Ludwig Ganghofers historische Romane: „Die Watzmannkinder“ III (Der Klosterjäger)
Die Sage vom einst grausamen König Waze oder Wazemann, der mit seiner Frau und seinen Kindern Furcht und Schrecken im Berchtesgadener Land verbreitete, wurde schon mehrfach in Nacherzählungen bearbeitet, unter anderem von Ludwig Bechstein. Ludwig Ganghofer nutzte Motive der Watzmannsage für seinen eigenen Roman Die Martinsklause und verband sie mit der historisch belegten ersten Besiedelung Berchtesgadens durch Augustiner-Chorherren zu Beginn des 12. Jahrhunderts.
Im Rahmen seiner vier Aufenthalte im Berchtesgadener Land in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts fasste Ganghofer den Entschluss, die deutsche Geschichte aus der Sicht und im Interesse der jeweils unterdrückten Minderheiten – mikrokosmisch-geographisch und stellvertretend für die allgemeinen Verhältnisse – in sieben Werken (geplant waren neun) romanhaft zu erfassen. Dabei sollten durchgängig die Schicksale der Menschen im Spannungsfeld mit den sich entwickelnden feudalen Strukturen der jeweils vereinigten klerikalen und weltlichen Macht dargestellt werden: vom Anfang des Feudalstaats vom 12. bis 15. Jahrhundert (Romane 1-4) bis zum Ende des Feudalstaats vom 16. bis 18. Jahrhundert (Romane 5-7).
Nachfolgend in loser Serie werden die sieben Romane Ludwig Ganghofers im Literaturportal Bayern inhaltlich vorgestellt.
Historischer Romantitel: Der Klosterjäger
Historienfolge: 14. Jahrhundert, 1338
Herausgabefolge (Lfd. Nr.): 1893 (1)
Die Handlung dieses in der Historienfolge bereits dritten Romans erfolgt nicht vor dem Hintergrund eines besonderen historischen Ereignisses im 14. Jahrhundert. Der Roman kann in gewisser Weise als „bilderbuchartige“ Schilderung der Lebensumstände und der Funktionsebenen im Mittelalter betrachtet werden. Ereignisse tragen sich dennoch immer wieder im Grenzgebiet von Berchtesgaden zu, was sodann die Repräsentanten – den Klosterjäger Haymo, Probst Heinrich, Pater Desertus und Wolfrat Polzer – auf den Plan ruft. Probst Heinrich IV. (1333-1353) ist ein allseits gütiger, alle Sorgen und Nöte verstehender, treusorgender Vater seiner Bevölkerung. Der „Klosterjäger“ ist ein Jäger, der in den Diensten des Klosters wie ein Forst- und Wildmeister steht.
Ebenso beschäftigt ein Kloster weltliche Handwerker und Bürokräfte, einen Gutsverwalter (Vogt) oder Buchhalter (Amtmann). Darüber hinaus unterhält ein Kloster Militär für Wach- und Polizeidienste, um auch für kriegerische Auseinandersetzungen gerüstet zu sein. Ludwig Ganghofer ist in seinem nach der Schreibfolge ersten Roman offensichtlich bewusst daran gelegen, das feudalstaatliche System in seiner gesamten „Funktionalität“ auf einem vermeintlichen Höhepunkt darzustellen: Ein Kloster im Mittelalter ist – nicht wie man etwa meinen könnte – nur die „Heimstatt“ des christlichen Glaubens und der Nächstenliebe, sondern vielmehr ein in sich geschlossenes kleines „Staatssystem“ mit dem Ziel, Ausdehnung, Gewinn und Vermögen zu mehren.
Die ständige Auseinandersetzung zwischen Arm (über die Wilderei) und Reich (über das waldbesitzende Kloster) wird im Verlauf der Romanhandlung zum Thema. Mit der „Wilderei“ wird auch ein geradezu klassisches Heimatthema berührt. So entstehen auch bei der Auseinandersetzung um die „soziale Gerechtigkeit“ immer wieder ungerechte Schicksale, bei denen nur ansatzweise nach den Ursachen gefragt wird. Die regelmäßige Botschaft lautet immerzu: Die Untertanen sollen keine großen Fragen stellen, sondern sich in Gebet und Gottvertrauen üben – und alles wird wieder gut.
