Arbeitsstipendien der Stadt München 2017 an Christoph Poschenrieder und Susanne Röckel
Mit den 2015 von der Landeshauptstadt München eingerichteten Arbeitsstipendien werden jährlich Münchner Autorinnen und Autoren gefördert, die sich mit ihrem Werk bereits literarisch ausgewiesen haben und im Literaturbetrieb in Erscheinung getreten sind. Die Arbeitsstipendien sind mit jeweils 6.000 Euro dotiert und werden für literarische Projekte vergeben; die Autorinnen und Autoren müssen sich mit ihren Texten selbst bewerben. 2017 erhalten Christoph Poschenrieder und Susanne Röckel die Auszeichnung.
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Beworben haben sich 25 Autorinnen und Autoren. Die Arbeitsstipendien 2017 erhalten Christoph Poschenrieder für sein Romanprojekt „Meyrink und die Macht des Wortes“ und Susanne Röckel für ihre „Phantastischen Erzählungen“. Dies beschloss am Mittwoch, 9. August, der als Feriensenat tagende Verwaltungs- und Personalausschuss auf Empfehlung der Jury. Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
Jurybegründung für Christoph Poschenrieder
In seinem neuen Romanprojekt „Meyrink oder die Macht des Wortes“ wendet sich Poschenrieder wieder einer historischen Figur zu: Gustav Meyrink. Es ist erstaunlich, dass er der erste Autor ist, der sich dieser höchst schillernden und ambivalenten Persönlichkeit literarisch annimmt. Als Vertreter der phantastischen Literatur (mit theosophischem Einschlag) hat Meyrink auch heute einen festen Platz in der Literaturgeschichte. Doch fast noch wichtiger ist Meyrinks abenteuerliches Leben als Bankier und Schriftsteller, kurz vor seinem Tod konvertierte er zum Mahayana-Buddhismus. Bei Poschenrieder kann man sich als Leser von Anfang an in die Person Gustav Meyrinks, einer der schillerndsten Figuren der deutschsprachigen Literaturszene um 1900, hineinversetzen. Historie und Fiktion werden äußerst geschickt miteinander verwoben, wobei auch ironische Aspekte nicht zu kurz kommen. Die Welt um 1900 erstrahlt bei Poschenrieder in all ihrer geistigen Vielfalt und Ambivalenz.
Poschenrieders Sprache ist klar, präzise und anschaulich; neben Meyrink werden historische Figuren wie Erich Mühsam oder Kurt Eisner literarisch gekonnt mit Leben erfüllt. Poschenrieder arbeitet mit der Sprache wie mit einem Skalpell: Er legt Schicht um Schicht frei und dringt gleichermaßen in die Archäologie der Geschichte vor wie in das komplexe Innenleben seines Protagonisten. Sein Projekt verspricht einen spannenden, literarisch bemerkenswerten Roman, der im höchsten Maß förderungswürdig ist.
Christoph Poschenrieder, geboren 1964 bei Boston, studierte an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München und besuchte die Journalistenschule an der Columbia University in New York. Er arbeitete als Zeitungsredakteur und Videojournalist, machte Dokumentarfilme und schrieb Handbücher für Computersoftware. 2009 erschien sein erstes Buch; im Herbst erscheint sein fünfter Roman, „Kind ohne Namen“, im Diogenes Verlag.
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Jurybegründung für Susanne Röckel
Es gibt nicht nur den wohlbekannten Fluss des Vergessens, es gibt auch einen Strom der Erinnerungen. Nach dem Tod seiner Frau Theresa kehrt Albert in jenes Fluss-Delta zurück, in dem das Paar vor fünf Jahren eine glückliche Zeit in einer kleinen Pension verbracht hat. Überall – ob im Bad-Spiegel oder im schlierigen Wasser – meint er das geisterhafte Gesicht oder auch die Fratze seiner viel zu früh verstorbenen Frau zu erblicken. Denn es waren nicht nur halkyonische Tage, die beide miteinander verbrachten, sondern auch sehr schwere, bedingt durch den „nagenden, finsteren Selbsthass“ Theresas.
Susanne Röckel versteht es, vom traumatischen Verlust eines Menschen wie vom schleichenden Ende einer Liebe zu erzählen und dies motivisch geschickt zu verquicken mit weiblichen Dämonen, Sphingen und Hexenwesen, die Albert auf seiner Reise auf etruskischen Vasen sieht und von denen er sich – genauso wie von unheimlichen Vogelwesen – verfolgt glaubt. „Sirenen“ wird eine von fünf „phantastischen Erzählungen“ bilden, in denen die Autorin jenen „Punkt der Verunsicherung“ erforschen will, an dem gefestigte Existenzen „aus allen vertrauten Zusammenhängen herausfallen“. Man ist gespannt auf die Fortführung dieser Arbeit, die uns davon erzählt, was es heißt, heimgesucht zu werden von den Furien des Nicht-Verwinden-Könnens eines großen Verlusts.
Susanne Röckel, geboren 1953, lebt seit 1983 in München. Sie arbeitete als Lehrerin in Paris und München und als Verlagsassistentin, schrieb für die Zeitschrift „Filmkritik“ und arbeitet als literarische Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen. Seit 1989 hat sie acht Romane und Erzählbände veröffentlicht und erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien. Ihr neuer Roman erscheint im Frühjahr 2018 im Verlag Jung und Jung.
