Von Frank Wedekind bis Thomas Mann – ein literarischer Spaziergang durch München (1)
Dr. Franz Klug ist der Leiter von Münchens ältester Buchhandlung, der Buchhandlung Lentner im Rathaus, die schon seit 1698 besteht. Jetzt hat der Bücherliebhaber und Münchenkenner selbst ein Buch verfasst: In München abseits der Pfade (Braumüller Verlag) bietet er eine etwas andere Reise durch die Weltstadt mit Herz, unter anderem auch einen literarischen Spaziergang durch die Maxvorstadt bis ins Lehel – reich an historischen Informationen zu Kunst- und Kulturgeschichte der Viertel und mit Insidertipps zu sehenswerten Orten und kulinarischen Empfehlungen.
*
München literarisch
(Teil 1)
Die Wanderung mit Schwerpunkt Literatur beginne ich im Grenzbereich zwischen Schwabing und Maxvorstadt. Während der ehemalige Wohnort der Familie Mann in der Franz-Joseph-Straße 2/3 noch in Schwabing liegt, befindet sich die zweite literarische Adresse – die ehemalige Wohnung von Lion und Martha Feuchtwanger – in der Georgenstraße 24, bereits in der Maxvorstadt. In die Franz-Joseph-Straße gelange ich, wenige Schritte von der U-Bahn-Station Giselastraße entfernt, von der Leopoldstraße aus. Aus der U-Bahn-Station ans Licht kommend, empfängt mich aber als Erstes auf der anderen Straßenseite die gigantische Skulptur Walking Man, eine 17 Meter hohe Statue des amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky. Die Leopoldstraße, die vom Siegestor im Süden und im Norden noch weit über den Platz Münchner Freiheit hinausführt, ist Schwabings größter Einkaufs- und Flanierboulevard voller Geschäfte, Restaurants und Büro- und Universitätsgebäude. In nördlicher Richtung komme ich gleich am Ristorante Adria vorbei, einem italienischen Lokal, das bis drei Uhr früh warme Küche bietet – und gute noch dazu. Vielleicht hängt das mit den ausgedehnten Öffnungszeiten zusammen – hier treffen sich jedenfalls oft Künstler und Journalisten.
Der Walking Man des amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky
Gegenüber dem Adria treffen wir nun endlich auf die große Literatur: In der Franz-Joseph-Straße 2-3 lebte von Februar 1905 bis September 1910 Thomas Mann mit seiner Familie. Hier entstanden der Roman Königliche Hoheit und viele Erzählungen. Am Gebäude sind mehrere Gedenktafeln angebracht, die der Münchner Künstler Joachim Jung geschaffen hat. Hier kann man auch lesen, dass das ursprüngliche Gebäude – ein Jahrhundertwende-Bürgerhaus – nicht erhalten ist; es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Ich gehe zurück zur U-Bahn-Station und weiter Richtung Siegestor, nach Süden also, die Leopoldstraße entlang und komme an der Fakultät für Psychologie und Pädagogik und an den Münchner Bouquinisten vorbei. Diese Buchverkäufer mit ihren Tapeziertischen, die sich biegen unter der vielfältigen Auswahl an antiquarischen Büchern, verführen mich immer wieder, ein Buch mitzunehmen. An der nächsten Kreuzung biege ich rechts ab.
Siegestor, Bayerische Staatsbibliothek und Ludwigskirche © Bayerische Staatsbibliothek
Die Georgenstraße durchläuft die Maxvorstadt in Ost-West-Richtung und ist in diesem Abschnitt eine ruhige Wohnstraße mit einigem Altbau- und viel Neubaubestand, wobei ich auf dem Literatur-Spaziergang natürlich auf Georgenstraße 4 hinweisen muss, wo der Piper Verlag residiert. Ein besonderes Haus mit auffälliger Fassade ist das ehemalige Palais Bissing in der Georgenstraße 10: Um den Erker herum reihen sich Porträts von Friedrich Schiller, Donatello, Raffael und Sophokles. Ich komme nun zum Haus Nr. 24, das an der Ecke Georgenstraße/Friedrichstraße liegt, direkt gegenüber vom Restaurant Georgenhof. Im dritten Stock wohnte hier von 1918 bis 1925 Lion Feuchtwanger mit seiner Frau Martha. Martha Feuchtwanger beschrieb das Arbeiten ihres Mannes: „Von der Küche aus konnte man in die Gärten des Palastes von Prinz Leopold schauen. Da Kohle im Krieg rationiert war und nur ein Raum pro Wohnung geheizt werden konnte, setzte sich Lion zum Schreiben tagsüber in die nahe liegende Staatsbibliothek. Bis weit in die Zwanzigerjahre hinein blieb das sein Arbeitsplatz, dort entstanden seine ersten beiden historischen Romane.“ Diese Romane waren Jud Süß und Die hässliche Herzogin, beide Bücher waren sehr erfolgreich und das Ehepaar Feuchtwanger kaufte sich – beunruhigt von den politischen Entwicklungen in München – ein Haus in Berlin.