Augustinerchorherren-Stift, jetzt Königliches Schloss Berchtesgaden mit Stiftskirche und Schlossplatz, 2007
Einen breiten Raum nimmt die Darstellung des überlieferten Volks- und Aberglaubens ein. Der Glaube an die „beschützende Macht des Kruzifixes“ gewinnt dabei ironische Ausmaße; die Kraft von (Gift-)Pflanzen im Volksglauben, Zaubersprüche, wie der „Bärensegen“, werden als Schutzmechanismen wahrgenommen, die auch weiterhin eine Kombination von christlichen und vorchristlichen Bräuchen zeigen. Kirchenkritik kommt am Beispiel des sich zum Positiven hin verändernden Pater Desertus zum Ausdruck. In der Romanhandlung wird zudem die Überwindung vorhandener Standesunterschiede thematisiert: dadurch, dass der Klosterjäger Haymo am Ende seine adlige Freundin heiraten darf, ein Vater ein als vermisst geltendes Kind findet, Todkranke wieder gesund werden und zwischendurch kleinere Wunder geschehen.
Über den gesamten Roman hinweg scheint ein stets gütiger Gott seine schützende Hand über die Menschen zu halten. Zusammen mit einem ebenso gütigen Probst hält Gott die Welt noch in ihrer „Ordnung“ fest. Die unterschiedlichen Charaktere der Priestergestalten stellt Ludwig Ganghofer auch in diesem Werk in ausdifferenzierter Form dar.
Widmung
Die voranstehenden Ausführungen werden Alfred Hermann Fried, geb. 11. November 1864 in Wien, gest. 4. Mai 1921 in Wien, gewidmet. Fried war verheiratet mit Bertha Engel, der Schwester von Ludwig Ganghofers Ehefrau Katinka, geb. Engel. Alfred Hermann Fried war der große Vorkämpfer für den Frieden der Menschheit und auch langjähriger Mitarbeiter von Berta von Suttner. Am 10. Dezember 1911 erhielt er den Friedensnobelpreis. Vor dem Hintergrund der damaligen wie auch gegenwärtigen, friedensbedrohenden Weltgeschehnisse ist Fried mit seiner immerwährenden Friedensbotschaft bis heute aktuell.
Ludwig Ganghofers historische Romane: „Die Watzmannkinder“ III (Der Klosterjäger)>
Die Sage vom einst grausamen König Waze oder Wazemann, der mit seiner Frau und seinen Kindern Furcht und Schrecken im Berchtesgadener Land verbreitete, wurde schon mehrfach in Nacherzählungen bearbeitet, unter anderem von Ludwig Bechstein. Ludwig Ganghofer nutzte Motive der Watzmannsage für seinen eigenen Roman Die Martinsklause und verband sie mit der historisch belegten ersten Besiedelung Berchtesgadens durch Augustiner-Chorherren zu Beginn des 12. Jahrhunderts.
Im Rahmen seiner vier Aufenthalte im Berchtesgadener Land in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts fasste Ganghofer den Entschluss, die deutsche Geschichte aus der Sicht und im Interesse der jeweils unterdrückten Minderheiten – mikrokosmisch-geographisch und stellvertretend für die allgemeinen Verhältnisse – in sieben Werken (geplant waren neun) romanhaft zu erfassen. Dabei sollten durchgängig die Schicksale der Menschen im Spannungsfeld mit den sich entwickelnden feudalen Strukturen der jeweils vereinigten klerikalen und weltlichen Macht dargestellt werden: vom Anfang des Feudalstaats vom 12. bis 15. Jahrhundert (Romane 1-4) bis zum Ende des Feudalstaats vom 16. bis 18. Jahrhundert (Romane 5-7).
Nachfolgend in loser Serie werden die sieben Romane Ludwig Ganghofers im Literaturportal Bayern inhaltlich vorgestellt.
Historischer Romantitel: Der Klosterjäger
Historienfolge: 14. Jahrhundert, 1338
Herausgabefolge (Lfd. Nr.): 1893 (1)
Die Handlung dieses in der Historienfolge bereits dritten Romans erfolgt nicht vor dem Hintergrund eines besonderen historischen Ereignisses im 14. Jahrhundert. Der Roman kann in gewisser Weise als „bilderbuchartige“ Schilderung der Lebensumstände und der Funktionsebenen im Mittelalter betrachtet werden. Ereignisse tragen sich dennoch immer wieder im Grenzgebiet von Berchtesgaden zu, was sodann die Repräsentanten – den Klosterjäger Haymo, Probst Heinrich, Pater Desertus und Wolfrat Polzer – auf den Plan ruft. Probst Heinrich IV. (1333-1353) ist ein allseits gütiger, alle Sorgen und Nöte verstehender, treusorgender Vater seiner Bevölkerung. Der „Klosterjäger“ ist ein Jäger, der in den Diensten des Klosters wie ein Forst- und Wildmeister steht.
