llse Schneider-Lengyel: Ein Porträt in Bruchstücken
Die 138. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern widmete sich dem Schwerpunktthema Ankommen. Klaus Hübner schreibt darin über das Leben der heute kaum noch bekannten Künstlerin und Autorin Ilse Schneider-Lengyel.
*
Unbekannt ist sie nicht. Man weiß, dass das allererste Treffen der später so berühmten Gruppe 47 im Haus von Ilse Schneider-Lengyel am Bannwaldsee bei Füssen stattfand. Fast vergessen ist sie dennoch. Ihren Nachlass bewahrt die Bayerische Staatsbibliothek, aber es haben sich »nur wenige und zum Teil marginale Quellen erhalten«, stellt der in Jena lehrende Literaturwissenschaftler Peter Braun in seinem Porträt dieser (auch) bayerischen Künstlerin fest. »Sie fügen sich nicht zu einem geschlossenen Bild.« Weshalb er seine Studie auch nicht als Biografie verstanden wissen möchte, sondern als »Porträt mit all den Lücken, die der Nachlass aufweist«.
Über ihre Kindheit und Jugend weiß man fast nichts - nur dass sie 1903 in München in eine wohlhabende protestantische Familie hineingeboren wurde, im Ersten Weltkrieg ein privates Internat in Augsburg besuchte und sich früh für moderne Kunst begeisterte. Und für Masken. Ethnologie, damals meistens noch »Völkerkunde« genannt, Kunstgeschichte und Fotografie beschäftigten sie intensiv - doch auch für ihre Studienzeit in Paris, Berlin und München sind die Zeugnisse rar.
Jedenfalls lernte sie im Umfeld des Bauhauses den aus dem südungarischen Szeged stammenden László Lengyel kennen, ihren späteren Ehemann. Noch vor der Hochzeit im Jahr 1933 eröffnete Ilse Schneider in der Münchner Agnesstraße ein eigenes Studio für Gebrauchsgrafik, und 1934 erschien ihr erstes Buch Die Welt der Maske im angesehenen Piper Verlag - erstaunlich angesichts der politischen Umstände, die einer intensiven Beschäftigung mit außereuropäischen Kulturen alles andere als förderlich waren.
Peter Braun skizziert die Autorin als eine in vielerlei Hinsicht zu früh gekommene Avantgardistin, für die im Kulturleben der NS-Zeit spätestens ab 1936 kein Platz mehr war. Immerhin konnte sie noch 1935 Das Gesicht des deutschen Mittelalters und 1936 Griechische Terrakotten veröffentlichen und Fotoreisen nach Italien unternehmen. »Dort traf sie, wann immer sich die Gelegenheit bot, den bayerischen Kronprinzen Rupprecht, der ab 1939 im Exil lebte, vornehmlich in Florenz. Bei ihren Treffen gingen sie ihrer gemeinsamen Leidenschaft für die Kunst nach. Sie besuchten Museen und Galerien.«
Mitten im Zweiten Weltkrieg konnte sie zwischen dem besetzten Paris und dem geliebten Bannwaldsee hin- und herpendeln - wie das möglich war, bleibt ebenfalls mehr oder weniger im Dunklen. Bestens belegt aber ist ihre in den Kriegsjahren erfolgte Hinwendung zu einer für sie ganz neuen Kunstform: »Im Nachlass hat sich eine Vielzahl von Gedichten erhalten.«
Nach dem Ende der Okkupation stürzten sich Ilse Schneider und Làszlò Lengyel ins rasch aufblühende Pariser Kulturleben und bewegten sich »zwischen der Gruppe der Abstrakten mit ihrem Aufschwung der Formen, Jean-Paul Sartres populärem Existentialismus und seiner 'literature engagée' und schließlich André Bretons Wiederbelebungsversuchen des Surrealismus«. Kontakte nach München bestanden noch, etwa zu Wilhelm Hausenstein, und so erschienen bald auch kulturjournalistische Texte in der Süddeutschen Zeitung, im Journal Prisma, im von Alfred Andersch und Hans Werner Richter herausgegebenen Ruf und in der ersten und einzigen Ausgabe der Zeitschrift Der Skorpion.
