künstlerduo auf einen realen Text des Texters eingelassen, den man ansonsten – wie gesagt: spielerisch – umkreist: in Form von Installationen, Mobiles, Raumausstattungen.
Humanity is never so beautiful as when praying for forgiveness or else forgiving another.
Mein Sonderpreis geht an den Grünen Salon der Patricia Lambertus, in Steingraebers Eremitenklause: ein oberirdischer Ort für einen Gustav von heute. Drüben sehe ich, in der Passage zu Vogels Biergarten, eine 3-D-Plakatreihe der Polin Ika Wato; ich entdecke da einen Satz, den ich aus der Loge kenne: Humanity is never so beautiful as when praying for forgiveness or else forgiving another. Klingt das nicht wie: Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet oder selber verzeiht? Ich würde nicht beschwören, dass die Polin die Loge gelesen hat – tat sie es nicht, so ist der Zu-fall ein so schöner wie un-heimlicher.
Seidenpudelspitzfriedrichkaffe oder Unsichtbar
Ist es ein nicht eher ein unsichtbarer Zufall? Auf einem der beschriebenen Eier, die Ruth Loibl auslegte, sehe ich plötzlich das Wort unsichtbar – und eines der Bücher im Bücherwust der Recycling-Installation Utta Hagens, noch dazu in Jean Paul erstem Friedrichstraßenwohnhaus Nr. 8, weist mich direkt auf den Zwischentitel des Romans hin: Mumien. So wenig ich inzwischen bei der stilbewussten Polin an einen Zitatzufall glaube, so sehr bin ich verblüfft, dass sich in der Unordnung der alten Lehr- und Sachbücher ein Band befindet, der es direkt mit Mumien zu tun hat.
Die Welt ist ein Dorf, und wir leben alle in einer Nussschale, und die Jean-Paul-Stadt ist im Moment der Nucleus dieser Nuss.
Bei Sam Hopkins kreiert: Der unsichtbare Wodka
Das originellste Kunstwerk dieser Seidenpudelspitz-Aktion aber ist zweifellos ein sehr vergängliches. Es war Sam Hopkins' Idee, in der ehemaligen Apotheke im Erdgeschoss des Hauses Friedrichstraße 5
– wo demnächst das neugestaltete Jean-Paul-Museum nicht eröffnet wird, womit auf viele Jahre hinaus von der Stadtverwaltung unter der Leitung des Bayreuther Stadtoberhaupts die naheliegendste Chance vertan wurde, Jean Paul an einem ihm endlich würdigen und gleichzeitig authentisch-auratischen Ort zu präsentieren, um ihn endlich aus dem schwer problematischen Umfeld Houston Stewart Chamberlains herauszuholen –
eine Bar auf Zeit zu installieren. Hier kann man sich echte Jean-Paul-Cocktails erfinden: eine Glückssache, wie der jeanpaulbloggende Cocktailmixer gesehen hat, denn der erste, den er zusammen mit einem Kollegen schuf, war schon der Beste. Also nannte er ihn Der unsichtbare Wodka oder The invisible Vodka. Jean Paul no. 1, wie Mr. Hopkins schrieb. Auch The invisible lodge war eine Nr.1 unter den Romanen des Dichters, dem man in der Friedrichstrasse so locker wie verspielt huldigt: mit Hilfe des Alkohols, aber auch der Fantasie, die in gewordenen Ruinen (wie dem Haus Nr. 20) Kunstwerke und -werkchen platzierte, die – Zufall oder nicht? – mit der Loge denn doch einiges zu tun haben.
