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07.02.2013, 18:07 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [85]: Wer keinen Hund erziehen kann ...

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Das Pädagogicum endet nicht beim Kind. Es geht weiter – auf hündischer Ebene: „Denn sobald die Suppe auf dem Tische raucht: so umschifft Hetz den Tisch, springt in die Höhe – seine Schnauze liegt dann wasserpaß in einer Ebene mit der Rehkeule – und billt und stochert mit dem Kopfe an jedes Knie so sehr, besonders ans geistliche, daß der Mann seines Orts wie in einem Fegefeuer fortschlucket und häufig nicht weiß, käuet er Zucker oder Salz.“ (Foto: Frank Piontek, Silvester 2012 in St. Petersburg).

Mädchen könnten, schrieb Jean Paul gestern, mit Knaben ebenso gut Schlafzimmer als Schulstube teilen – und in gar keine. Ein Hofmeister, der Mädchen zu erziehen wüsste, müsste so viel Welt, so viel Weiberkenntnis, so viel Witz, so viel launige Gewandtheit bei ebenso vieler Festigkeit besitzen.

Wenn man morgens zufällig ein paar Zeilen Judith Butler gelesen hat, liest sich Jean Paul natürlich weit weniger harmlos, als wenn wir ihn und seine Meinungen mit den reinweg liebenden Augen der Gegenwart betrachten. Verlassen wir das verminte Terrain des „Geschlechterdiskurses“, so kommen wir alsbald in die Tierwelt, genauer: zum Hund Hetz, den Wachtelhund des Oberscheerauer Superintendenten. Der „billt und stochert mit dem Kopfe an jedes Knie“, dessen Schnauze „liegt wasserpaß in einer Ebene mit der Rehkeule“, der wird vom Intendenten verzogen – doch nicht vom Erzähler. „Wer keinen Hund erziehen kann“, ermahnt er den Rittmeister, „kann auch kein Kind erziehen“.  Sehr gut, setzen!

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