Palais Bissing kurz nach der Jahrhundertwende // Bekannt wurde der Piper Verlag 1912 durch die Veröffentlichung des Almanachs Der Blaue Reiter
Die Georgenstraße war aber nicht nur Wohnort der Feuchtwangers, sondern auch von Künstlern wie Paul Klee, Wassily Kandinsky und der Schriftstellerin, Malerin und schillernden Bohemienne Franziska zu Reventlow, die kurze Zeit in den Häusern Georgenstraße 27 und 29 lebte. In der Friedrichstraße gibt es noch einige schöne Jugendstilgebäude, im Haus Nr. 1 lebte Wassily Kandinsky eine Weile, im Haus Nr. 4 Franz Marc, der mit Kandinsky die Künstlergemeinschaft „Der Blaue Reiter“ gründete und 1916 bei Verdun fiel. Mein Weg führt mich heute aber nicht in die Friedrichstraße, ich biege links in die hier beginnende Türkenstraße ein, die gerade nach Süden, Richtung Zentrum führt. Bald gelange ich zum Arri-Kino, einem der ältesten Münchner Programmkinos, das aus der Münchner Filmkulturszene nicht wegzudenken ist.
Gemälde Blaues Pferdchen von Franz Marc, 1912
An dieser Stelle zweigt die Akademiestraße von der Türkenstraße ab, die noch einen berühmten Bewohner zu bieten hat: Bertolt Brecht lebte mit seiner Frau Marianne Zoff und mit Tochter Hanne zeitweise in der Akademiestraße 15 – Brecht war ja sehr viel unterwegs –, bevor die Familie 1924 nach Berlin übersiedelte. Brecht pflegte in München enge Kontakte zu Lion Feuchtwanger und zum Münchner Residenztheater, wo die Uraufführung von Im Dickicht der Städte im Mai 1923 von den Kritikern gelobt, von Nazis allerdings dermaßen gestört wurde, dass das Stück nach sechs Vorstellungen abgesetzt wurde.
Cuvilliéstheater // Residenztheater
Namensgebend für die Akademiestraße ist die Akademie der Bildenden Künste, eine der ältesten und bedeutendsten Kunstakademien Deutschlands. Neben ihrer Absolventen und Professorenliste beeindrucken auch die Gebäude: der Altbau sowie der imposante Neubau. Der Altbau wurde von 1876 bis 1884 nach Plänen von Gottfried von Neureuther errichtet, der dreiflügelige Gründerzeitbau wirkt regelrecht palastartig. Der prächtige Eingang in Form einer Empore wird flankiert von zwei Statuen und liegt genau in der Sichtachse der Amalienstraße, die hier an der Akademiestraße endet. Die Akademie der Bildenden Künste ist ein beeindruckendes Beispiel für die gelungene Mischung und Koexistenz von alter und neuer Architektur. Der Neubau der Akademie wurde vom Architekturbüro Coop Himmelb(l)au in postmoderner Formensprache geplant – gemäß dem Leitspruch der Postmoderne „form follows fiction“ – gut sichtbar in der gläsernen Fassadengestaltung des Neubaus.
Der Gründerzeitbau der Akademie der Bildenden Künste um 1900
Nach diesem Abstecher gehe ich zurück in die Tükenstraße, der ich auf der linken Seite weiter nach Süden folge. Nach der Überquerung der Adalbertstraße komme ich in den lebendigsten Teil der Türkenstraße mit vielen Lokalen und Geschäften. Da die Ludwig-Maximilians-Universität nur ein kleines Stück entfernt ist, werden die Straßencafés und Restaurants gerne von den Studierenden besucht.
Die Türkenstraße versammelt hier vom Vorstadtcafé bis zum Café in der Sammlung Brandhorst mehr als dreißig Cafés und Restaurants und kann sich damit mit der größten Lokaldichte Münchens brüsten. Links öffnet sich die Türkenstraße zum Georg-Elser-Platz – derselbe Georg Elser, an den beim ehemaligen Bürgerbräukeller im Gasteig-Areal eine Gedenktafel erinnert. Hier leuchtet jeden Abend eine ihm gewidmete Wandskulptur auf dem Grundschulgebäude, deren Gelände den Abschluss der Türkenstraße Richtung Schellingstraße bildet, kurz auf – als Erinnerung an die Bombenexplosion, der Hitler und die nationalsozialistische Führungsschicht im November 1939 knapp entkamen.
Die Rückseite des Hauptgebäudes der Ludwig-Maximilians-Universität liegt auf der Amalienstraße. Im Hintergrund ist der Hauteingang der Akademie der Bildenden Künste zu sehen.
Gegenüber der Grundschule in der Türkenstraße liegen zwei meiner Lieblingslokale gleich nebeneinander: die Gelateria Adria, tatsächlich geführt von einer italienischen Familie, die mit wunderbarem Eis, perfektem Espresso und hausgemachtem Tiramisu Urlaubsfeeling entstehen lassen. Schon wegen der nostalgischen Inneneinrichtung – Glasspiegel an den Wänden, um den Raum optisch zu vergrößern, und Fliesen mit Jugendstilmotiven – besuche ich dieses Lokal gerne und sitze auch im Sommer, wenn sich draußen am Gehsteig alles drängt, am liebsten drinnen. Einen Wermutstropfen gibt es: Das gemischte Eis mit Sahne wird nicht mehr in den herrlichen alten Sechzigerjahre-Silberbechern serviert. Neben dem Eissalon liegt der Alte Simpl – ein Lokal mit so viel Geschichte, dass an der Hauswand eine Gedenktafel über die wichtigsten Eckpunkte informiert, damit man schon eingestimmt diesen über hundert Jahre alten historischen Treffpunkt der einstigen Schwabinger Boheme betreten kann.
