Die jungen Autorinnen Luise Maier und Lara Hampe bloggen einen Briefroman (2)
Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe – über ihr literarisches Schaffen und ihre Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Heute antwortet Lara Hampe auf den ersten Brief. Sie ist 1994 geboren, in München und Paris aufgewachsen und hat bereits mehrere literarische Texte publiziert. 2014 las sie beim Open Mike, 2015 war sie Teilnehmerin des Klagenfurter Literaturkurses. Dort lernte sie auch Luise Maier kennen.
*
26.10.2015
Liebe liebe Luise,
nun sitze ich in der Bibliothek, hinter mir lamellenblättrige Vorhänge in gelb, ein Computer rauscht: es ist der kleine Raum im Literaturinstitut, in dem ich nun als Aufsicht sitze, immer montags. Habe mir also, weil so wenige Besucher kommen zum Ausleihen, vorgenommen, heute eben nicht nur durch die Literaturzeitschriften zu blättern und darin, ohne die Texte auch nur anzulesen, die Namen von Kommilitonen oder Bekannten zu filtern – was für ein blöder, blöder Zeitvertreib!, sondern dir zu schreiben.
Aber ja, wie hast du Recht: es ist schon seltsam, Briefwechsel zu betreiben, über das, was gerade um uns herum geschieht, über das, was hoffentlich sehr bald vorangetrieben wird: weil viel ist ja geheim. Deswegen, weil ich noch immer nicht sicher bin, wie ich’s anpacke, einen Brief an dich, sitze ich jetzt erst einmal da, höre durch die Tür, der Gärtner geht mit einem Laubbläser durchs Gras, ein Seminar wird im Nebenraum abgehalten und ich denke an erste Ablenkung.
Das Geheime also: wie hast du das denn am Bieler Literaturinstitut oder ganz allgemein in deiner literarischen Umgebung empfunden - hast du über Dinge gesprochen, die noch nicht unter Dach und Fach waren? Über mündliche Absprachen oder kleinere Erfolge, die noch in der Schwebe waren? Ich habe, nicht hier in diesem öffentlichen Brief zwar, aber doch mit engeren Freunden vom Institut, oft ein riesiges Mitteilungsbedürfnis nach geteilter Freude, weil, was ist das schon, ein Erfolg, über den man nicht sprechen kann? Wenn aber also etwas noch nicht mit Vertrag versiegelt ist, und doch schon sicher scheint, darf man dann darüber sprechen? Und auf der anderen Seite: wie reagiert das Gegenüber, das auch schreibt, dann darauf? Wieviel Neid schwingt dann in der Freude mit?
Der Neid also: Wie war das bei dir? Wie ist das jetzt bei dir, nun da du dich diesem Raum ja ein bisschen entzogen hast? Triffst du noch deine ehemaligen Kommilitonen vom Institut? Und sprichst du mit ihnen darüber, wie es nun mit deinem Roman weitergeht? Über Verlage, Agenturen und das Ganze drumherum?
Wenn ich so zurück gucke auf das letzte Jahr: ich kam ans Institut und wusste also: ja, das Schreiben. Ein Jahr später stehe ich jetzt da und weiß zehn mal weniger: ja, am begonnenen Roman schreiben, aber wie sich nebenbei noch konzentrieren auf das angefangene Stück, auf Lohnarbeit und andere Projekte? Ich beiße mir gerade die Zähne aus an dem sich auf mehrere Dinge gleichzeitig einlassen zu wollen. Und gleichzeitig suche ich nach einer anderen Form neben dem Schreiben und probiere mit Audio herum.
Deswegen: super super, dass du nun in Farbe und Form denkst, du klingst richtig euphorisch - bitte schnell wieder vergessen, die Angst, nie wieder etwas „Gescheites“ auf Papier zu bringen! - und das Abbauen des Textes, wie Friederike es also sagte, muss man wahrscheinlich genau so angehen: spielerisch. Deine Krankheit ist, so scheint es mir, und du sagtest es einmal am Telefon, ein Teil davon, oder? Sie hat dir in ihrer Grenzsetzung, positivst formuliert, doch auch Freiräume geschaffen? Jemand sagte mir neulich, man saß in der Oktobersonne, dass er sich beim Schreiben oft künstliche Grenzen setze, um auf diese Art weiter zu kommen. Musste da an George Perec mit seinem Roman ohne den Buchstaben E denken, als Extrembeispiel. Was ich sagen will: man holt sich seine Freiheit zurück, wenn man sich Rahmen setzt und daraus spielerisches Potential schöpft. So sehe ich deine Monate im Bett, wenn auch nicht freiwillig gewählt.
