Die jungen Autorinnen Luise Maier und Lara Hampe bloggen einen Briefroman (15)
Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe – über ihr literarisches Schaffen und ihre Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Immer am 1. und am 15. eines Monats schreiben sie einander. Heute antwortet wieder Luise Maier auf den letzten Brief. Sie ist 1991 in Oberösterreich geboren, aufgewachsen in Niederbayern und lebt heute in Biel. Ihren ersten Roman hat sie eben abgeschlossen. Im Juni 2015 war sie Stipendiatin des Literaturkurses in Klagenfurt. Dort lernte sie auch Lara Hampe kennen. Je näher die beiden sich und ihrem Schreiben kommen, umso mehr zerfließen die Grenzen zwischen Reflexion und Fiktion – und zwischen den Autorinnen des Briefromans.
*
1.6.2016
Mein liebes Dummerchen Lara,
Hattest du wirklich gedacht, meinen Brief in euren Blog zu stellen und von deiner Freundin einen Ratschlag einzufordern würde mich davon abbringen, dich weiterhin sehen zu wollen?
Da hast du einmal falsch gedacht, ich bin Bürgermeister, und als Bürgermeister lernt man vor allem zwei Dinge: Hartnäckigkeit und sich in die Computer anderer Leute zu hacken (was bei dieser Luise ja wirklich ein Kinderspiel war). Aber als hättest du ihren Brief gelesen und ihre Ratschläge befolgt, habe ich dich plötzlich aus den Augen verloren. Hast du deine Arbeit in der JVA auf einen anderen Tag verlegt? Arbeitest du nicht mehr montags in der Bibliothek? Nimmst du andere Busrouten, gehst du auf Nebenstraßen ans Institut?
Ich habe letzten Dienstag bis kurz nach Mitternacht auf dem Parkplatz der JVA gewartet; ich hatte extra meine Seidenkrawatte angelegt und meine Schuhe am Nachmittag putzen lassen und jedes Mal, Lara, wenn die Sicherheitstür aufging, habe ich meine Krawatte glatt gestrichen und mich geräuspert. Lara: ich wäre bereit gewesen, aber es warst niemals du, die aus der Tür kam. Auf dem Weg zurück in mein Hotel bin ich zweimal an deiner Wohnung vorbeigefahren, aber es hat kein Licht gebrannt. Bist du glücklich dort, allein, in einem Wohnblock, im Osten von Deutschland? Ich könnte dir so viel geben, alles steht bei mir bereit, eine große Küche gibt es, einen Hobbykeller, die Garage hat Platz für drei Autos, Lara: du dürftest das Auto deiner Wahl fahren. Die Nachbarn sind freundlich, sie fragen schon immer nach einer Frau Bürgermeisterin. Ich bin sicher, du würdest ihnen gefallen. Du müsstest ja nicht einmal deine Arbeit aufgeben, im Gegenteil, du könntest dich in meinem Dorf engagieren, dich um die Kultur kümmern, könntest Märchenstunden in den Bücherei geben und Leseabende im Altersheim organisieren. Das ist doch das, was dir Spaß macht?
Ich könnte dir so viel geben und ich verlange nicht viel. Nur jemanden, der weiß, dass ich morgens kolumbianischen Kardamomkaffee trinke und nachmittags Dallmayr, jemanden, der dafür sorgt, dass immer weiche Bananen bereitliegen, denn nach dem Sport montags, mittwochs und freitags will ich einen Bananen-Eiweiß-Shake, ich will jemanden, der mich zum Zug bringt, am Bahngleis steht und winkt, der mich wieder abholt, am Bahngleis steht und wartet, als wäre er nie weggegangen, jemanden, eine Frau, dich, Lara, der ich abends auf dem Sofa meine Füße auf den Schoß legen darf, weil du weißt, wie hart ich tagsüber gearbeitet habe und du deswegen meine Fußballen massierst, ohne, dass ich dich darum bitten muss.