Die emblematische rote Bulldogge der Satire-Zeitung Simplicissimus
Der Alte Simpl, ursprünglich als Neue Dichtelei von Kathi Kobus 1897 gegründet und 1903 in Simplicissimus umbenannt, ist eines der ältesten noch erhaltenen Münchner Lokale aus der Zeit der Schwabinger Boheme. Es knüpft mit Einrichtung und Ausstattung bewusst an diese große Zeit an; die einstige Atmosphäre spiegelt sich anschaulich in den Bildern an den Wänden wider. Auf den Fotos sind die künstlerischen Größen, von Joachim Ringelnatz über Karl Valentin und Liesl Karlstadt bis Franziska zu Reventlow, zu sehen. Im Gastraum sitzt immer noch – angekettet – die von Thomas Theodor Heine entworfene rote Simplicissimus-Bulldogge. Die dunkle Holzvertäfelung an den Wänden und die langen Tische in der Gaststube entführen in eine andere Zeit. Den Namen übernahm Frau Kobus von der Satire-Zeitung Simplicissimus, da deren Verleger Albert Langen genau wie der Dramatiker Frank Wedekind und der Schriftsteller Erich Mühsam Stammgäste waren.
Joachim Ringelnatz dichtete gar ein eigenes Simplicissimus-Lied:
Mitternacht ist’s. Längst im Bette
Liegt der Spießer steif und tot.
Ja, dann winkt das traulich nette
Simpel-Glasglüh-Morgenrot.
Und mich zieht’s mit Geisterhänden,
Ob ich will, ob nicht, ich muß
Nach den bildgeschmückten Wänden
In den Simplicissimus.
Wo sich zum gemeinen Wohle
Künstler und Bohème trifft,
Wo die Kathi still zur Bowle
Mischt das tödlich-scharfe Gift;
Wo mit Mandolinenklängen
Sich verweht der Weißwurst Dampf
Lausch ich fröhlichen Gesängen
Und dem Mords-Klaviergestampf.
Noch zwei Strophen geht’s weiter mit Kunst, Essen und Kathi Kobus – und auch wenn es heute keine Mandolinenklänge, kein Klaviergestampf mehr im Alten Simpl gibt, so ist diese originelle Kneipe auch nach hundert Jahren noch einen Besuch wert.
Ich gelange nun zur Kreuzung Türkenstraße/Schellingstraße. Hier ist links in einem klitzekleinen Häuschen der Bezirksausschuss Maxvorstadt untergebracht. Und da ist es an der Zeit, mit einem Irrtum aufzuräumen: Die Maxvorstadt gehört nicht zu Schwabing, auch wenn der Alte Simpl hier liegt. Natürlich lassen sich Genie und Wahnsinn der Boheme um 1900, die im damaligen „Wahnmoching“ als Geisteszustand herrschten, nicht geografisch auf Bezirksgrenzen festlegen. Franziska Gräfin zu Reventlow hat dieser Künstlerszene übrigens in ihrem Roman Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil ein lebendiges Denkmal gesetzt – man könnte im Alten Simpl sitzend und in diesem Buch lesend durchaus eine Zeitreise unternehmen.
Die Boheme feierte rauschende Feste und schuf Kunst zwischen Genie und Wahnsinn
Das geografische Zentrum von Schwabing befindet sich eigentlich weiter nördlich an der Münchner Freiheit mit den umliegenden Plätzen und Straßen. Ein Münchner Stadtplan von 1807 zeigt, dass sich zwischen München und dem Dorf Schwabing noch zahlreiche Felder ausdehnen; die bauliche Entwicklung dieses Gebiets wurde Anfang des neunzehnten Jahrhunderts unter König Maximilian I. Joseph geplant, daher heißt das Viertel seit 1812 Maxvorstadt.
Damit haben wir der historischen Exaktheit wohl Genüge getan, zurück an die Ecke Türkenstraße/Schellingstraße. Neben dem kleinen Häuschen begrenzt eine Mauer den Schulhof der Grundschule Türkenstraße. Diese Mauer beherbergt in Form einer künstlerischen Intervention einen spannenden Teil der Geschichte dieser Straße. Die Schule, deren Garten an die Schellingstraße grenzt, liegt über dem Türkengraben, der 1702 im Auftrag des Kurfürsten Max Emanuel gebaut wurde. Dieser wollte die Münchner Residenz durch einen Kanal mit Schloss Schleißheim verbinden. Der Künstler Joachim Jung hat im Rahmen einer Ausstellung dieses einstige Kanalprojekt ins historische Bewusstsein der Maxvorstadt zurückgeholt; in Form von fünf Tafeln, die in der Mauer an der Schellingstraße eingebaut sind, wird die spannende Ortsgeschichte sichtbar.
Die Schellingstraße endet im Osten an der Ludwigstraße – dieses Ende ist von hier aus deutlich sichtbar, weil sich genau dort in der Ludwigstraße das Portal der Ludwigskirche erhebt – und beherbergt zahlreiche Antiquariate und Buchhandlungen – was mit der unmittelbaren Nähe des großen Blocks der Ludwig-Maximilians-Universität zu tun hat –, darunter eines der ältesten Antiquariate des Viertels, das Antiquariat Kitzinger. Hier befindet sich auch die größte englischsprachige Buchhandlung Münchens und fast an der Ecke Schellingstraße/Ludwigstraße die Café-Buchhandlung Lost Weekend mit einem fein gemischten Angebot an philosophischen Büchern, Kaffee, veganer Küche und Softdrinks.