Und weiter zu deiner Frage, woraus sich das Schreiben schöpft: in diesem Moment weder aus Lohnarbeit (ja, der Job als Texterin für das Modelabel: öde, aber mehr als aushaltbar, weil man da sitzt, einen Stapel Kleidung vor sich, und sich sogenannte „emotionale“ Beschreibungstexte ausdenkt, zum Beispiel: „Unser neues Lieblingsstück! Diese coole Boyfriendjeans ist musthave in jedem Ladies-Kleiderschrank. Mit ihren hellen Waschungen und dem extra used Look bist du in Sachen Lässigkeit ganz vorne mit dabei! Super gestylt mit Ancle-Boots und Wasserfallstil-Hemd.“ Ich kenne jetzt sämtliche Modebegriffe auswendig und muss mir selbst auf die Finger schauen, dass mir keine Sprüche rausrutschen. Es fühlt sich manchmal an wie Vergewaltigung der Sprache; in diesen Momenten denke ich dann: ich muss alles sammeln und irgendwann wieder verwerten, in welcher Form auch immer.), auch nicht wirklich aus den Seminaren im Institut. Meistens sind es die gehasteten Wege zwischen A und B, auf denen irgendetwas ins Auge springt, das dann in einen Gedankengang hinein passt oder die schnell durchgeblätterte Zeitung in der Tram.
Ach: ich habe jetzt bald einen Arbeitsplatz in einer Bürogemeinschaft, dann hoffe ich, weiter zu kommen, mit dem Roman, der lag die letzten zwei Wochen still. Aber das wird.
Und bei dir? Hast du einen neuen Job (oder den Werkbeitrag?), wie geht es dir inzwischen gesundheitlich und wie steht es - um zu der Anfangsfrage mit dem Geheimen zurück zu kommen - mit dem fertigen Roman?
Es umarmt dich, inzwischen aus der großen Universitätsbibliothek heraus (Dunkeldeutschland steht vor der Tür, nicht nur als Jahreszeit sondern auch in Form von besorgten Bürgern, Montag ist ja heute),
Lara
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Zwei vielversprechende Nachwuchsautorinnen schreiben sich Briefe – über ihr literarisches Schaffen und ihre Lektüren, über Einflüsse, Zweifel und Euphorie. Kann man die Schriftstellerei überhaupt lernen? Und worüber schreiben, wenn man doch noch nicht seinen eigenen Platz in der Welt gefunden hat? Wie früh soll man sich in die Öffentlichkeit wagen? Luise Maier und Lara Hampe, die an den Literaturinstituten in Biel und Leipzig studierten bzw. studieren, bloggen einen modernen Briefroman, der uns direkt und ungeschliffen mitverfolgen lässt, wie zwei junge Menschen zu Schriftstellerinnen reifen. Heute antwortet Lara Hampe auf den ersten Brief. Sie ist 1994 geboren, in München und Paris aufgewachsen und hat bereits mehrere literarische Texte publiziert. 2014 las sie beim Open Mike, 2015 war sie Teilnehmerin des Klagenfurter Literaturkurses. Dort lernte sie auch Luise Maier kennen.
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26.10.2015
Liebe liebe Luise,
nun sitze ich in der Bibliothek, hinter mir lamellenblättrige Vorhänge in gelb, ein Computer rauscht: es ist der kleine Raum im Literaturinstitut, in dem ich nun als Aufsicht sitze, immer montags. Habe mir also, weil so wenige Besucher kommen zum Ausleihen, vorgenommen, heute eben nicht nur durch die Literaturzeitschriften zu blättern und darin, ohne die Texte auch nur anzulesen, die Namen von Kommilitonen oder Bekannten zu filtern – was für ein blöder, blöder Zeitvertreib!, sondern dir zu schreiben.
Aber ja, wie hast du Recht: es ist schon seltsam, Briefwechsel zu betreiben, über das, was gerade um uns herum geschieht, über das, was hoffentlich sehr bald vorangetrieben wird: weil viel ist ja geheim. Deswegen, weil ich noch immer nicht sicher bin, wie ich’s anpacke, einen Brief an dich, sitze ich jetzt erst einmal da, höre durch die Tür, der Gärtner geht mit einem Laubbläser durchs Gras, ein Seminar wird im Nebenraum abgehalten und ich denke an erste Ablenkung.
Das Geheime also: wie hast du das denn am Bieler Literaturinstitut oder ganz allgemein in deiner literarischen Umgebung empfunden - hast du über Dinge gesprochen, die noch nicht unter Dach und Fach waren? Über mündliche Absprachen oder kleinere Erfolge, die noch in der Schwebe waren? Ich habe, nicht hier in diesem öffentlichen Brief zwar, aber doch mit engeren Freunden vom Institut, oft ein riesiges Mitteilungsbedürfnis nach geteilter Freude, weil, was ist das schon, ein Erfolg, über den man nicht sprechen kann? Wenn aber also etwas noch nicht mit Vertrag versiegelt ist, und doch schon sicher scheint, darf man dann darüber sprechen? Und auf der anderen Seite: wie reagiert das Gegenüber, das auch schreibt, dann darauf? