Zum Hörbuch „Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel“ von Franziska zu Reventlow
Anlässlich des 150. Geburtstags der Schriftstellerin Franziska zu Reventlow im nächsten Jahr veröffentlicht der LOhrBär-Verlag ihre erstmals 1917 erschienene Novellensammlung Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel als Hörbuch (erhältlich ab 2. November 2020). Denn obwohl seit der Entstehung schon einige Zeit vergangen ist, sind die Geschichten darin doch „wahre Perlen der Literatur“. Patricia Blob hat reingehört.
*
Franziska zu Reventlow wird 1871 in Husum geboren und flieht mit 21 Jahren vor dem Einfluss ihrer streng konservativen Erziehung nach München. Dort wird sie Teil der Schwabinger Boheme und macht vor allem mit ihrem skandalösen Leben von sich reden. Neben der Novellensammlung veröffentlicht die sog. „Skandalgräfin“ u.a. Publikationen im Simplicissimus und einige Romane, wie z.B. ihr autobiographisches Debüt Ellen Olestjerne.
Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel ist eine Sammlung grotesker Erzählungen mit skurrilen Begebenheiten und surrealen Charakteren, die den Lesenden – bzw. in dieser Version den Hörenden – zu gleichen Teilen verwirren als auch schmunzeln lassen. In der gleichnamigen Einstiegsgeschichte schafft Sprecher Michael Haake mit seiner tiefen und rauchigen Stimme gleich zu Beginn eine abenteuerliche Atmosphäre – und abenteuerlich ist diese Geschichte allemal. Schauplatz bietet hierfür eine spanische Insel: Der Ich-Erzähler findet sich dort als Tourist wieder und erhält von dem eigenartig aussehenden Hieronymus Edelmann eine Einladung in ein Logierhaus. Dort trifft der Neuankömmling auf einen Haufen unterschiedlichster Persönlichkeiten. Erst mit ihnen zusammen wird ihm klar, in welcher problematischen Situation sie sich alle befinden. Wider Erwarten wird am Ende aber keiner von ihnen zum Helden der Geschichte, sondern ein Krokodil und ein Ameisenbär.
Das polierte Männchen erzählt dann von einer Gruppe von Menschen, deren Dasein von Langeweile und Eintönigkeit geprägt ist – und das so lange, bis das polierte Männchen in ihr Leben tritt. Erst beachtet die Gruppe ihr neues Mitglied kaum, als jedoch unheimliche Vorkommnisse sich häufen, ändert sich das. Hat denn das polierte Männchen etwas damit zu tun? Wie auch die Spannung der Geschichte baut sich die weiche Stimme von Gunna Wendt von einer zurückhaltenden, unaufgeregten Sprechhaltung zu einer kräftigen, betonungsstarken Stimme auf und unterstreicht damit den Verlauf der Handlung.
Als Hörerlebnis ist die Erzählung Der Tod sehr empfehlenswert: Ein junger Mann aus gutem Hause stirbt recht plötzlich an einer schweren Krankheit. Bis der Sarg geliefert wird, muss sein Geist allerdings in seinem Sterbezimmer verweilen – und so bekommt er noch einige Vorkommnisse und Unterhaltungen seinen Tod betreffend mit. Aus der Perspektive des Verstorbenen, der offenbar ein überheblicher Lebemann war, berichtet Ole Bosse in einer passend leicht ironischen Stimmlage über die Geschehnisse am Totenbett. Sehr lebendig hingegen wirkt die Erzählung selbst, sowohl durch eine kurze Gesangseinlage als auch durch die wechselnden Stimmen der Nebenfiguren, die von Bettina Schönenberg, Rüdiger Hacker, Gunna Wendt, Matthias Winter, Kira Bohn und Christin Alexandrow gesprochen werden. Jeder von ihnen liest auch eine ganze Novelle. Es zeigt sich: Die Auswahl der Sprecher*innen ist so vielfältig wie die vorgelesenen Geschichten. Zudem leitet Fagottist Benedikt Dreher musikalisch in die einzelnen Kapitel über.
Franziska zu Reventlow, 1905 (Archiv Monacensia)
Neben den erwähnten Erzählungen finden sich in dem Hörbuch noch Der Herr Fischötter, Spiritismus, Das Jüngste Gericht, Das allerjüngste Gericht, Wir Spione, Das feindselige Gepäck, Christus – Ein Interview (gelesen von Eva Sixt und Noah Alexander Wolf) und Das gräfliche Milchgeschäft.