Über dem Eingang in die Café-Buchhandlung Lost Weekend prangt der Spruch:
So weit gehe ich aber nicht; am Ende der geschichtsträchtigen Grundschulmauer schaue ich mir noch eins der schönsten Jugendstilhäuser Münchens an, das Haus Schellingstraße 26, dessen Fassadenumbauten und Fassadenschmuck von 1897 bis 1900 von Martin Dülfer geplant wurden, der seinen ganz eigenen Weg fand, Neobarock, Historismus und Jugendstil zu verbinden, und vor allem für Theaterbauten bekannt war – und ist.
Jugenstil-Schönheit: Tanz von Alfons Mucha, 1889
Ich gehe zurück in die Türkenstraße und hier weiter Richtung Zentrum; dabei komme ich am Café Puck vorbei, das mit seiner originellen Speise- und Getränkekarte und einer Kaffeehauseinrichtung lockt, die an Wien erinnert. Berühmt und beliebt ist es vor allem für Frühstück und Brunch – die bis 18 Uhr, sonn- und feiertags überhaupt bis 20 Uhr serviert werden. An der Ecke Theresienstraße/Türkenstraße beginnt das Münchner Museumsviertel mit dem Museum Brandhorst und den drei Pinakotheken. Am Wohnhaus an der Ecke, das postalisch zur Theresienstraße gehört, erinnert eine Gedenktafel an den Dichter Hans Carossa, der hier von 1914 bis 1929 lebte und – wie sein Berliner Dichterkollege Gottfried Benn und sein älterer Wiener Kollege Arthur Schnitzler – im Brotberuf Arzt war.
Das Museum Brandhorst, das sich als fast hundert Meter langer Block mit seiner bunten Fassade aus Zehntausenden Keramikstäben von der benachbarten weißen Pinakothek der Moderne deutlich abhebt, birgt den schönsten Kunstraum Münchens. Auch wenn man mit Kunst wenig am Hut hat, zahlt sich der Besuch dieses Museums, zumindest des Lepanto-Raums von Cy Twombly, trotzdem aus. Der Saal, in dem sich der zwölfteilige Lepanto-Zyklus befindet, liegt im ersten Stock des Museums und wurde eigens für diesen Zyklus konzipiert und gebaut. Zwölf großformatige Bilder hängen in dem halbrunden Raum. Schon bei meinem ersten Besuch beeindruckten mich die großformatigen Gemälde sofort; die Werke strahlen Kraft aus und geben dem Raum eine eigenartige Aura. Cy Twombly erzählt in seinem Zyklus die Schlacht von Lepanto: 1571 besiegte die Heilige Allianz – ein Zusammenschluss der damaligen christlichen Mächte, vor allem Venezianer, Spanier und Malteser – die osmanische Flotte bei Lepanto, Griechenland. Für mich ist der Saal mit diesen Bildern ein Ort von großer Magie – ganz unabhängig davon, ob man weiß, dass die Striche Boote symbolisieren, das Gelb einen Sonnentag und das Orange die Brände zeigen sollen.
Die Seeschlacht von Lepanto, Ölgemälde von 1571
Dem Museum Brandhorst gegenüber in Türkenstraße 28 befand sich einmal die Gastwirtschaft Zum Goldenen Hirschen, in dessen Rückgebäude von 1901 bis 1904 Die Elf Scharfrichter auftraten – Deutschlands erstes politisches Kabarett. Daneben, im Haus Nr. 30, wohnte für kurze Zeit der Dramatiker Frank Wedekind, Scharfrichter Nummer vier. Heute ist im Haus Türkenstraße 30 die gut sortierte Architekturbuchhandlung Werner untergebracht und daneben präsentieren einige Galerien wechselnde Ausstellungen.
Gleich nach dem Museum Brandhorst komme ich auf meinem Spaziergang an der Pinakothek der Moderne vorbei; dahinter sieht man die Alte Pinakothek. Und zwischen Museum Brandhorst und der Pinakothek der Moderne steht an der Türkenstraße noch ein kleines Stück Erinnerung an die Türkenkaserne, die sich an dieser Stelle befand: das Türkentor.
Die Alte Pinakothek und die Sammlung Brandhorst im Museumsareal
Für Kunstfreunde ist dieses Museumsareal mit den drei Pinakotheken und der Sammlung Brandhorst jedenfalls reinster Hochgenuss – und am Sonntag ganz besonders, wenn der Eintritt nnur jeweils einen Euro beträgt.
An der Ecke Gabelsbergerstraße/Türkenstraße sticht beim Überqueren des Oskar-von-Miller-Rings das auffällige Siemens-Forum ins Auge, geplant in den 1980er Jahren vom amerikanischen Architekten Richard Meier, sofort erkennbar an seiner halbrunden weißen Fassade. Nach der Kreuzung stößt der Spaziergänger links auf das Bürogebäude-Areal der Bayerischen Landesbank, das bis zur Brienner Straße reicht, wo die Türkenstraße endet.