Wohnhaus von Ilse Schneider-Lengyel am Bannwaldsee im Allgäu (c) Rs-foto CC BY-SA 3.0
Am 6. und 7. September 1947 war eine bunte Schar von Schriftstellern zu Gast am Bannwaldsee - im Rückblick: das »Gründungstreffen der Gruppe 47«. Diese Gruppe, das stellt Peter Braun zu Recht heraus, »war immer mehr, war immer kontroverser und vielschichtiger als die Vorlieben, Meinungen und Urteile Hans Werner Richters«. Ilse Schneider-Lengyel war nicht bloß die Gastgeberin, die in aller Frühe mit dem Fischer hinausfuhr und Hechte fing, sondern auch, was Richter später meist unterschlagen hat, aktive Teilnehmerin, die vermutlich aus ihrem Gedichtzyklus Sorge um Gott las - und damit die überwiegend auf »Trümmerliteratur« fixierten Autoren befremdete. Man verstand diese laut Nicolaus Sombart »für unsere damaligen Maßstäbe ganz undeutsche Erscheinung« nicht.
Peter Braun wird ganz deutlich: Hans Werner Richter, der sich mit Im Etablissement der Schmetterlinge (1986) vollends zum »Mythographen der Gruppe 47« aufgeschwungen habe, brachte die Autorin Ilse Schneider-Lengyel letztlich zum Verstummen. Sie reiste noch zu den Folgetreffen in Altenbeuren, Marktbreit und Inzigkofen - die 1948 in Altenbeuren gelesenen Gedichte sind abgedruckt -, doch ihre surrealistische Lyrik, die die Sprache aus dem Gefängnis ihres rein zweckmäßigen Gebrauchs befreien und ihr ganz anders akzentuierte, kraftvolle poetische Sprengkraft verleihen möchte, kam nicht an.
Die Trennung von Làszlò Lengyel brachte sie vollends aus ihrem labilen Gleichgewicht. 1952 erschien ihr einziger Lyrikband september-phase in der von Alfred Andersch herausgegebenen Reihe studio frankfurt. Heinz Piontek schrieb 1953 dazu: »Ich habe von den etwa sechzig magenverstimmenden Texten nur sechs gelesen. Und hinterher habe ich einen Kognak trinken müssen. Und gleich darauf noch einen.« Das Vergessenwerden hatte längst begonnen.
In den 1950er-Jahren war Ilse Schneider-Lengyel »unterwegs zur Ethnopoesie«, ähnlich wie Janheinz Jahn und später Hubert Fichte, doch die Texte und Töne ihrer Hörfunk-Features müssen für deutsche Ohren sehr fremd geklungen haben. Totem und Trommel. Dokumente des Geistes der Tropen. Zauber-Riten und Geisterbeschwörungen in der Lyrik der Exotischen Völker lautet der Titel eines umfangreichen Skripts aus dem Nachlass, das Peter Braun detailliert vorstellt. Herbert G. Göpfert vom Hanser Verlag lehnte eine Buchpublikation ab. Briefe an den verehrten Avantgarde-Literaten Arno Schmidt führten zu nichts.
Eine letzte Fotoreise ging 1957 nach Syrien, ihr Engagement für die »Kampf dem Atomtod«-Bewegung brachte einen längeren Text hervor, in dem Gott der Prozess gemacht wird: Hier Welle Nullpunkt. Achtung Stickstoff. Ein Atomdrama. Im Mai 1960 nahm sie zum letzten Mal an einer Tagung der Gruppe 47 teil. Die finanziellen Sorgen häuften sich, der Campingplatz rückte immer näher an ihr geliebtes Haus am Bannwaldsee heran - sie musste verkaufen, nur noch das Wohnrecht blieb ihr, und allmählich versiegte ihre Kraft. Im Februar 1969 wurde Ilse Schneider-Lengyel verwirrt und verwahrlost in Konstanz aufgegriffen und ins Psychiatrische Landeskrankenhaus der Stadt eingewiesen. Dort ist sie am 3. Dezember 1972 gestorben.
