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15.01.2016, 08:40 Uhr
Lara Hampe
AutorInnen-Blog

Die jungen Autorinnen Luise Maier und Lara Hampe bloggen einen Briefroman (6)

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© annilove / flickr / CC BY SA 2.0

Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe über ihr literarisches Schaffen und Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Heute antwortet Lara Hampe auf den letzten Brief von Luise Maier. Sie ist 1994 geboren, in München und Paris aufgewachsen und hat bereits mehrere literarische Texte publiziert. 2014 las sie beim Open Mike, 2015 war sie Teilnehmerin des Klagenfurter Literaturkurses. Dort lernte sie auch Luise Maier kennen.

*

15.1.2016

Liebe Luise,

ich schreibe dir (comme toujours!) aus der Bibliothek, nur habe ich jetzt den Tag gewechselt, weil wir ja nun vereinbart haben, immer zum 1. und zum 15. des Monats zu schreiben; und die Zeit, es ist acht Uhr Morgens, fast keiner sitzt an den langen Holztischen, das ist schön, das werde ich jetzt öfter machen, denke ich mit Kaffeebecher in der Hand und bin ein bisschen stolz, dass ich’s so früh hier her geschafft habe.

Gestern Abend saß noch ich in einer Kneipe in der Nähe vom Hauptbahnhof, die verrauchte Luft steht still dort, es hängen alte Männerköpfe über dem Tresen und wenn man will, dann kann man noch mit Mark zahlen. Ich war dort mit einem Freund. Es ist ein guter Ort zum Reden, man trifft keine bekannten Gesichter; außerdem ist das Bier dort so billig wie nirgendwo sonst in der Stadt. Wir haben - und das ist mein Bogen zu unserem Thema - über Arbeitsweisen gesprochen: das Hauptziel sei es, jeden Tag das gleiche Pensum einzuhalten und nicht eine Deadline im Auge zu haben, auf die man dann hinarbeitet. Es gehe doch um ein inneres Bedürfnis, nicht um ein von außen aufgesetztes.

Schön und gut, habe ich gedacht, aber am Ende geht es verdammt noch mal um’s Produkt, egal, auf welchem Wege man dahin gekommen ist. Und wenn ich tagelang nichts tue (das Nichts ist ja auch relativ, denn ich denke ja) und dann, weil ich ein äußeres must habe, Nächte durcharbeite, dann hat das die gleiche Intensität. Natürlich empfinde ich die Tage, in denen ich nicht sitze und schreibe als Qual, weil ich ja dann nichts Greifbares geschaffen habe. Und doch gehört das dazu, dieses blöde Leiden.

Im Moment aber geht es richtig gut voran, ich war so froh, als das alte Jahr vorbei war (auf einem Dach in Wien), ich schreibe an meinem Stück und lese viel Theater, das ist so so schön, Luise, es macht mich ganz kribbelig vor Glück.

Neulich bekam ich eine Mail mit dem Betreff „Sachstand“, das fand ich sehr schön, und frage dich nun also dasselbe: wie ist der Sachstand in Biel? Was liegt nun, nach den Tagebüchern (dass du Astrid Lindgren liest, macht mich ganz schön kindheitsnostalgisch), auf deinem Nachttisch? Was gibt’s zu Mittag bei Frau Maier und ihrer heimlichen Kollegin? Und wie gefallen dir die Hörspiele, die ich dir geschickt habe?

Du hast mit deinem Henning Mankell Zitat, dass es die aufdeckenden SchriftstellerInnen gebe und die zudeckenden, natürlich Recht. Da hat er wohl uns beide gemeint. Gerade decke ich wohl mehr zu. Vielleicht habe ich das schon immer getan. Um ehrlich zu sein, ging es mir, außer gute Geschichten zu finden, nie um etwas anderes. Ich hatte nie das Gefühl, mit dem, was ich dann veröffentliche (Tagebuch usw. also ausgelassen), in mir selbst etwas zu kleben oder etwas in mir psychologisch auf den Grund zu gehen. Dafür fehlt mir der Mut. Oder das Bedürfnis. Als mein Geschriebenes zum ersten Mal einen Mehrwert hatte, habe ich mir immer Figuren ausgedacht, die möglichst weit weg von mir, der Mitte der Gesellschaft und einem Zustand der Klarheit waren. Kurz gesagt: sie hatten alle einen Hau. Das fand ich spannend (leider habe ich dann immer ein bisschen zu kurz gedacht und es musste immer erst jemand sterben, damit sie verrückt werden konnten). Heute sind meine Figuren erst einmal nur Stereotypen, die dann - und dieser Prozess ist schmerzhaft! - langsam plastisch werden.

In meinem Roman, an dem ich nun weiterweiter schreibe, ist alles sehr zerfleddert, und ich weiß nicht, ob das nicht einfach mein Programm ist. Alles aufzusaugen und dann als Kaleidoskop herauszugeben. Kennst du Dorothee Elmiger (klar kennst du sie: sie hat doch an deinem Institut studiert!), den letzten Roman „Schlafgänger“? Nichts, was man des Spannungsfaktor wegen liest. Aber das finde ich nicht nur nicht schlimm, sondern ganzganz erstrebenswert. Sie ist wie eine Schachtel Pralinen, die man langsam genießt, keine Rittersport (oh män, was für ein blödes Bild, mir fällt kein besseres ein!).

Nee, Luise, du schreibst die mutigeren Briefe. Nicht die traurigeren. Und, da sprachen wir ja neulich am Telefon, man wünscht sich ja immer das, was man eben nicht hat. Bei mir dreht sich alles gerade schnell, manchmal zu schnell und ich muss mir Raum schaffen, um genauer hinsehen zu können. Bei dir dreht sich alles gerade langsamer, dein Blick ist offener für wichtige Details und wenn du etwas wagst, dann richtig. So wie jetzt. Und ich wünsche mir also, es wäre mehr wie bei dir und du wünschst, es wäre mehr wie bei mir, und genau: ich hätte auch lieber braune Haare statt blödblonden!

Übrigens ist was Schönes passiert, das erzähle ich dir dann im nächsten Brief, weil jetzt muss ich schnell los, rüber ins Institut, wo wir zusammen mit Gert Loschütz zum Thema Kurzes, Fabelhaftes, Experimentelles, Traumhaftes das Stühlekippeln üben; stopp, Quatsch, das ist natürlich vorgeschoben, aber erst im nächsten Brief official, du merkst: ich übe mich auch im Serieneffekt: den Leser hinhalten, damit er das nächste Mal weiterliest.

Alles Liebe,

Lara

 

 

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