Von Frank Wedekind bis Thomas Mann – ein literarischer Spaziergang durch München (1)>
Dr. Franz Klug ist der Leiter von Münchens ältester Buchhandlung, der Buchhandlung Lentner im Rathaus, die schon seit 1698 besteht. Jetzt hat der Bücherliebhaber und Münchenkenner selbst ein Buch verfasst: In München abseits der Pfade (Braumüller Verlag) bietet er eine etwas andere Reise durch die Weltstadt mit Herz, unter anderem auch einen literarischen Spaziergang durch die Maxvorstadt bis ins Lehel – reich an historischen Informationen zu Kunst- und Kulturgeschichte der Viertel und mit Insidertipps zu sehenswerten Orten und kulinarischen Empfehlungen.
*
München literarisch
(Teil 1)
Die Wanderung mit Schwerpunkt Literatur beginne ich im Grenzbereich zwischen Schwabing und Maxvorstadt. Während der ehemalige Wohnort der Familie Mann in der Franz-Joseph-Straße 2/3 noch in Schwabing liegt, befindet sich die zweite literarische Adresse – die ehemalige Wohnung von Lion und Martha Feuchtwanger – in der Georgenstraße 24, bereits in der Maxvorstadt. In die Franz-Joseph-Straße gelange ich, wenige Schritte von der U-Bahn-Station Giselastraße entfernt, von der Leopoldstraße aus. Aus der U-Bahn-Station ans Licht kommend, empfängt mich aber als Erstes auf der anderen Straßenseite die gigantische Skulptur Walking Man, eine 17 Meter hohe Statue des amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky. Die Leopoldstraße, die vom Siegestor im Süden und im Norden noch weit über den Platz Münchner Freiheit hinausführt, ist Schwabings größter Einkaufs- und Flanierboulevard voller Geschäfte, Restaurants und Büro- und Universitätsgebäude. In nördlicher Richtung komme ich gleich am Ristorante Adria vorbei, einem italienischen Lokal, das bis drei Uhr früh warme Küche bietet – und gute noch dazu. Vielleicht hängt das mit den ausgedehnten Öffnungszeiten zusammen – hier treffen sich jedenfalls oft Künstler und Journalisten.
Der Walking Man des amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky
Gegenüber dem Adria treffen wir nun endlich auf die große Literatur: In der Franz-Joseph-Straße 2-3 lebte von Februar 1905 bis September 1910 Thomas Mann mit seiner Familie. Hier entstanden der Roman Königliche Hoheit und viele Erzählungen. Am Gebäude sind mehrere Gedenktafeln angebracht, die der Münchner Künstler Joachim Jung geschaffen hat. Hier kann man auch lesen, dass das ursprüngliche Gebäude – ein Jahrhundertwende-Bürgerhaus – nicht erhalten ist; es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Ich gehe zurück zur U-Bahn-Station und weiter Richtung Siegestor, nach Süden also, die Leopoldstraße entlang und komme an der Fakultät für Psychologie und Pädagogik und an den Münchner Bouquinisten vorbei. Diese Buchverkäufer mit ihren Tapeziertischen, die sich biegen unter der vielfältigen Auswahl an antiquarischen Büchern, verführen mich immer wieder, ein Buch mitzunehmen. An der nächsten Kreuzung biege ich rechts ab.
Siegestor, Bayerische Staatsbibliothek und Ludwigskirche © Bayerische Staatsbibliothek
Die Georgenstraße durchläuft die Maxvorstadt in Ost-West-Richtung und ist in diesem Abschnitt eine ruhige Wohnstraße mit einigem Altbau- und viel Neubaubestand, wobei ich auf dem Literatur-Spaziergang natürlich auf Georgenstraße 4 hinweisen muss, wo der Piper Verlag residiert. Ein besonderes Haus mit auffälliger Fassade ist das ehemalige Palais Bissing in der Georgenstraße 10: Um den Erker herum reihen sich Porträts von Friedrich Schiller, Donatello, Raffael und Sophokles. Ich komme nun zum Haus Nr. 24, das an der Ecke Georgenstraße/Friedrichstraße liegt, direkt gegenüber vom Restaurant Georgenhof. Im dritten Stock wohnte hier von 1918 bis 1925 Lion Feuchtwanger mit seiner Frau Martha. Martha Feuchtwanger beschrieb das Arbeiten ihres Mannes: „Von der Küche aus konnte man in die Gärten des Palastes von Prinz Leopold schauen. Da Kohle im Krieg rationiert war und nur ein Raum pro Wohnung geheizt werden konnte, setzte sich Lion zum Schreiben tagsüber in die nahe liegende Staatsbibliothek. Bis weit in die Zwanzigerjahre hinein blieb das sein Arbeitsplatz, dort entstanden seine ersten beiden historischen Romane.“ Diese Romane waren Jud Süß und Die hässliche Herzogin, beide Bücher waren sehr erfolgreich und das Ehepaar Feuchtwanger kaufte sich – beunruhigt von den politischen Entwicklungen in München – ein Haus in Berlin.
