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01.02.2019, 15:04 Uhr
Christine Erfurth
Betriebsgeflüster
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Bayerische Staatsbibliothek (c) BSB

Vom Sammeln und Verwahren literarischer Nachlässe

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Typoskript aus dem Nachlass Gustav Meyrinks. BSB Meyrinkiana VII.2.

Briefe, Tagebücher und Manuskripte – einzigartige, authentische Schriftstücke bilden den Nachlass von Schriftstellern. Vor knapp 200 Jahren schrieb Johann Wolfgang von Goethe in seinem Aufsatz Archiv des Dichters und Schriftstellers, dass seit dem Sommer 1822 „nicht allein Gedrucktes und Ungedrucktes, Gesammeltes und Zerstreutes vollkommen geordnet beisammen steht, sondern auch die Tagebücher, eingegangene und abgesendete Briefe in einem Archiv beschlossen sind“. Mit seinen Gedanken, der akribischen Organisation seiner Werkausgabe und seines Nachlassarchivs prägt er bis heute unsere Vorstellung vom Schriftstellernachlass als kulturelles Erbe. Die LiteraturSeiten München wollen in einer neuen Serie literarische Nachlässe vorstellen, die in enger Verbindung mit München und Bayern stehen.

Goethes Nachlass liegt heute im Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar, dem ältesten Literaturarchiv Deutschlands, und wurde 2001 von der UNESCO in die Liste des Weltdokumentenerbes eingetragen. Auf nationaler Ebene ist vor allem das Deutsche Literatur Archiv in Marbach zu nennen, das den Olymp der deutschen Schriftsteller mit mehr als 1.400 Nachlässen beheimatet. In München widmen sich die Monacensia und die Bayerische Staatsbibliothek dem Verwahren des Nachlasses renommierter Autoren. Aber auch Institutionen wie das Stadtarchiv München oder die Internationale Jugendbibliothek leisten hier ihren Beitrag.

In der Internationalen Jugendbibliothek mit Sitz auf Schloss Blutenburg befindet sich der vollständige Nachlass des Kinder- und Jugendbuchautoren James Krüss, dessen Tagebücher und Manuskripte. Ein besonderes Geschenk überreichte Michael Ende bereits zu seinen Lebzeiten der Bibliothek, mit der er sich eng verbunden fühlte: ein Originaltyposkript von Momo mit handschriftlichen Anmerkungen. Ein Teil seines gegenständlichen und literarischen Nachlasses ist heute dort im Michael-Ende-Museum zu sehen.

Internationale Jugendbibliothek in der Blutenburg

Die Bayerische Staatsbibliothek mit einem Bestand von fast 1.100 Nachlässen und mehr als 37.000 Autographen – von bekannten Persönlichkeiten eigenhändig geschriebene Schriftstücke – verzeichnet rund 150 Schriftstellernachlässe unter anderem von Ludwig Heinrich Christoph Hölty, Johann Heinrich Voß, August Graf von Platen, Paul Heyse, Adalbert Stifter, Georg von der Vring, Georg Britting, Oskar Maria Graf und Heinz Piontek.

Ein Schwerpunkt der Sammlung liegt dabei im 19. Jahrhundert auf dem sogenannten Münchner Dichterkreis um den Nobelpreisträger Paul Heyse. Den Nachlass von Anna Wimschneider, deren Lebenserinnerungen unter dem Titel Herbstmilch über zwei Millionen Mal verkauft wurden, schenkten ihre Erben 2017 der Bayerischen Staatsbibliothek. Darunter befinden sich Zeugnisse, Urkunden, Verlagskorrespondenz, unzählige Leserbriefe und vor allem die erste, ursprüngliche Fassung von Herbstmilch, die Wimschneider für ihre Töchter in zwei DIN-A4-Hefte aufgeschrieben hatte.

Erste Seite des Originalmanuskripts Herbstmilch

Das Literaturarchiv der Monacensia – das „literarische Gedächtnis“ der Stadt München – verwahrt etwa 300 literarische Nachlässe und Konvolute von Autoren wie Klaus und Erika Mann, Annette Kolb, Frank Wedekind, Ludwig Thoma, Gertrud von Le Fort und Franziska zu Reventlow. Das Archiv widmet sich insbesondere der Exil-Literatur nach 1933, Schriftstellern der Schwabinger Bohème, bayerischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts sowie der Münchner Gegenwartsliteratur seit 1945.

Frank Schmitter, stellvertretender Leiter der Monacensia, erzählt, dass „etwa drei bis vier Nachlässe pro Jahr erworben werden: 2017 unter anderem die Nachlässe von Dieter Hildebrandt und der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, 2018 der Nachlass der Verlegerfamilie Piper und aktuell der Nachlass von Hans Fitz, Bühnenautor, Schauspieler, Regisseur und Begründer der Münchner Künstlerdynastie Fitz.“

Dabei stellt der globale Trend der Digitalisierung eine besondere Herausforderung an Archive. Lese- und Schreibgewohnheiten wandeln sich: Es entsteht kaum mehr Handschriftliches, Manuskripte werden am Computer geschrieben, E-Mails gehören zum Alltag der Gegenwartsautoren. „Der Vorlass von Johano Strasser“, so Frank Schmitter, „ist zu 80 Prozent digital, Festplatten, E-Mails …“ Von einem Vorlass spricht man, wenn ein Schriftsteller bereits zu Lebzeiten einer Institution archivwürdige Unterlagen überlässt. Bei allem muss dafür gesorgt werden, dass digitale Informationen unabhängig von sich ändernder Hard- und Software lesbar bleiben. Zumal die Archivierung von dynamischen Onlinemedien, Webseiten, Blogs etc. an Bedeutung gewinnen wird.

Das Projekt Monacensia digital zeigt die Perspektiven, die das digitale Zeitalter Archiven und Bibliotheken eröffnet. Die umfangreichen Bestände der Familie Mann, darunter die Tagebücher von Klaus Mann, wurden gescannt und erschlossen. Wissenschaftler und Interessierte aus aller Welt können online auf die Originalquellen in digitalisierter Form zugreifen und darin lesen, während die Originale unter konservatorischen Bedingungen sicher in den Magazinen liegen.

Auszug aus Klaus Manns Tagebuch. 28.10.1936-27.3.1937 (c) Archiv Monacensia, KM D 70

„Ein neuer Baustein auf der Webseite Monacensia digital wird im Laufe dieses Jahres der Nachlass Waldemar Bonsels‘. Das Digitalisierungsvorhaben wird gemeinsam von der Monacensia (Stadtbibliothek München) und der Waldemar-Bonsels-Stiftung finanziert“, berichtet Frank Schmitter. Der Nachlass Bonsels‘, Vater der neugierigen und eigenwilligen Abenteurerin Biene Maja, beläuft sich auf 88 Archivkassetten und beinhaltet Manuskripte, Notizen, Korrespondenzen und Briefwechsel mit seinen Ehefrauen und Söhnen, mit Schriftstellern und Kulturschaffenden seiner Zeit, mit Verlagen und Zeitungsredaktionen. Die Archivalien wurden von der Stiftung bereits 1993 der Monacensia als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.

Interessierte können sich online über die Nachlässe Münchner und bayerischer Institutionen, Archive und Bibliotheken informieren, nämlich gleich hier: Im Literaturportal Bayern, einem Portal der Bayerischen Staatsbibliothek in Kooperation mit der Monacensia, sind die Bestände mit jeweils einer Kurzbeschreibung und weiterführenden Links sowie Kurzbiografien der Schriftsteller verzeichnet.

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