Erinnerungstafel für die „Gruppe 47“ am Gründungshaus (c) Rs-foto CC BY-SA 3.0
Dass man überhaupt etwas weiß über ihre letzten Jahre, liegt an Gerhard Köpf, der ihr in seinem ersten Roman Innerfern (1983) ein Denkmal gesetzt hat. »Ich verdanke ihr den Weg zur Literatur«, schreibt er in seinem Gedenkblatt für die Künstlerin, die er, damals Gymnasiast in Füssen, 1966 / 68 mehrfach besucht hat. Eine Asphodele lautet der aus den Tagebüchern der Freia von Wühlisch übernommene Titel seines Aufsatzes über die beherzt Motorrad fahrende und in der Umgebung als »Seehexe« bekannte Dichterin, und schon in diesem zuerst 1996 veröffentlichten Gedenkblatt heißt es, Ilse Schneider-Lengyel gelte neben Ernst Kreuder und Wolfdietrich Schnurre zu Recht »als eine der wichtigsten Wegbereiterinnen der surrealen und magisch-realistischen Schreibweise, mit der sie zu ihrer Zeit freilich zu früh kam«.
Das von Gerhard Köpf bewunderte und mehrfach erwähnte, in den 1960er-Jahren entstandene Romanmanuskript Der Gartenzwerg sei »das Dokument eines inneren Rückzugs«, befindet Peter Braun. »Es ist ein Manuskript ohne kritischen Leser, ein Manuskript ohne Austausch, Gespräch und gemeinsame Reflexion - und somit ein Text, der davon zeugt, wie sich seine Autorin zunehmend in ihre eigene Einsamkeit eingesponnen hat.« Ob daraus jemals ein Buch werden wird?
Alfons Maria Arns; Heike Drummer: „Ich bin als Rebell geboren“. Ilse Schneider Lengyel – Fotografin, Kunsthistorikerin, Ethnologin, Dichterin … und die Gruppe 47 in Schwangau. Begleitkatalog zur gleichnamigen Wanderausstellung, 1. Aufl., Frankfurt/M. 2017, 80 S.
Peter Braun: llse Schneider-Lengyel. Fotografin, Ethnologin, Dichterin. Ein Porträt. Wallstein Verlag, Göttingen 2019, 284 S., 24,90 Euro.
Gerhard Köpf: Eine Asphodele. Über llse Schneider-Lengyel (1996). In: Ders.: Die Vorzüge der Windhunde. Essays gegen das Vergessen. Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2004, 196 S., 19,50 Euro. (S. 115-142.)
Gerhard Köpf: Innerfern. Roman (1983). Neuaufl. Braumüller Verlag, Wien 2018, 182 S., 20 Euro.
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Die 138. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern widmete sich dem Schwerpunktthema Ankommen. Klaus Hübner schreibt darin über das Leben der heute kaum noch bekannten Künstlerin und Autorin Ilse Schneider-Lengyel.
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Unbekannt ist sie nicht. Man weiß, dass das allererste Treffen der später so berühmten Gruppe 47 im Haus von Ilse Schneider-Lengyel am Bannwaldsee bei Füssen stattfand. Fast vergessen ist sie dennoch. Ihren Nachlass bewahrt die Bayerische Staatsbibliothek, aber es haben sich »nur wenige und zum Teil marginale Quellen erhalten«, stellt der in Jena lehrende Literaturwissenschaftler Peter Braun in seinem Porträt dieser (auch) bayerischen Künstlerin fest. »Sie fügen sich nicht zu einem geschlossenen Bild.« Weshalb er seine Studie auch nicht als Biografie verstanden wissen möchte, sondern als »Porträt mit all den Lücken, die der Nachlass aufweist«.
Über ihre Kindheit und Jugend weiß man fast nichts - nur dass sie 1903 in München in eine wohlhabende protestantische Familie hineingeboren wurde, im Ersten Weltkrieg ein privates Internat in Augsburg besuchte und sich früh für moderne Kunst begeisterte. Und für Masken. Ethnologie, damals meistens noch »Völkerkunde« genannt, Kunstgeschichte und Fotografie beschäftigten sie intensiv - doch auch für ihre Studienzeit in Paris, Berlin und München sind die Zeugnisse rar.
Jedenfalls lernte sie im Umfeld des Bauhauses den aus dem südungarischen Szeged stammenden László Lengyel kennen, ihren späteren Ehemann. Noch vor der Hochzeit im Jahr 1933 eröffnete Ilse Schneider in der Münchner Agnesstraße ein eigenes Studio für Gebrauchsgrafik, und 1934 erschien ihr erstes Buch Die Welt der Maske im angesehenen Piper Verlag - erstaunlich angesichts der politischen Umstände, die einer intensiven Beschäftigung mit außereuropäischen Kulturen alles andere als förderlich waren.