Ich bin der gleiche geblieben, Lara. Jede Zelle wächst aus einer Zelle: auch wenn meine Haut altert und mein Haar langsam beginnt, grau zu werden, so bin ich doch derselbe Markus, der aus dem Markus hervorging, dem du einmal an einem regnerischen Vormittag im Geschichtsunterricht einen bedeutenden Zettel zugeschoben hast…
Den bisherigen Briefwechsel lesen Sie hier:
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Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe – über ihr literarisches Schaffen und ihre Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Immer am 1. und am 15. eines Monats schreiben sie einander. Heute antwortet wieder Luise Maier auf den letzten Brief. Sie ist 1991 in Oberösterreich geboren, aufgewachsen in Niederbayern und lebt heute in Biel. Ihren ersten Roman hat sie eben abgeschlossen. Im Juni 2015 war sie Stipendiatin des Literaturkurses in Klagenfurt. Dort lernte sie auch Lara Hampe kennen. Je näher die beiden sich und ihrem Schreiben kommen, umso mehr zerfließen die Grenzen zwischen Reflexion und Fiktion – und zwischen den Autorinnen des Briefromans.
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1.6.2016
Mein liebes Dummerchen Lara,
Hattest du wirklich gedacht, meinen Brief in euren Blog zu stellen und von deiner Freundin einen Ratschlag einzufordern würde mich davon abbringen, dich weiterhin sehen zu wollen?
Da hast du einmal falsch gedacht, ich bin Bürgermeister, und als Bürgermeister lernt man vor allem zwei Dinge: Hartnäckigkeit und sich in die Computer anderer Leute zu hacken (was bei dieser Luise ja wirklich ein Kinderspiel war). Aber als hättest du ihren Brief gelesen und ihre Ratschläge befolgt, habe ich dich plötzlich aus den Augen verloren. Hast du deine Arbeit in der JVA auf einen anderen Tag verlegt? Arbeitest du nicht mehr montags in der Bibliothek? Nimmst du andere Busrouten, gehst du auf Nebenstraßen ans Institut?
Ich habe letzten Dienstag bis kurz nach Mitternacht auf dem Parkplatz der JVA gewartet; ich hatte extra meine Seidenkrawatte angelegt und meine Schuhe am Nachmittag putzen lassen und jedes Mal, Lara, wenn die Sicherheitstür aufging, habe ich meine Krawatte glatt gestrichen und mich geräuspert. Lara: ich wäre bereit gewesen, aber es warst niemals du, die aus der Tür kam. Auf dem Weg zurück in mein Hotel bin ich zweimal an deiner Wohnung vorbeigefahren, aber es hat kein Licht gebrannt. Bist du glücklich dort, allein, in einem Wohnblock, im Osten von Deutschland? Ich könnte dir so viel geben, alles steht bei mir bereit, eine große Küche gibt es, einen Hobbykeller, die Garage hat Platz für drei Autos, Lara: du dürftest das Auto deiner Wahl fahren. Die Nachbarn sind freundlich, sie fragen schon immer nach einer Frau Bürgermeisterin. Ich bin sicher, du würdest ihnen gefallen. Du müsstest ja nicht einmal deine Arbeit aufgeben, im Gegenteil, du könntest dich in meinem Dorf engagieren, dich um die Kultur kümmern, könntest Märchenstunden in den Bücherei geben und Leseabende im Altersheim organisieren. Das ist doch das, was dir Spaß macht?
Ich könnte dir so viel geben und ich verlange nicht viel. Nur jemanden, der weiß, dass ich morgens kolumbianischen Kardamomkaffee trinke und nachmittags Dallmayr, jemanden, der dafür sorgt, dass immer weiche Bananen bereitliegen, denn nach dem Sport montags, mittwochs und freitags will ich einen Bananen-Eiweiß-Shake, ich will jemanden, der mich zum Zug bringt, am Bahngleis steht und winkt, der mich wieder abholt, am Bahngleis steht und wartet, als wäre er nie weggegangen, jemanden, eine Frau, dich, Lara, der ich abends auf dem Sofa meine Füße auf den Schoß legen darf, weil du weißt, wie hart ich tagsüber gearbeitet habe und du deswegen meine Fußballen massierst, ohne, dass ich dich darum bitten muss.
Ich bin der gleiche geblieben, Lara. Jede Zelle wächst aus einer Zelle: auch wenn meine Haut altert und mein Haar langsam beginnt, grau zu werden, so bin ich doch derselbe Markus, der aus dem Markus hervorging, dem du einmal an einem regnerischen Vormittag im Geschichtsunterricht einen bedeutenden Zettel zugeschoben hast…
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