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26.05.2021, 13:54 Uhr
Marie Kleber
Spektakula

DOK.fest 2021 @home: „Wer wir gewesen sein werden“

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Filmstill „Wer wir gewesen sein werden“ © DOK.fest München

Die 36. Ausgabe des DOK.fest München, Deutschlands größtem Dokumentarfilmfestival, musste auch dieses Jahr aufgrund der Coronakrise online stattfinden. Die Auswahl der diesjährigen Filme war dennoch wie immer eindrucksvoll – das Programm ging letzten Pfingstsonntag zu Ende. Marie Kleber hat sich den Dokumentarfilm WER WIR GEWESEN SEIN WERDEN von Regisseur Erec Brehmer angesehen. Der Film war für den von BR und 3sat gestifteten kinokino Publikumspreis nominiert.

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„Wenn man keine Worte findet, helfen manchmal ein Blatt Papier und ein Stift.“ Über diese Erfahrung berichtet der Filmemacher Erec Brehmer nach dem plötzlichen Tod seiner Freundin Angelina Zeidler. Völlige Sprach- und Fassungslosigkeit, denn was bleibt, wenn ein geliebter Mensch geht?

Der junge Erec ist in der Blüte seiner Jugend, als er die damals 25-jährige Angi über das Dating-Portal Tinder kennenlernt. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: sie die Bierbrauerin, ein bayerisches Mädel vom Ammersee, er Filmemacher und Stadtpflanze, immer mit der Kamera unterwegs. Für beide ist es zunächst eine ganz neue Erfahrung, in die Welt des jeweils anderen einzutauchen. So muss Angi lernen, permanent vor der Kameralinse von Erec zu stehen, und er findet sich in der besonderen Welt seiner Freundin wieder – umgeben von Poetry-Slam und bayerischer Bierbrauerei. So ungewohnt und doch so perfekt. Gerade die Gegensätze scheinen die beiden zu vereinen, und beide lassen sich gerne auf die Welt des anderen ein.

Doch dann der Schock, ein Autounfall, verursacht von Angi, den nur Erec überlebt. Fassungslos und innerlich zerbrochen, weiß Erec kaum wohin mit seinem Schmerz, kann nicht glauben, dass seine lebenslustige und vor Kraft strotzende Freundin für immer von ihm gegangen ist. Die gemeinsame Zeit, das gemeinsame Leben und die Erinnerung daran bringen Erec fast um den Verstand.

Denn was tun, wenn ein geliebter Mensch geht? Wie weiterleben? Wie wieder neu anfangen und Kraft schöpfen? Wer wir gewesen sein werden sucht Antworten auf all diese Fragen. Mit Hilfe von privaten Bildern, Sprachnachrichten, Videos, Tagebucheinträgen und gemeinsam gehörter Musik versucht Erec den Tod seiner Freundin zu verarbeiten und seine Trauerarbeit zu dokumentieren. „Wer wir waren, ist vorbei seit diesem Tag, aber manches ist noch offen.“

Auf berührende Art und Weise gibt der Film Einblicke in den Alltag und die Welt der sich immer fester entwickelnden Beziehung des jungen Paares vor dem Tag des Autounfalls. Erec beschreibt vielfarbig den Charakter seiner geliebten Angi. Als stiller Zuschauer darf man der tiefgehenden Erinnerungsreise Erecs beiwohnen, die das Leben in ein Davor und in ein Danach teilt und die von Selbstzweifeln, Schmerz und unendlicher Trauer, aber auch von so viel Liebe, Freude und Stärke geprägt ist.

Erec versteht es den Zuschauer emotional mitzunehmen, wenn er in aller Offenheit berichtet, wie er mit immer wieder plötzlich auftretender Trauerreaktion, mit Verzweiflung und Fassungslosigkeit, die Bruchstücke seiner Erinnerung umgeht und schließlich versteht, dass er ohne Loslassen die Kraft zum Neuanfang nicht finden kann. Was Erec „therapeutische Maßnahme“ nennt, berührt den Zuschauer und gibt zugleich Zuversicht: Der Tod gehört mit zum Leben und kann seine positiven Seiten haben, die nicht nur den Reichtum der Erinnerungen an einen wundervollen Menschen wachhalten, sondern auch zu einem Mentalitätswandel beitragen. Erec begreift, dass er einen Weg finden muss mit dem Tod von Angi umzugehen, indem er sie innerlich gehen lässt, um sich selbst wieder finden zu können.

Mit Wer wir gewesen sein werden beschreibt Erec Brehmer den Weg zur Hoffnung, nach der Verlusterfahrung beim Tod eines geliebten Menschen wieder geheilt und wieder ganz Mensch werden zu können.