Peter Braun skizziert die Autorin als eine in vielerlei Hinsicht zu früh gekommene Avantgardistin, für die im Kulturleben der NS-Zeit spätestens ab 1936 kein Platz mehr war. Immerhin konnte sie noch 1935 Das Gesicht des deutschen Mittelalters und 1936 Griechische Terrakotten veröffentlichen und Fotoreisen nach Italien unternehmen. »Dort traf sie, wann immer sich die Gelegenheit bot, den bayerischen Kronprinzen Rupprecht, der ab 1939 im Exil lebte, vornehmlich in Florenz. Bei ihren Treffen gingen sie ihrer gemeinsamen Leidenschaft für die Kunst nach. Sie besuchten Museen und Galerien.«
Mitten im Zweiten Weltkrieg konnte sie zwischen dem besetzten Paris und dem geliebten Bannwaldsee hin- und herpendeln - wie das möglich war, bleibt ebenfalls mehr oder weniger im Dunklen. Bestens belegt aber ist ihre in den Kriegsjahren erfolgte Hinwendung zu einer für sie ganz neuen Kunstform: »Im Nachlass hat sich eine Vielzahl von Gedichten erhalten.«
Nach dem Ende der Okkupation stürzten sich Ilse Schneider und Làszlò Lengyel ins rasch aufblühende Pariser Kulturleben und bewegten sich »zwischen der Gruppe der Abstrakten mit ihrem Aufschwung der Formen, Jean-Paul Sartres populärem Existentialismus und seiner 'literature engagée' und schließlich André Bretons Wiederbelebungsversuchen des Surrealismus«. Kontakte nach München bestanden noch, etwa zu Wilhelm Hausenstein, und so erschienen bald auch kulturjournalistische Texte in der Süddeutschen Zeitung, im Journal Prisma, im von Alfred Andersch und Hans Werner Richter herausgegebenen Ruf und in der ersten und einzigen Ausgabe der Zeitschrift Der Skorpion.
Wohnhaus von Ilse Schneider-Lengyel am Bannwaldsee im Allgäu (c) Rs-foto CC BY-SA 3.0
Am 6. und 7. September 1947 war eine bunte Schar von Schriftstellern zu Gast am Bannwaldsee - im Rückblick: das »Gründungstreffen der Gruppe 47«. Diese Gruppe, das stellt Peter Braun zu Recht heraus, »war immer mehr, war immer kontroverser und vielschichtiger als die Vorlieben, Meinungen und Urteile Hans Werner Richters«. Ilse Schneider-Lengyel war nicht bloß die Gastgeberin, die in aller Frühe mit dem Fischer hinausfuhr und Hechte fing, sondern auch, was Richter später meist unterschlagen hat, aktive Teilnehmerin, die vermutlich aus ihrem Gedichtzyklus Sorge um Gott las - und damit die überwiegend auf »Trümmerliteratur« fixierten Autoren befremdete. Man verstand diese laut Nicolaus Sombart »für unsere damaligen Maßstäbe ganz undeutsche Erscheinung« nicht.
Peter Braun wird ganz deutlich: Hans Werner Richter, der sich mit Im Etablissement der Schmetterlinge (1986) vollends zum »Mythographen der Gruppe 47« aufgeschwungen habe, brachte die Autorin Ilse Schneider-Lengyel letztlich zum Verstummen. Sie reiste noch zu den Folgetreffen in Altenbeuren, Marktbreit und Inzigkofen - die 1948 in Altenbeuren gelesenen Gedichte sind abgedruckt -, doch ihre surrealistische Lyrik, die die Sprache aus dem Gefängnis ihres rein zweckmäßigen Gebrauchs befreien und ihr ganz anders akzentuierte, kraftvolle poetische Sprengkraft verleihen möchte, kam nicht an.
Die Trennung von Làszlò Lengyel brachte sie vollends aus ihrem labilen Gleichgewicht. 1952 erschien ihr einziger Lyrikband september-phase in der von Alfred Andersch herausgegebenen Reihe studio frankfurt. Heinz Piontek schrieb 1953 dazu: »Ich habe von den etwa sechzig magenverstimmenden Texten nur sechs gelesen. Und hinterher habe ich einen Kognak trinken müssen. Und gleich darauf noch einen.« Das Vergessenwerden hatte längst begonnen.