Palais Bissing kurz nach der Jahrhundertwende // Bekannt wurde der Piper Verlag 1912 durch die Veröffentlichung des Almanachs Der Blaue Reiter
Die Georgenstraße war aber nicht nur Wohnort der Feuchtwangers, sondern auch von Künstlern wie Paul Klee, Wassily Kandinsky und der Schriftstellerin, Malerin und schillernden Bohemienne Franziska zu Reventlow, die kurze Zeit in den Häusern Georgenstraße 27 und 29 lebte. In der Friedrichstraße gibt es noch einige schöne Jugendstilgebäude, im Haus Nr. 1 lebte Wassily Kandinsky eine Weile, im Haus Nr. 4 Franz Marc, der mit Kandinsky die Künstlergemeinschaft „Der Blaue Reiter“ gründete und 1916 bei Verdun fiel. Mein Weg führt mich heute aber nicht in die Friedrichstraße, ich biege links in die hier beginnende Türkenstraße ein, die gerade nach Süden, Richtung Zentrum führt. Bald gelange ich zum Arri-Kino, einem der ältesten Münchner Programmkinos, das aus der Münchner Filmkulturszene nicht wegzudenken ist.
Gemälde Blaues Pferdchen von Franz Marc, 1912
An dieser Stelle zweigt die Akademiestraße von der Türkenstraße ab, die noch einen berühmten Bewohner zu bieten hat: Bertolt Brecht lebte mit seiner Frau Marianne Zoff und mit Tochter Hanne zeitweise in der Akademiestraße 15 – Brecht war ja sehr viel unterwegs –, bevor die Familie 1924 nach Berlin übersiedelte. Brecht pflegte in München enge Kontakte zu Lion Feuchtwanger und zum Münchner Residenztheater, wo die Uraufführung von Im Dickicht der Städte im Mai 1923 von den Kritikern gelobt, von Nazis allerdings dermaßen gestört wurde, dass das Stück nach sechs Vorstellungen abgesetzt wurde.
Cuvilliéstheater // Residenztheater
Namensgebend für die Akademiestraße ist die Akademie der Bildenden Künste, eine der ältesten und bedeutendsten Kunstakademien Deutschlands. Neben ihrer Absolventen und Professorenliste beeindrucken auch die Gebäude: der Altbau sowie der imposante Neubau. Der Altbau wurde von 1876 bis 1884 nach Plänen von Gottfried von Neureuther errichtet, der dreiflügelige Gründerzeitbau wirkt regelrecht palastartig. Der prächtige Eingang in Form einer Empore wird flankiert von zwei Statuen und liegt genau in der Sichtachse der Amalienstraße, die hier an der Akademiestraße endet. Die Akademie der Bildenden Künste ist ein beeindruckendes Beispiel für die gelungene Mischung und Koexistenz von alter und neuer Architektur. Der Neubau der Akademie wurde vom Architekturbüro Coop Himmelb(l)au in postmoderner Formensprache geplant – gemäß dem Leitspruch der Postmoderne „form follows fiction“ – gut sichtbar in der gläsernen Fassadengestaltung des Neubaus.
Der Gründerzeitbau der Akademie der Bildenden Künste um 1900
Nach diesem Abstecher gehe ich zurück in die Tükenstraße, der ich auf der linken Seite weiter nach Süden folge. Nach der Überquerung der Adalbertstraße komme ich in den lebendigsten Teil der Türkenstraße mit vielen Lokalen und Geschäften. Da die Ludwig-Maximilians-Universität nur ein kleines Stück entfernt ist, werden die Straßencafés und Restaurants gerne von den Studierenden besucht.
Die Türkenstraße versammelt hier vom Vorstadtcafé bis zum Café in der Sammlung Brandhorst mehr als dreißig Cafés und Restaurants und kann sich damit mit der größten Lokaldichte Münchens brüsten. Links öffnet sich die Türkenstraße zum Georg-Elser-Platz – derselbe Georg Elser, an den beim ehemaligen Bürgerbräukeller im Gasteig-Areal eine Gedenktafel erinnert. Hier leuchtet jeden Abend eine ihm gewidmete Wandskulptur auf dem Grundschulgebäude, deren Gelände den Abschluss der Türkenstraße Richtung Schellingstraße bildet, kurz auf – als Erinnerung an die Bombenexplosion, der Hitler und die nationalsozialistische Führungsschicht im November 1939 knapp entkamen.
Die Rückseite des Hauptgebäudes der Ludwig-Maximilians-Universität liegt auf der Amalienstraße. Im Hintergrund ist der Hauteingang der Akademie der Bildenden Künste zu sehen.
Gegenüber der Grundschule in der Türkenstraße liegen zwei meiner Lieblingslokale gleich nebeneinander: die Gelateria Adria, tatsächlich geführt von einer italienischen Familie, die mit wunderbarem Eis, perfektem Espresso und hausgemachtem Tiramisu Urlaubsfeeling entstehen lassen. Schon wegen der nostalgischen Inneneinrichtung – Glasspiegel an den Wänden, um den Raum optisch zu vergrößern, und Fliesen mit Jugendstilmotiven – besuche ich dieses Lokal gerne und sitze auch im Sommer, wenn sich draußen am Gehsteig alles drängt, am liebsten drinnen. Einen Wermutstropfen gibt es: Das gemischte Eis mit Sahne wird nicht mehr in den herrlichen alten Sechzigerjahre-Silberbechern serviert. Neben dem Eissalon liegt der Alte Simpl – ein Lokal mit so viel Geschichte, dass an der Hauswand eine Gedenktafel über die wichtigsten Eckpunkte informiert, damit man schon eingestimmt diesen über hundert Jahre alten historischen Treffpunkt der einstigen Schwabinger Boheme betreten kann.