Das Hörbuch ist in einer Box sowohl auf USB-Stick als auch auf mp3-CD erhältlich. So werden alle, die Hörbücher doch lieber auf klassische Weise hören möchten, keinesfalls enttäuscht. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der nachhaltigen Verpackung der beiden Medien. Sie besteht nur aus Pappe und Papier, selbst die Verbindungsschnur zwischen USB-Stick und dazugehörigem Anhänger. Der Stick ist zudem weiter- und wiederbespielbar. So findet sich sicherlich für jedermann, egal ob daheim oder unterwegs im Auto, eine passende Möglichkeit, um sich von den kuriosen Geschichten unterhalten zu lassen.
Gerade weil es sich um selbständige und relativ kurze Kapitel (mit Ausnahme der titelgebenden Erzählung von nur maximal ca. 30 Min. Dauer) handelt, eignet sich das Hörbuch sehr gut, um sich im Alltag kurze literarische Pausen zu nehmen. Besonders der Humor und die Kreativität stechen in den Erzählungen deutlich hervor. Hört man noch etwas genauer hin, erkennt man auch die Tiefsinnigkeit und Aktualität mancher Geschichten. Die vielfältige Auswahl der Sprecher*innen unterstreicht die Eigenheit jeder Erzählung und schafft so für jede einzelne eine individuelle Stimmung. Das Hörbuch ist insgesamt eine gelungene Hommage auf Franziska zu Reventlow, die durchaus dem heutigen Zeitgeist noch entspricht.
Franziska zu Reventlow: Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel. LOhrBär-Verlag, München 2020, 1 USB-Stick / 1 mp3-CD, ca. 250 Minuten, € 19,90 (Download € 13,95).
Sprecher*innen: Gunna Wendt, Michael Haake, Eva Sixt, Rüdiger Hacker, Matthias Winter, Kira Bohn, Bettina Schönenberg, Christin Alexandrow, Ole Bosse und Noah Alexander Wolf; Musik: Benedikt Dreher.
Zum Hörbuch „Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel“ von Franziska zu Reventlow>
Anlässlich des 150. Geburtstags der Schriftstellerin Franziska zu Reventlow im nächsten Jahr veröffentlicht der LOhrBär-Verlag ihre erstmals 1917 erschienene Novellensammlung Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel als Hörbuch (erhältlich ab 2. November 2020). Denn obwohl seit der Entstehung schon einige Zeit vergangen ist, sind die Geschichten darin doch „wahre Perlen der Literatur“. Patricia Blob hat reingehört.
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Franziska zu Reventlow wird 1871 in Husum geboren und flieht mit 21 Jahren vor dem Einfluss ihrer streng konservativen Erziehung nach München. Dort wird sie Teil der Schwabinger Boheme und macht vor allem mit ihrem skandalösen Leben von sich reden. Neben der Novellensammlung veröffentlicht die sog. „Skandalgräfin“ u.a. Publikationen im Simplicissimus und einige Romane, wie z.B. ihr autobiographisches Debüt Ellen Olestjerne.
Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel ist eine Sammlung grotesker Erzählungen mit skurrilen Begebenheiten und surrealen Charakteren, die den Lesenden – bzw. in dieser Version den Hörenden – zu gleichen Teilen verwirren als auch schmunzeln lassen. In der gleichnamigen Einstiegsgeschichte schafft Sprecher Michael Haake mit seiner tiefen und rauchigen Stimme gleich zu Beginn eine abenteuerliche Atmosphäre – und abenteuerlich ist diese Geschichte allemal. Schauplatz bietet hierfür eine spanische Insel: Der Ich-Erzähler findet sich dort als Tourist wieder und erhält von dem eigenartig aussehenden Hieronymus Edelmann eine Einladung in ein Logierhaus. Dort trifft der Neuankömmling auf einen Haufen unterschiedlichster Persönlichkeiten. Erst mit ihnen zusammen wird ihm klar, in welcher problematischen Situation sie sich alle befinden. Wider Erwarten wird am Ende aber keiner von ihnen zum Helden der Geschichte, sondern ein Krokodil und ein Ameisenbär.
