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01.02.2016, 13:28 Uhr
Luise Maier
AutorInnen-Blog

Die jungen Autorinnen Luise Maier und Lara Hampe bloggen einen Briefroman (7)

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© annilove / flickr / CC BY SA 2.0

Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe über ihr literarisches Schaffen und ihre Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Immer am 1. und am 15. eines Monats schreiben sie einander. Heute antwortet wieder Luise Maier auf den letzten Brief. Sie ist 1991 in Oberösterreich geboren, aufgewachsen in Niederbayern und lebt heute in Biel. Ihren ersten Roman hat sie eben abgeschlossen. Im Juni 2015 war sie Stipendiatin des Literaturkurses in Klagenfurt. Dort lernte sie auch Lara Hampe kennen.

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1.2.2016

Meine liebe Lara,

auch ich schreibe dir vom selben Ort wie das letzte Mal: aus meiner Küche. Tee und Kaffee sind gekocht, der Linseneintopf von gestern ist gegessen, die heimliche Kollegin, wie du sie so schön nennst, in der Mittagspause. Draußen ist es richtig frühlingshaft warm, ich war am Vormittag schon am See und habe mein Gesicht, wie eine Touristin auf der Skihütte, ins Licht gehalten.

Letzte Woche ist etwas ganz Wunderbares passiert: ich habe zur Literatur zurückgefunden. Das mag komisch klingen, nachdem ich erst im Sommer das Institut abgeschlossen habe. Aber jetzt ist mir auch klar, wieso ich mich die letzten Monate so verloren gefühlt hatte: weil ich weder richtig lesen noch schreiben konnte. Klar habe ich gelesen und klar habe ich Notizen gemacht, aber es war alles so lose. Das Institut hatte mir einen Rahmen gegeben, der im Sommer plötzlich auseinandergefallen ist.

Letzte Woche habe ich mich dann mit vier anderen jungen Frauen zu unserer selbsterklärten Textwerkstatt am Institut getroffen. Es war das erste Mal seit meinem Abschluss, dass ich das Gebäude wieder betreten habe, es fühlte sich komisch an, nicht mehr „dazuzugehören“ (vor allem wenn man die Liste sieht, auf der die Mentoren und ihre Mentiees aufgelistet sind: da stand drei Jahre lang mein Name, und plötzlich wurde er eingetauscht; das ist wie im Drogeriemarkt bei den Lippenstiften: wenn du einen aus dem Regal nimmst, rutscht der nächste schon an die Stelle des alten), und ich habe gemerkt, dass ich das, was mir das Institut drei Jahre lang geboten hat, nun selber suchen muss. Vor allem der Austausch über Texte und das Schreiben im Allgemeinen fehlen mir. Das wusste ich schon lange, dass ich diesen Austausch brauche, aber ich habe es erst wieder gemerkt, als ich mit den anderen vier in dem kleinen Gemeinschaftsraum zusammensaß: wie plötzlich alles aus den mitgebrachten Texten lebendig und greifbar wurde, wie es anfing, nach Harz zu riechen, als wir über das Harz oder den Saft der Bäume diskutierten, wie Figuren sich in meinem Kopf bewegten und sprachen und ich – ganz einfach – nicht mehr alleine war. Das ist es doch, was Literatur schafft: sie begleitet.

Ich bin ganz selig vor Glück, endlich diese Trockenzeit hinter mir zu haben. Denn genau so fühlt sich bei mir eine Krise immer an: als würde ich versuchen, ein Handtuch auszuwringen, in der Hoffnung, ein paar Tropfen Wasser dabei gewinnen zu können, aber das Handtuch ist trocken und es kommt und kommt nichts.

Gestern habe ich mir ein Buch von Nora Bossong bestellt: Reglose Jagd. Irgendwie muss es bei mir gerade Lyrik sein (obwohl ich bis jetzt nie Lyrik gelesen habe). Und bis dahin muss eben die Zeitung herhalten. 

Erzähl mir, was du am Theater so magst? Ich habe es bisher schwierig gefunden, zu Theatertexten Zugang zu finden.

Ich denke, es eher Bedürfnis als Mut, mir selbst beim Schreiben näher zu kommen (und ich hoffe, dass ich dabei eben nicht psychologisiere!). Ich denke, dass ich klein (also bei mir) anfangen muss, um so mit der Zeit meinen Blick (auf die Welt) weiten zu können. Dabei würde ich aber vielleicht gar nicht die Unterscheidung machen, dass du Figuren erfindest und ich (jedenfalls bis jetzt) aus eigenen Erfahrung schöpfe: egal, was man schreibt, man gibt ja immer einen Teil von sich in den Text: Fantasie enthält letzten Endes Autobiografisches, und Erinnerung ist eigentlich Imagination. Wichtig ist doch nur der Blick, der Filter, mit dem man Sachen betrachtet, und dass der Text letzten Endes irgendwie selbstständig ist, dass er rund ist (oder dass, falls er Kanten hat, diese in sich stimmig sind). Und ja, klar geht es um das Produkt, ohne Buch ist man/frau kein/e Autor/in, aber beim Schreiben an die Leserschaft zu denken, ist, finde ich, gefährlich.

In diesem Sinne würde ich gerne das Video einfügen, das du mir empfohlen hast, denn darin wird so viel verhandelt, was wichtig ist – für die Kunst an sich und für die Frauen in der Kunst. (Meine Lieblingsstelle ist übrigens bei einer Stunde und vier Minuten, als sich Siri über diejenigen lustig macht, die es ja ach so herzergreifend finden, wenn Männer behaupten, alles in ihrem Text sei autobiografisch.)

 

 

Überhaupt hast du mich während meiner Krise mit vielen guten Sachen gefüttert (und die haben sich gut mit den BBC-Naturdokus und den Gaston-Comics vereinen lassen). Danke dafür!

Neulich habe ich beim Spazieren eine gesehen, die sah aus wie du, nur mit dunklen Haaren. Da dachte ich: es wäre schön, wenn wir in der gleichen Stadt wohnen würden. Wie unser Austausch dann wohl aussehen würde? Ich würde dich wahrscheinlich immer zu Kaffee und Kuchen einladen und du mich in verrauchte Kneipen bestellen. Jedenfalls hätten wir keine Serieneffekte: also, raus damit: was ist dir Schönes passiert?

Herzlich grüßt aus Biel: Luise

 

 

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