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04.02.2018, 13:44 Uhr
Klaus Hübner
Text & Debatte
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„Stilles Theater“: Neue Gedichte von Friedrich Hirschl

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Ackerwinde: Ihre Blüten / wie die Trichter / kleiner Grammofone

Spiegel bayerischer Literatur und Kultur, fundiert und unterhaltsam, Essays, Prosatexte und Gedichte von prominenten und unbekannten Autoren: Das ist die Zeitschrift Literatur in Bayern, die im Allitera Verlag erscheint. Seit über 30 Jahren informiert sie über das literarische Geschehen des Freistaats. Publizist Klaus Hübner hat sich für die 130. Ausgabe mit dem neuen Gedichtband des Passauer Lyrikers Friedrich Hirschl auseinandergesetzt. In Stilles Theater (lichtung verlag) schildert Hirschl die Phänomene der Natur mit sensibler Beobachtungsgabe und zärtlichen Worten; sie zeigt ihm dafür Bilder und Szenen vor täglich wechselndem Bühnenbild.

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Seinen mit viel Lob bedachten Bänden Herbstmusik (2006), Nachthaus (2009) und Flussliebe (2012) hat der 1956 in Passau geborene Philosoph, Theologe und Dichter Friedrich Hirschl, der nach dem Tod von Karl Stutz verlagsheimatlos geworden war, nun seine Gedichtsammlung Stilles Theater folgen lassen.

Das „stille Theater“ der Natur im Laufe der Jahreszeiten ist zweifellos das Hauptthema dieser eingängigen, leicht lesbaren Poeme – das einzige Thema indes ist es nicht. Denn manche der wie für eine Theateraufführung gemachten und oftmals durchaus dramatischen Szenen, die der 2015 mit dem Kulturpreis des Landkreises Passau ausgezeichnete Dichter in poetische Sprachbilder übersetzt, grundieren auch einen anderen, in Friedrich Hirschls Gedichten recht neuen Motivkomplex – den der Erotik. Ein Gedicht heißt Eine Liebe: „Unsere Blicke / schlugen Funken // Nur kurz / stand das Herz / in Flammen // Noch schwelt / das Feuer“. Ein anderes heißt Sie, und man fragt sich, was darin „unbemerkt“ geblieben ist: „Sie sitzt da / ihre schlanken Beine überkreuzt // Streift mich mit verstohlenen Blicken / Lockt mit langen schwarzen Wimpern // Reibt ihre prallen Lippen aneinander / Spielt unbemerkt mit dem Feuer“. Nicht nur die Natur ist ein Theater – auch die Erotik kann Ein Spiel sein: „Sie weiß / was sie will / Nimmt dich / ins Visier / Setzt auf / ihre Reize / Das Spiel / ist eröffnet / Du bist / am Zug // Aber du / gehst an ihr / vorbei / Brauchst / erst mal / Bedenkzeit“. Bedenkzeit, Zeit überhaupt, das mit einem Zurückblicken einhergehende Älterwerden – nicht ganz unerheblich für diesen Band, wie Noch zeitgemäß verdeutlicht, ohne Fragezeichen im Titel: „Ich schaue immer öfter / in verlegene Gesichter / Dabei habe ich doch nur / freundlich gegrüßt // Als Kind hat man / es mir beigebracht // Das ist freilich / schon lange her“.1

 

 

Friedrich Hirschl © Nicole Schaller // Stilles Theater in der edition lichtung

 

Mit zart-melancholischen, bisweilen nachdenklichen Anrufungen der Natur, zunächst gegliedert nach Jahreszeiten, beginnt der lyrische Reigen – so ähnlich war es schon in Flussliebe. Rapsfeld und Herbstlaub, Schnee und Wind, der Mond und auch die Passauer Flüsse werden lyrisch umkreist, und selbst scheinbar Unspektakuläres wie die Ackerwinde entgeht nicht der liebenden Aufmerksamkeit des Poeten: „Ihre Blüten / wie die Trichter / kleiner Grammofone // Ausnahmsweise / werden wir / nicht beschallt / Bekommen nur / Stille zu hören“. Es sind richtig schöne Naturgedichte dabei, Oktoberlaub zum Beispiel, aber auch einige wenige, welche die berühmte Kitschgrenze zumindest streifen, Erneuert etwa oder Besorgter Winter. Friedrich Hirschls liebenswerte Sprach- und Stimmungsbilder sind weder avantgardistisch noch gar revolutionär. Die 109 in Stilles Theater versammelten Gedichte sind getragen von einer großen Liebe zur Schöpfung, behutsam und bewahrend im schönsten Sinne, gelegentlich mit Tendenzen zur Beschaulich- und Erbaulichkeit. Was eine vorsichtige Feststellung ist und kein abwertendes Urteil.

 

1 Friedrich Hirschl: „Stilles Theater. Gedichte“. Viechtach: edition lichtung 2017. 143 S.

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Klaus Hübner, Dr. phil., wurde 1953 in Landshut geboren und legte sein Abitur am dortigen Hans-Carossa-Gymnasium ab. Er studierte Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaft in Erlangen und München und wurde 1980 mit der Studie Alltag im literarischen Werk. Eine literatursoziologische Studie zu Goethes Werther promoviert. An der Universidad de Deusto in Bilbao (Spanien) war er von 1981 bis 1983 als DAAD-Lektor tätig. Später wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Institut für Deutsch als Fremdsprache und am Institut für Deutsche Philologie der Universität München. Von 1984 bis 2016 war Hübner Redakteur der monatlich erscheinenden Zeitschrift Fachdienst Germanistik. In den Jahren 1985 bis 1999 war er hauptsächlich für den Münchner iudicium-Verlag tätig. Von 2003 bis 2017 war er außerdem Ständiger Sekretär des Adelbert-von-Chamisso-Preises der Robert Bosch Stiftung und im Zusammenhang damit auch als Journalist und Moderator tätig. Seit 2012 ist Hübner Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Literatur in Bayern, seit 2016 Redaktionsbeirat der Literaturzeitschrift Neue Sirene. Als Publizist veröffentlichte er zahlreiche Buchkritiken, Autorenporträts und andere Arbeiten in Zeitschriften, Zeitungen und Internetforen sowie mehr als 100 Lexikonartikel, z.B. für Kindlers Neues Literaturlexikon, das Metzler Literatur Lexikon und das von Walther Killy begründete Literaturlexikon. Hübner ist Mitarbeiter am Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) sowie am Internationalen Forschungszentrum Chamisso (IFC) am Institut für Deutsch als Fremdsprache, die beide zur Universität München gehören.

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