In den 1950er-Jahren war Ilse Schneider-Lengyel »unterwegs zur Ethnopoesie«, ähnlich wie Janheinz Jahn und später Hubert Fichte, doch die Texte und Töne ihrer Hörfunk-Features müssen für deutsche Ohren sehr fremd geklungen haben. Totem und Trommel. Dokumente des Geistes der Tropen. Zauber-Riten und Geisterbeschwörungen in der Lyrik der Exotischen Völker lautet der Titel eines umfangreichen Skripts aus dem Nachlass, das Peter Braun detailliert vorstellt. Herbert G. Göpfert vom Hanser Verlag lehnte eine Buchpublikation ab. Briefe an den verehrten Avantgarde-Literaten Arno Schmidt führten zu nichts.
Eine letzte Fotoreise ging 1957 nach Syrien, ihr Engagement für die »Kampf dem Atomtod«-Bewegung brachte einen längeren Text hervor, in dem Gott der Prozess gemacht wird: Hier Welle Nullpunkt. Achtung Stickstoff. Ein Atomdrama. Im Mai 1960 nahm sie zum letzten Mal an einer Tagung der Gruppe 47 teil. Die finanziellen Sorgen häuften sich, der Campingplatz rückte immer näher an ihr geliebtes Haus am Bannwaldsee heran - sie musste verkaufen, nur noch das Wohnrecht blieb ihr, und allmählich versiegte ihre Kraft. Im Februar 1969 wurde Ilse Schneider-Lengyel verwirrt und verwahrlost in Konstanz aufgegriffen und ins Psychiatrische Landeskrankenhaus der Stadt eingewiesen. Dort ist sie am 3. Dezember 1972 gestorben.
Erinnerungstafel für die „Gruppe 47“ am Gründungshaus (c) Rs-foto CC BY-SA 3.0
Dass man überhaupt etwas weiß über ihre letzten Jahre, liegt an Gerhard Köpf, der ihr in seinem ersten Roman Innerfern (1983) ein Denkmal gesetzt hat. »Ich verdanke ihr den Weg zur Literatur«, schreibt er in seinem Gedenkblatt für die Künstlerin, die er, damals Gymnasiast in Füssen, 1966 / 68 mehrfach besucht hat. Eine Asphodele lautet der aus den Tagebüchern der Freia von Wühlisch übernommene Titel seines Aufsatzes über die beherzt Motorrad fahrende und in der Umgebung als »Seehexe« bekannte Dichterin, und schon in diesem zuerst 1996 veröffentlichten Gedenkblatt heißt es, Ilse Schneider-Lengyel gelte neben Ernst Kreuder und Wolfdietrich Schnurre zu Recht »als eine der wichtigsten Wegbereiterinnen der surrealen und magisch-realistischen Schreibweise, mit der sie zu ihrer Zeit freilich zu früh kam«.
Das von Gerhard Köpf bewunderte und mehrfach erwähnte, in den 1960er-Jahren entstandene Romanmanuskript Der Gartenzwerg sei »das Dokument eines inneren Rückzugs«, befindet Peter Braun. »Es ist ein Manuskript ohne kritischen Leser, ein Manuskript ohne Austausch, Gespräch und gemeinsame Reflexion - und somit ein Text, der davon zeugt, wie sich seine Autorin zunehmend in ihre eigene Einsamkeit eingesponnen hat.« Ob daraus jemals ein Buch werden wird?
Alfons Maria Arns; Heike Drummer: „Ich bin als Rebell geboren“. Ilse Schneider Lengyel – Fotografin, Kunsthistorikerin, Ethnologin, Dichterin … und die Gruppe 47 in Schwangau. Begleitkatalog zur gleichnamigen Wanderausstellung, 1. Aufl., Frankfurt/M. 2017, 80 S.
Peter Braun: llse Schneider-Lengyel. Fotografin, Ethnologin, Dichterin. Ein Porträt. Wallstein Verlag, Göttingen 2019, 284 S., 24,90 Euro.
Gerhard Köpf: Eine Asphodele. Über llse Schneider-Lengyel (1996). In: Ders.: Die Vorzüge der Windhunde. Essays gegen das Vergessen. Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2004, 196 S., 19,50 Euro. (S. 115-142.)
Gerhard Köpf: Innerfern. Roman (1983). Neuaufl. Braumüller Verlag, Wien 2018, 182 S., 20 Euro.