Die jungen Autorinnen Luise Maier und Lara Hampe bloggen einen Briefroman (12)
Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe – über ihr literarisches Schaffen und ihre Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Immer am 1. und am 15. eines Monats schreiben sie einander. Heute antwortet Lara Hampe auf den letzten Brief von Luise Maier. Sie ist 1994 geboren, in München und Paris aufgewachsen und hat bereits mehrere literarische Texte publiziert. 2014 las sie beim Open Mike, 2015 war sie Teilnehmerin des Klagenfurter Literaturkurses. Dort lernte sie auch Luise Maier kennen.
*
15.4.2016
Luise,
ich habe eine neue Beschäftigung gefunden, in meiner Wohnung letzte Woche, ich übte abends vor dem Spiegel Monologe, ein paar Tage ist das her. Ich stand dort, als mir sonntags die Sprache fehlte, draußen ein Grau, das ich mit einem Weiß verwechselte, ich war von der Bibliothek durch den Park gegangen, ein Mann hatte eine Ukulele dabei. Er lief an einer Treppe vorbei und hatte noch nicht zu spielen begonnen.
Ein Mädchen, das ich aus der Unterstufe kannte, ist inzwischen Showgirl geworden, so erfuhr ich über Ecken, und außerdem seit einigen Monaten mit jemandem zusammen; die gemeinsamen Bilder sind öffentlich zugänglich, schwarz-weiß-Aufnahmen aus einem Fotostudio. Der weiße Hintergrund fiel mir nun ein, wohl eine herkömmliche weiße Wand aus Papier, die an der Ecke eingerissen war. Der Mann war nicht weiter bedeutsam, kündigte mit seiner Laufrichtung keine Jahreszeit an, auch nicht, wenn er ein Gefolge hinter sich zog, hinein ins Grüne. Ich ging weiter auf der großen Straße Richtung stadtauswärts und hatte ein Drängen in mir, das mir so vorkam wie eines, weil es mir ungerichtet aus dem Mund quoll, unmöglich, es wieder hinunter zu schlucken.
Ich stand so vor dem Spiegel und hielt mich nicht für irre. Ich sprach in den Spiegel hinein, damit mir die Worte nicht abhanden kamen, sie waren nicht an mich selbst gerichtet und nicht an mein Spiegelbild, ich wollte sie bloß durch das Aussprechen einfangen. In der Wohnung daneben lief der Fernseher auf voller Lautstärke, es wurden die Mittagsnachrichten eingeläutet. Auch aus dem Stockwerk unter mir fragte mich keiner zurück, nur einmal klingelte eine Frau und fragte, ob mein Abklopfen auch in eine Leerheit liefe, vergleichbar mit diesem Himmel draußen. Ich schloss die Tür sachte und hörte eine halbe Stunde später aus ihrer Wohnung drei Stockwerke unter mir Kinder mit einem Ball spielen. Vielleicht geschah das auch schon am Tag zuvor, als sich in Verzettelung ein Liebender auftat. Neonlettern blinkten nach wie vor in das Zimmer hinein und fielen auf mein Bein, das noch keinen Namen trug und auf einem Lastwagen stand, das normalerweise für den Transport von Neuwagen gedacht war. Wir fuhren schnell, bald war es Zeit für Rast, man diskutierte im Fahrerhaus noch über Leberkäs und Bergmassiv, wenn sich das denn rentierte, wobei derweil -
Den bisherigen Briefwechsel lesen Sie hier:
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Die jungen Autorinnen Luise Maier und Lara Hampe bloggen einen Briefroman (12)>
Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe – über ihr literarisches Schaffen und ihre Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Immer am 1. und am 15. eines Monats schreiben sie einander. Heute antwortet Lara Hampe auf den letzten Brief von Luise Maier. Sie ist 1994 geboren, in München und Paris aufgewachsen und hat bereits mehrere literarische Texte publiziert. 2014 las sie beim Open Mike, 2015 war sie Teilnehmerin des Klagenfurter Literaturkurses. Dort lernte sie auch Luise Maier kennen.
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15.4.2016
Luise,
ich habe eine neue Beschäftigung gefunden, in meiner Wohnung letzte Woche, ich übte abends vor dem Spiegel Monologe, ein paar Tage ist das her. Ich stand dort, als mir sonntags die Sprache fehlte, draußen ein Grau, das ich mit einem Weiß verwechselte, ich war von der Bibliothek durch den Park gegangen, ein Mann hatte eine Ukulele dabei. Er lief an einer Treppe vorbei und hatte noch nicht zu spielen begonnen.
Ein Mädchen, das ich aus der Unterstufe kannte, ist inzwischen Showgirl geworden, so erfuhr ich über Ecken, und außerdem seit einigen Monaten mit jemandem zusammen; die gemeinsamen Bilder sind öffentlich zugänglich, schwarz-weiß-Aufnahmen aus einem Fotostudio. Der weiße Hintergrund fiel mir nun ein, wohl eine herkömmliche weiße Wand aus Papier, die an der Ecke eingerissen war. Der Mann war nicht weiter bedeutsam, kündigte mit seiner Laufrichtung keine Jahreszeit an, auch nicht, wenn er ein Gefolge hinter sich zog, hinein ins Grüne. Ich ging weiter auf der großen Straße Richtung stadtauswärts und hatte ein Drängen in mir, das mir so vorkam wie eines, weil es mir ungerichtet aus dem Mund quoll, unmöglich, es wieder hinunter zu schlucken.
Ich stand so vor dem Spiegel und hielt mich nicht für irre. Ich sprach in den Spiegel hinein, damit mir die Worte nicht abhanden kamen, sie waren nicht an mich selbst gerichtet und nicht an mein Spiegelbild, ich wollte sie bloß durch das Aussprechen einfangen. In der Wohnung daneben lief der Fernseher auf voller Lautstärke, es wurden die Mittagsnachrichten eingeläutet. Auch aus dem Stockwerk unter mir fragte mich keiner zurück, nur einmal klingelte eine Frau und fragte, ob mein Abklopfen auch in eine Leerheit liefe, vergleichbar mit diesem Himmel draußen. Ich schloss die Tür sachte und hörte eine halbe Stunde später aus ihrer Wohnung drei Stockwerke unter mir Kinder mit einem Ball spielen. Vielleicht geschah das auch schon am Tag zuvor, als sich in Verzettelung ein Liebender auftat. Neonlettern blinkten nach wie vor in das Zimmer hinein und fielen auf mein Bein, das noch keinen Namen trug und auf einem Lastwagen stand, das normalerweise für den Transport von Neuwagen gedacht war. Wir fuhren schnell, bald war es Zeit für Rast, man diskutierte im Fahrerhaus noch über Leberkäs und Bergmassiv, wenn sich das denn rentierte, wobei derweil -
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