Ebenso beschäftigt ein Kloster weltliche Handwerker und Bürokräfte, einen Gutsverwalter (Vogt) oder Buchhalter (Amtmann). Darüber hinaus unterhält ein Kloster Militär für Wach- und Polizeidienste, um auch für kriegerische Auseinandersetzungen gerüstet zu sein. Ludwig Ganghofer ist in seinem nach der Schreibfolge ersten Roman offensichtlich bewusst daran gelegen, das feudalstaatliche System in seiner gesamten „Funktionalität“ auf einem vermeintlichen Höhepunkt darzustellen: Ein Kloster im Mittelalter ist – nicht wie man etwa meinen könnte – nur die „Heimstatt“ des christlichen Glaubens und der Nächstenliebe, sondern vielmehr ein in sich geschlossenes kleines „Staatssystem“ mit dem Ziel, Ausdehnung, Gewinn und Vermögen zu mehren.
Die ständige Auseinandersetzung zwischen Arm (über die Wilderei) und Reich (über das waldbesitzende Kloster) wird im Verlauf der Romanhandlung zum Thema. Mit der „Wilderei“ wird auch ein geradezu klassisches Heimatthema berührt. So entstehen auch bei der Auseinandersetzung um die „soziale Gerechtigkeit“ immer wieder ungerechte Schicksale, bei denen nur ansatzweise nach den Ursachen gefragt wird. Die regelmäßige Botschaft lautet immerzu: Die Untertanen sollen keine großen Fragen stellen, sondern sich in Gebet und Gottvertrauen üben – und alles wird wieder gut.
Augustinerchorherren-Stift, jetzt Königliches Schloss Berchtesgaden mit Stiftskirche und Schlossplatz, 2007
Einen breiten Raum nimmt die Darstellung des überlieferten Volks- und Aberglaubens ein. Der Glaube an die „beschützende Macht des Kruzifixes“ gewinnt dabei ironische Ausmaße; die Kraft von (Gift-)Pflanzen im Volksglauben, Zaubersprüche, wie der „Bärensegen“, werden als Schutzmechanismen wahrgenommen, die auch weiterhin eine Kombination von christlichen und vorchristlichen Bräuchen zeigen. Kirchenkritik kommt am Beispiel des sich zum Positiven hin verändernden Pater Desertus zum Ausdruck. In der Romanhandlung wird zudem die Überwindung vorhandener Standesunterschiede thematisiert: dadurch, dass der Klosterjäger Haymo am Ende seine adlige Freundin heiraten darf, ein Vater ein als vermisst geltendes Kind findet, Todkranke wieder gesund werden und zwischendurch kleinere Wunder geschehen.
Über den gesamten Roman hinweg scheint ein stets gütiger Gott seine schützende Hand über die Menschen zu halten. Zusammen mit einem ebenso gütigen Probst hält Gott die Welt noch in ihrer „Ordnung“ fest. Die unterschiedlichen Charaktere der Priestergestalten stellt Ludwig Ganghofer auch in diesem Werk in ausdifferenzierter Form dar.
Widmung
Die voranstehenden Ausführungen werden Alfred Hermann Fried, geb. 11. November 1864 in Wien, gest. 4. Mai 1921 in Wien, gewidmet. Fried war verheiratet mit Bertha Engel, der Schwester von Ludwig Ganghofers Ehefrau Katinka, geb. Engel. Alfred Hermann Fried war der große Vorkämpfer für den Frieden der Menschheit und auch langjähriger Mitarbeiter von Berta von Suttner. Am 10. Dezember 1911 erhielt er den Friedensnobelpreis. Vor dem Hintergrund der damaligen wie auch gegenwärtigen, friedensbedrohenden Weltgeschehnisse ist Fried mit seiner immerwährenden Friedensbotschaft bis heute aktuell.