Die emblematische rote Bulldogge der Satire-Zeitung Simplicissimus
Der Alte Simpl, ursprünglich als Neue Dichtelei von Kathi Kobus 1897 gegründet und 1903 in Simplicissimus umbenannt, ist eines der ältesten noch erhaltenen Münchner Lokale aus der Zeit der Schwabinger Boheme. Es knüpft mit Einrichtung und Ausstattung bewusst an diese große Zeit an; die einstige Atmosphäre spiegelt sich anschaulich in den Bildern an den Wänden wider. Auf den Fotos sind die künstlerischen Größen, von Joachim Ringelnatz über Karl Valentin und Liesl Karlstadt bis Franziska zu Reventlow, zu sehen. Im Gastraum sitzt immer noch – angekettet – die von Thomas Theodor Heine entworfene rote Simplicissimus-Bulldogge. Die dunkle Holzvertäfelung an den Wänden und die langen Tische in der Gaststube entführen in eine andere Zeit. Den Namen übernahm Frau Kobus von der Satire-Zeitung Simplicissimus, da deren Verleger Albert Langen genau wie der Dramatiker Frank Wedekind und der Schriftsteller Erich Mühsam Stammgäste waren.
Joachim Ringelnatz dichtete gar ein eigenes Simplicissimus-Lied:
Mitternacht ist’s. Längst im Bette
Liegt der Spießer steif und tot.
Ja, dann winkt das traulich nette
Simpel-Glasglüh-Morgenrot.
Und mich zieht’s mit Geisterhänden,
Ob ich will, ob nicht, ich muß
Nach den bildgeschmückten Wänden
In den Simplicissimus.
Wo sich zum gemeinen Wohle
Künstler und Bohème trifft,
Wo die Kathi still zur Bowle
Mischt das tödlich-scharfe Gift;
Wo mit Mandolinenklängen
Sich verweht der Weißwurst Dampf
Lausch ich fröhlichen Gesängen
Und dem Mords-Klaviergestampf.
Noch zwei Strophen geht’s weiter mit Kunst, Essen und Kathi Kobus – und auch wenn es heute keine Mandolinenklänge, kein Klaviergestampf mehr im Alten Simpl gibt, so ist diese originelle Kneipe auch nach hundert Jahren noch einen Besuch wert.
Ich gelange nun zur Kreuzung Türkenstraße/Schellingstraße. Hier ist links in einem klitzekleinen Häuschen der Bezirksausschuss Maxvorstadt untergebracht. Und da ist es an der Zeit, mit einem Irrtum aufzuräumen: Die Maxvorstadt gehört nicht zu Schwabing, auch wenn der Alte Simpl hier liegt. Natürlich lassen sich Genie und Wahnsinn der Boheme um 1900, die im damaligen „Wahnmoching“ als Geisteszustand herrschten, nicht geografisch auf Bezirksgrenzen festlegen. Franziska Gräfin zu Reventlow hat dieser Künstlerszene übrigens in ihrem Roman Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil ein lebendiges Denkmal gesetzt – man könnte im Alten Simpl sitzend und in diesem Buch lesend durchaus eine Zeitreise unternehmen.
Die Boheme feierte rauschende Feste und schuf Kunst zwischen Genie und Wahnsinn
Das geografische Zentrum von Schwabing befindet sich eigentlich weiter nördlich an der Münchner Freiheit mit den umliegenden Plätzen und Straßen. Ein Münchner Stadtplan von 1807 zeigt, dass sich zwischen München und dem Dorf Schwabing noch zahlreiche Felder ausdehnen; die bauliche Entwicklung dieses Gebiets wurde Anfang des neunzehnten Jahrhunderts unter König Maximilian I. Joseph geplant, daher heißt das Viertel seit 1812 Maxvorstadt.
Damit haben wir der historischen Exaktheit wohl Genüge getan, zurück an die Ecke Türkenstraße/Schellingstraße. Neben dem kleinen Häuschen begrenzt eine Mauer den Schulhof der Grundschule Türkenstraße. Diese Mauer beherbergt in Form einer künstlerischen Intervention einen spannenden Teil der Geschichte dieser Straße. Die Schule, deren Garten an die Schellingstraße grenzt, liegt über dem Türkengraben, der 1702 im Auftrag des Kurfürsten Max Emanuel gebaut wurde. Dieser wollte die Münchner Residenz durch einen Kanal mit Schloss Schleißheim verbinden. Der Künstler Joachim Jung hat im Rahmen einer Ausstellung dieses einstige Kanalprojekt ins historische Bewusstsein der Maxvorstadt zurückgeholt; in Form von fünf Tafeln, die in der Mauer an der Schellingstraße eingebaut sind, wird die spannende Ortsgeschichte sichtbar.
Die Schellingstraße endet im Osten an der Ludwigstraße – dieses Ende ist von hier aus deutlich sichtbar, weil sich genau dort in der Ludwigstraße das Portal der Ludwigskirche erhebt – und beherbergt zahlreiche Antiquariate und Buchhandlungen – was mit der unmittelbaren Nähe des großen Blocks der Ludwig-Maximilians-Universität zu tun hat –, darunter eines der ältesten Antiquariate des Viertels, das Antiquariat Kitzinger. Hier befindet sich auch die größte englischsprachige Buchhandlung Münchens und fast an der Ecke Schellingstraße/Ludwigstraße die Café-Buchhandlung Lost Weekend mit einem fein gemischten Angebot an philosophischen Büchern, Kaffee, veganer Küche und Softdrinks.