Das polierte Männchen erzählt dann von einer Gruppe von Menschen, deren Dasein von Langeweile und Eintönigkeit geprägt ist – und das so lange, bis das polierte Männchen in ihr Leben tritt. Erst beachtet die Gruppe ihr neues Mitglied kaum, als jedoch unheimliche Vorkommnisse sich häufen, ändert sich das. Hat denn das polierte Männchen etwas damit zu tun? Wie auch die Spannung der Geschichte baut sich die weiche Stimme von Gunna Wendt von einer zurückhaltenden, unaufgeregten Sprechhaltung zu einer kräftigen, betonungsstarken Stimme auf und unterstreicht damit den Verlauf der Handlung.
Als Hörerlebnis ist die Erzählung Der Tod sehr empfehlenswert: Ein junger Mann aus gutem Hause stirbt recht plötzlich an einer schweren Krankheit. Bis der Sarg geliefert wird, muss sein Geist allerdings in seinem Sterbezimmer verweilen – und so bekommt er noch einige Vorkommnisse und Unterhaltungen seinen Tod betreffend mit. Aus der Perspektive des Verstorbenen, der offenbar ein überheblicher Lebemann war, berichtet Ole Bosse in einer passend leicht ironischen Stimmlage über die Geschehnisse am Totenbett. Sehr lebendig hingegen wirkt die Erzählung selbst, sowohl durch eine kurze Gesangseinlage als auch durch die wechselnden Stimmen der Nebenfiguren, die von Bettina Schönenberg, Rüdiger Hacker, Gunna Wendt, Matthias Winter, Kira Bohn und Christin Alexandrow gesprochen werden. Jeder von ihnen liest auch eine ganze Novelle. Es zeigt sich: Die Auswahl der Sprecher*innen ist so vielfältig wie die vorgelesenen Geschichten. Zudem leitet Fagottist Benedikt Dreher musikalisch in die einzelnen Kapitel über.
Franziska zu Reventlow, 1905 (Archiv Monacensia)
Neben den erwähnten Erzählungen finden sich in dem Hörbuch noch Der Herr Fischötter, Spiritismus, Das Jüngste Gericht, Das allerjüngste Gericht, Wir Spione, Das feindselige Gepäck, Christus – Ein Interview (gelesen von Eva Sixt und Noah Alexander Wolf) und Das gräfliche Milchgeschäft.
Das Hörbuch ist in einer Box sowohl auf USB-Stick als auch auf mp3-CD erhältlich. So werden alle, die Hörbücher doch lieber auf klassische Weise hören möchten, keinesfalls enttäuscht. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der nachhaltigen Verpackung der beiden Medien. Sie besteht nur aus Pappe und Papier, selbst die Verbindungsschnur zwischen USB-Stick und dazugehörigem Anhänger. Der Stick ist zudem weiter- und wiederbespielbar. So findet sich sicherlich für jedermann, egal ob daheim oder unterwegs im Auto, eine passende Möglichkeit, um sich von den kuriosen Geschichten unterhalten zu lassen.
Gerade weil es sich um selbständige und relativ kurze Kapitel (mit Ausnahme der titelgebenden Erzählung von nur maximal ca. 30 Min. Dauer) handelt, eignet sich das Hörbuch sehr gut, um sich im Alltag kurze literarische Pausen zu nehmen. Besonders der Humor und die Kreativität stechen in den Erzählungen deutlich hervor. Hört man noch etwas genauer hin, erkennt man auch die Tiefsinnigkeit und Aktualität mancher Geschichten. Die vielfältige Auswahl der Sprecher*innen unterstreicht die Eigenheit jeder Erzählung und schafft so für jede einzelne eine individuelle Stimmung. Das Hörbuch ist insgesamt eine gelungene Hommage auf Franziska zu Reventlow, die durchaus dem heutigen Zeitgeist noch entspricht.
Franziska zu Reventlow: Das Logierhaus zur schwankenden Weltkugel. LOhrBär-Verlag, München 2020, 1 USB-Stick / 1 mp3-CD, ca. 250 Minuten, € 19,90 (Download € 13,95).
Sprecher*innen: Gunna Wendt, Michael Haake, Eva Sixt, Rüdiger Hacker, Matthias Winter, Kira Bohn, Bettina Schönenberg, Christin Alexandrow, Ole Bosse und Noah Alexander Wolf; Musik: Benedikt Dreher.