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Arbeitsstipendien der Stadt München 2017 an Christoph Poschenrieder und Susanne Röckel>
Mit den 2015 von der Landeshauptstadt München eingerichteten Arbeitsstipendien werden jährlich Münchner Autorinnen und Autoren gefördert, die sich mit ihrem Werk bereits literarisch ausgewiesen haben und im Literaturbetrieb in Erscheinung getreten sind. Die Arbeitsstipendien sind mit jeweils 6.000 Euro dotiert und werden für literarische Projekte vergeben; die Autorinnen und Autoren müssen sich mit ihren Texten selbst bewerben. 2017 erhalten Christoph Poschenrieder und Susanne Röckel die Auszeichnung.
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Beworben haben sich 25 Autorinnen und Autoren. Die Arbeitsstipendien 2017 erhalten Christoph Poschenrieder für sein Romanprojekt „Meyrink und die Macht des Wortes“ und Susanne Röckel für ihre „Phantastischen Erzählungen“. Dies beschloss am Mittwoch, 9. August, der als Feriensenat tagende Verwaltungs- und Personalausschuss auf Empfehlung der Jury. Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
Jurybegründung für Christoph Poschenrieder
In seinem neuen Romanprojekt „Meyrink oder die Macht des Wortes“ wendet sich Poschenrieder wieder einer historischen Figur zu: Gustav Meyrink. Es ist erstaunlich, dass er der erste Autor ist, der sich dieser höchst schillernden und ambivalenten Persönlichkeit literarisch annimmt. Als Vertreter der phantastischen Literatur (mit theosophischem Einschlag) hat Meyrink auch heute einen festen Platz in der Literaturgeschichte. Doch fast noch wichtiger ist Meyrinks abenteuerliches Leben als Bankier und Schriftsteller, kurz vor seinem Tod konvertierte er zum Mahayana-Buddhismus. Bei Poschenrieder kann man sich als Leser von Anfang an in die Person Gustav Meyrinks, einer der schillerndsten Figuren der deutschsprachigen Literaturszene um 1900, hineinversetzen. Historie und Fiktion werden äußerst geschickt miteinander verwoben, wobei auch ironische Aspekte nicht zu kurz kommen. Die Welt um 1900 erstrahlt bei Poschenrieder in all ihrer geistigen Vielfalt und Ambivalenz.
Poschenrieders Sprache ist klar, präzise und anschaulich; neben Meyrink werden historische Figuren wie Erich Mühsam oder Kurt Eisner literarisch gekonnt mit Leben erfüllt. Poschenrieder arbeitet mit der Sprache wie mit einem Skalpell: Er legt Schicht um Schicht frei und dringt gleichermaßen in die Archäologie der Geschichte vor wie in das komplexe Innenleben seines Protagonisten. Sein Projekt verspricht einen spannenden, literarisch bemerkenswerten Roman, der im höchsten Maß förderungswürdig ist.
Christoph Poschenrieder, geboren 1964 bei Boston, studierte an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München und besuchte die Journalistenschule an der Columbia University in New York. Er arbeitete als Zeitungsredakteur und Videojournalist, machte Dokumentarfilme und schrieb Handbücher für Computersoftware. 2009 erschien sein erstes Buch; im Herbst erscheint sein fünfter Roman, „Kind ohne Namen“, im Diogenes Verlag.
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Jurybegründung für Susanne Röckel
Es gibt nicht nur den wohlbekannten Fluss des Vergessens, es gibt auch einen Strom der Erinnerungen. Nach dem Tod seiner Frau Theresa kehrt Albert in jenes Fluss-Delta zurück, in dem das Paar vor fünf Jahren eine glückliche Zeit in einer kleinen Pension verbracht hat. Überall – ob im Bad-Spiegel oder im schlierigen Wasser – meint er das geisterhafte Gesicht oder auch die Fratze seiner viel zu früh verstorbenen Frau zu erblicken. Denn es waren nicht nur halkyonische Tage, die beide miteinander verbrachten, sondern auch sehr schwere, bedingt durch den „nagenden, finsteren Selbsthass“ Theresas.
Susanne Röckel versteht es, vom traumatischen Verlust eines Menschen wie vom schleichenden Ende einer Liebe zu erzählen und dies motivisch geschickt zu verquicken mit weiblichen Dämonen, Sphingen und Hexenwesen, die Albert auf seiner Reise auf etruskischen Vasen sieht und von denen er sich – genauso wie von unheimlichen Vogelwesen – verfolgt glaubt. „Sirenen“ wird eine von fünf „phantastischen Erzählungen“ bilden, in denen die Autorin jenen „Punkt der Verunsicherung“ erforschen will, an dem gefestigte Existenzen „aus allen vertrauten Zusammenhängen herausfallen“. Man ist gespannt auf die Fortführung dieser Arbeit, die uns davon erzählt, was es heißt, heimgesucht zu werden von den Furien des Nicht-Verwinden-Könnens eines großen Verlusts.
Susanne Röckel, geboren 1953, lebt seit 1983 in München. Sie arbeitete als Lehrerin in Paris und München und als Verlagsassistentin, schrieb für die Zeitschrift „Filmkritik“ und arbeitet als literarische Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen. Seit 1989 hat sie acht Romane und Erzählbände veröffentlicht und erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien. Ihr neuer Roman erscheint im Frühjahr 2018 im Verlag Jung und Jung.
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