Mumien in Jean Pauls erstem Friedrichstraßenwohnhaus
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Wir unterbrechen die Übertragung aus Berlin und bringen eine kurze
Sondersendung zur Eröffnung der Bayreuther Jean-Paul-Woche
Hier gilt's der Kunst. In Bayreuth widmen sich 15 Künstler – keiner von ihnen aus Bayreuth – dem Phänomen Jean Paul über die Wortschöpfung Seidenpudelspitz. In der Friedrichstraße, die seinen dritten Vornamen im Titel trägt – seiner Straße, in der er zwei und sein Freund Emanuel Osmund mehrere Häuser bewohnten -, in dieser Straße findet ein Kunstprojekt statt, das man bei einem guten Kuchen im guten gleichnamigen Restaurant, gleich in der Passage neben der Klavierfabrik Steingraeber, ausklingen lassen kann. Dass vielleicht kein einziges der spielerisch angelegten Kunstprojekte die Unsichtbare Loge direkt reflektiert, ja kaum eines mit einem konkreten Werk umgeht: es ist schade, aber wohl unausweichlich. Nur – aber was heißt hier: „nur“? – im Keller des Manns Bräu haben sich die Nürnberger „Weltanschauungsbeauftragten“ Martin Fürbringer und Philipp Moll darauf eingelassen, einen Text Jean Pauls regelrecht zu bebildern. Hier sehe ich, bewacht von einer charmanten Justina, die ein Buch über die 7 Gesetze der Schildkröte liest (sie lieset es, weil sie's geschenkt bekam, wie sie freimütig bekennt) und damit sehr nah dran ist an der richtigen Art, Jean Paul zu lesen, auf Abdrücke von Potentaten, wie sie das Schulmeisterlein aus dem Anhang zur Unsichtbaren Loge seiner geliebten Justina bringt. Einmal also hat sich ein Künstlerduo auf einen realen Text des Texters eingelassen, den man ansonsten – wie gesagt: spielerisch – umkreist: in Form von Installationen, Mobiles, Raumausstattungen.
Humanity is never so beautiful as when praying for forgiveness or else forgiving another.
Mein Sonderpreis geht an den Grünen Salon der Patricia Lambertus, in Steingraebers Eremitenklause: ein oberirdischer Ort für einen Gustav von heute. Drüben sehe ich, in der Passage zu Vogels Biergarten, eine 3-D-Plakatreihe der Polin Ika Wato; ich entdecke da einen Satz, den ich aus der Loge kenne: Humanity is never so beautiful as when praying for forgiveness or else forgiving another. Klingt das nicht wie: Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet oder selber verzeiht? Ich würde nicht beschwören, dass die Polin die Loge gelesen hat – tat sie es nicht, so ist der Zu-fall ein so schöner wie un-heimlicher.
Seidenpudelspitzfriedrichkaffe oder Unsichtbar
Ist es ein nicht eher ein unsichtbarer Zufall? Auf einem der beschriebenen Eier, die Ruth Loibl auslegte, sehe ich plötzlich das Wort unsichtbar – und eines der Bücher im Bücherwust der Recycling-Installation Utta Hagens, noch dazu in Jean Paul erstem Friedrichstraßenwohnhaus Nr. 8, weist mich direkt auf den Zwischentitel des Romans hin: Mumien. So wenig ich inzwischen bei der stilbewussten Polin an einen Zitatzufall glaube, so sehr bin ich verblüfft, dass sich in der Unordnung der alten Lehr- und Sachbücher ein Band befindet, der es direkt mit Mumien zu tun hat.
Die Welt ist ein Dorf, und wir leben alle in einer Nussschale, und die Jean-Paul-Stadt ist im Moment der Nucleus dieser Nuss.
Bei Sam Hopkins kreiert: Der unsichtbare Wodka
Das originellste Kunstwerk dieser Seidenpudelspitz-Aktion aber ist zweifellos ein sehr vergängliches. Es war Sam Hopkins' Idee, in der ehemaligen Apotheke im Erdgeschoss des Hauses Friedrichstraße 5
– wo demnächst das neugestaltete Jean-Paul-Museum nicht eröffnet wird, womit auf viele Jahre hinaus von der Stadtverwaltung unter der Leitung des Bayreuther Stadtoberhaupts die naheliegendste Chance vertan wurde, Jean Paul an einem ihm endlich würdigen und gleichzeitig authentisch-auratischen Ort zu präsentieren, um ihn endlich aus dem schwer problematischen Umfeld Houston Stewart Chamberlains herauszuholen –
eine Bar auf Zeit zu installieren. Hier kann man sich echte Jean-Paul-Cocktails erfinden: eine Glückssache, wie der jeanpaulbloggende Cocktailmixer gesehen hat, denn der erste, den er zusammen mit einem Kollegen schuf, war schon der Beste. Also nannte er ihn Der unsichtbare Wodka oder The invisible Vodka. Jean Paul no. 1, wie Mr. Hopkins schrieb. Auch The invisible lodge war eine Nr.1 unter den Romanen des Dichters, dem man in der Friedrichstrasse so locker wie verspielt huldigt: mit Hilfe des Alkohols, aber auch der Fantasie, die in gewordenen Ruinen (wie dem Haus Nr. 20) Kunstwerke und -werkchen platzierte, die – Zufall oder nicht? – mit der Loge denn doch einiges zu tun haben.
Mumien in Jean Pauls erstem Friedrichstraßenwohnhaus