Über dem Eingang in die Café-Buchhandlung Lost Weekend prangt der Spruch:
So weit gehe ich aber nicht; am Ende der geschichtsträchtigen Grundschulmauer schaue ich mir noch eins der schönsten Jugendstilhäuser Münchens an, das Haus Schellingstraße 26, dessen Fassadenumbauten und Fassadenschmuck von 1897 bis 1900 von Martin Dülfer geplant wurden, der seinen ganz eigenen Weg fand, Neobarock, Historismus und Jugendstil zu verbinden, und vor allem für Theaterbauten bekannt war – und ist.
Jugenstil-Schönheit: Tanz von Alfons Mucha, 1889
Ich gehe zurück in die Türkenstraße und hier weiter Richtung Zentrum; dabei komme ich am Café Puck vorbei, das mit seiner originellen Speise- und Getränkekarte und einer Kaffeehauseinrichtung lockt, die an Wien erinnert. Berühmt und beliebt ist es vor allem für Frühstück und Brunch – die bis 18 Uhr, sonn- und feiertags überhaupt bis 20 Uhr serviert werden. An der Ecke Theresienstraße/Türkenstraße beginnt das Münchner Museumsviertel mit dem Museum Brandhorst und den drei Pinakotheken. Am Wohnhaus an der Ecke, das postalisch zur Theresienstraße gehört, erinnert eine Gedenktafel an den Dichter Hans Carossa, der hier von 1914 bis 1929 lebte und – wie sein Berliner Dichterkollege Gottfried Benn und sein älterer Wiener Kollege Arthur Schnitzler – im Brotberuf Arzt war.
Das Museum Brandhorst, das sich als fast hundert Meter langer Block mit seiner bunten Fassade aus Zehntausenden Keramikstäben von der benachbarten weißen Pinakothek der Moderne deutlich abhebt, birgt den schönsten Kunstraum Münchens. Auch wenn man mit Kunst wenig am Hut hat, zahlt sich der Besuch dieses Museums, zumindest des Lepanto-Raums von Cy Twombly, trotzdem aus. Der Saal, in dem sich der zwölfteilige Lepanto-Zyklus befindet, liegt im ersten Stock des Museums und wurde eigens für diesen Zyklus konzipiert und gebaut. Zwölf großformatige Bilder hängen in dem halbrunden Raum. Schon bei meinem ersten Besuch beeindruckten mich die großformatigen Gemälde sofort; die Werke strahlen Kraft aus und geben dem Raum eine eigenartige Aura. Cy Twombly erzählt in seinem Zyklus die Schlacht von Lepanto: 1571 besiegte die Heilige Allianz – ein Zusammenschluss der damaligen christlichen Mächte, vor allem Venezianer, Spanier und Malteser – die osmanische Flotte bei Lepanto, Griechenland. Für mich ist der Saal mit diesen Bildern ein Ort von großer Magie – ganz unabhängig davon, ob man weiß, dass die Striche Boote symbolisieren, das Gelb einen Sonnentag und das Orange die Brände zeigen sollen.
Die Seeschlacht von Lepanto, Ölgemälde von 1571
Dem Museum Brandhorst gegenüber in Türkenstraße 28 befand sich einmal die Gastwirtschaft Zum Goldenen Hirschen, in dessen Rückgebäude von 1901 bis 1904 Die Elf Scharfrichter auftraten – Deutschlands erstes politisches Kabarett. Daneben, im Haus Nr. 30, wohnte für kurze Zeit der Dramatiker Frank Wedekind, Scharfrichter Nummer vier. Heute ist im Haus Türkenstraße 30 die gut sortierte Architekturbuchhandlung Werner untergebracht und daneben präsentieren einige Galerien wechselnde Ausstellungen.
Gleich nach dem Museum Brandhorst komme ich auf meinem Spaziergang an der Pinakothek der Moderne vorbei; dahinter sieht man die Alte Pinakothek. Und zwischen Museum Brandhorst und der Pinakothek der Moderne steht an der Türkenstraße noch ein kleines Stück Erinnerung an die Türkenkaserne, die sich an dieser Stelle befand: das Türkentor.
Die Alte Pinakothek und die Sammlung Brandhorst im Museumsareal
Für Kunstfreunde ist dieses Museumsareal mit den drei Pinakotheken und der Sammlung Brandhorst jedenfalls reinster Hochgenuss – und am Sonntag ganz besonders, wenn der Eintritt nnur jeweils einen Euro beträgt.
An der Ecke Gabelsbergerstraße/Türkenstraße sticht beim Überqueren des Oskar-von-Miller-Rings das auffällige Siemens-Forum ins Auge, geplant in den 1980er Jahren vom amerikanischen Architekten Richard Meier, sofort erkennbar an seiner halbrunden weißen Fassade. Nach der Kreuzung stößt der Spaziergänger links auf das Bürogebäude-Areal der Bayerischen Landesbank, das bis zur Brienner Straße reicht, wo die Türkenstraße endet.