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03.01.2016, 13:52 Uhr
Luise Maier
AutorInnen-Blog

Die jungen Autorinnen Luise Maier und Lara Hampe bloggen einen Briefroman (5)

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© annilove / flickr / CC BY SA 2.0

Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe über ihr literarisches Schaffen und ihre Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Immer am 1. und am 15. eines Monats schreiben sie einander. Heute antwortet wieder Luise Maier auf den letzten Brief. Sie ist 1991 in Oberösterreich geboren, aufgewachsen in Niederbayern und lebt heute in Biel. Ihren ersten Roman hat sie eben abgeschlossen. Im Juni 2015 war sie Stipendiatin des Literaturkurses in Klagenfurt. Dort lernte sie auch Lara Hampe kennen.

*

1.1.2016

Liebste Lara

Ja, ich bin in Biel zurück. Sitze am Küchentisch und schaue auf das Amtsgebäude gegenüber. Mit einer Angestellten von dort bilde ich eine Arbeitsgemeinschaft, ohne dass sie davon weiß, weil sie mir immer den Rücken zukehrt. Uns trennen nur Fensterscheiben und der Parkplatz dazwischen. Mittags isst sie meist zwei Zimmer weiter alleine aus ihrer Tupperbox, während ich mich über meinen Teller beuge.

Hinter mir brodelt das Teewasser auf dem Gasherd. So verbringe ich meine Tage: Tee und Essen kochend, lesend, strickend, Radio hörend. Eigentlich sind’s schöne Tage, aber: ich wünschte, ich könnte schreiben! Nur wenn ich schreibe, genüge ich mir. Ob das glücklich macht, ist die andere Sache, darüber haben wir ja am Telefon neulich gesprochen. Die Frage ist nur: haben wir die Wahl?

Dass ich ehrlich und offen schreibe, meinst du. Ich glaube, das liegt daran, dass ich das Gefühl habe, nichts zu verlieren zu haben, wenn ich schreibe, also kann ich alles in die Worte stecken. Dabei hadere ich oft mit meiner Sprache, weil sie so einfach gebaut ist wie das Bücherregal in meinem Zimmer: aus grauen Ziegelsteinen und unbehandelten Holzbrettern. Genau deswegen denke ich oft: das ist doch nichts Besonderes, das kann ja jeder (so ein Bücherregal bauen / so schreiben wie ich).

Aber: Gott, nein! Die Liste ist keine, die Punkte zu meinem Platz in der Literatur aufführt! Das würde ich mir nie anmaßen! Ich habe lediglich die Gründe, wieso ich schreibe, aufgelistet.

Und du, meine liebe Lara? Weichst meinen Fragen aus, als wären sie gefährlich (und das sind sie auch, aber ein bisschen Gefahr ist gut für die Kunst): Wieso schreibst du? Was ist dein Antrieb? Seit wann schreibst du? Wie bist du dazu gekommen? Was sind deine Grundthemen/hast du ein Grundthema, das immer wiederkehrt? Ich werde nicht locker lassen, dich mit Fragen zu löchern, bis die Antworten durch deine schönen Sätze brechen. Henning Mankell schreibt in seinem letzten Buch, dass es zwei Arten von Schriftsteller_innen gebe: die einen, die aufdecken, die anderen, die zudecken. Ich glaube, da hat er eine ziemlich sichere Unterscheidung getroffen.

Tagebuch zu führen ist doch die schönste Art, zu schreiben, oder? Nichts und niemanden muss man dabei fürchten, nicht die Kommilitonen, nicht den Lektor, nicht die Kritiker. Man schreibt, um zu schreiben und nicht für den Text. So soll es sein: man soll einfach nur schreiben wollen, nicht den Text wollen. Wenn es so einfach wäre!

Ich lese zurzeit viel in veröffentlichten Tagebüchern, um zu sehen, wie das Schreiben, wie das Leben von anderen so ging. Zuletzt von Sarah Kirsch und gerade von Astrid Lindgren. Da ist meine Tagebuchführung hingegen so unpolitisch, dass es eine Schande ist! Es ist wohl schlimm, in Zeiten wie diesen, nur mit meinem eigenen Krieg beschäftigt zu sein, als mit dem, der gerade herrscht? Aber es fällt mir so schwer, zu begreifen, dass der Irrsinn, den ich auf Bildschirmen sehe, von dem ich in Zeitungen lese, auf der gleichen Welt passiert, auf der ich in meinem warmen Bett Tee trinke und Socken stricke …

Auch ich kenne wenige, die helfen. Ein trauriger Luxus ist das, den wir uns leisten können: wir haben die Möglichkeit, in erster Linie auf uns selbst zu achten – und das tun wir. Auch ich bin eine davon. Und ich lerne gerade in der jetzigen Zeit, in der Hilfe so benötigt wird, erst einmal mir selbst zu helfen. So stehen sich das innere und das äußere Leben immer gegenüber.

Sieh nur, wie ich klinge. Wie eine 62-jährige. Manchmal fühle ich mich auch so; ich sage das, weil mich deine Aussage, dass das Vergleichen ja oft nicht altersgemäß abläuft, ein wenig meine Augen geöffnet hat. Das stimmt – und dennoch gleicht man seine Vita mit anderen ab, die schon 30 Jahre länger auf dieser Welt weilen. Aber wenn man um den Werdegang anderer weiß, fühlt man sich gleich viel aufgehobener. Da hätte ich einen Buchtipp für dich, wo du deinen Vita-Hunger stillen könntest: „Zeile für Zeile mein Paradies“ – 18 Schriftstellerinnen-porträts, erschienen bei Piper.

Danke für den geliehenen Satz. Das ist ein so schönes Bild, dass ich es kaum zu zerstören wage, dennoch tue ich es: wir könnten ihn copypasten – dann haben wir beide etwas davon?!

Nun denn. Ich habe das Gefühl, immer die traurigeren Briefe von uns beiden zu schreiben (das liegt sicher am Nebel, der seit Tagen mit einer Selbstverständlichkeit, um den ich ihn beneide, durch die Straßen zieht). Umso mehr freue ich mich auf deine Antworten.

Mit einer festen Umarmung aus der Schweiz: Luise (gestatten: die Erste, die du kennenlernst, die immer alle Deadlines einhalten wird!) 

 

 

Den bisherigen Briefwechsel lesen Sie hier:

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