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22.06.2018, 11:50 Uhr
Sophie Stroux
Text & Debatte
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Ein Essaybuch von Thomas Palzer über Alter, Sexualität und das Zerbrechen einer Liebe

Der Münchner Schriftsteller Thomas Palzer arbeitet, oft unter philosophischen Fragestellungen, neben dem literarischen Schreiben auch als Autor für Radio und Fernsehen. Für seinen Roman Ruin erhielt er 2005 den Tukan-Preis. Zuletzt veröffentlichte er den Roman Nachtwärts und unlängst das Essaybuch Vergleichende Anatomie, das die junge Autorin Sophie Stroux für uns bespricht.

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Dem Individuum ist deutlich geworden, dass es ein Dividuum ist und aus Geschichten besteht – Geschichten, deren Stimmen in ihm wohnen und zu ihm sprechen. Wenn wir sprechen, sprechen wir uns aus.

Thomas Palzer gelingt in Vergleichende Anatomie eine außergewöhnliche Abhandlung über (männliche) Sexualität im Alter. Auf knapp 100 Seiten berichtet er von Beginn und Ende seiner zwanzigjährigen Beziehung und durchwebt die Erzählung mit philosophischen Gedanken zur Sexualität sowie einigen Einschüben zu Klassikern wie Foucault oder antiken Konzeptionen von Liebe.

Ich gehöre – zugegebenermaßen – vermutlich nicht mal zur Zielgruppe des Textes. Da ich zum einen noch jung und zum anderen weiblich bin, ist mir das Thema recht fern, ja, ich könnte auch sagen, ich habe davor so gut wie noch nie über Sex im Alter nachgedacht. Trotzdem haben mich Palzers Reflexionen berührt. Gerade an den Stellen, an denen er seine persönliche Geschichte schildert, habe ich mir Sätze markiert, einzelne Gedanken nochmal gelesen und weitergesponnen.

Originelle Beobachtungen wie Alter als ALTERnative zum Jungsein sind mit interessanten Zitaten und Bezügen gespickt. „Jugend, sagt Hugo von Hofmannsthal, ist vor allem ein substantiviertes Gespenst. Das Double dieses Gespenstes ist ebenfalls ein Gespenst und winkt von der anderen Seite der Skala. Es nennt sich Alter. Jugend und Alter sind zwei Gespenster, die der Gegenwart großen Schrecken einjagen – auf komplementäre Weise.“

Das ist kurzweilig zu lesen und sogar amüsant, auch wenn der Blick an einigen Stellen so nah ans Persönliche geht, dass man sich als Leser*in voyeuristisch fühlen kann. Denn Palzer gibt durchaus auch intime Details wie seine sexuellen Vorlieben und die seiner ehemaligen Freundin preis. Das wird zwar gut in die Erzählung integriert, man fragt sich nach der Lektüre dennoch ein wenig, ob sich seine Exfreundin über das Buch wohl freut ...

An einigen Stellen pauschalisiert Palzer, aber das ist der Kürze des Essaybandes geschuldet und mindert das Lesevergnügen kaum. Insgesamt – auch für junge Menschen – ein interessanter, sehr intimer Blick auf Alter und Jugend, Sexualität und Partnerschaft.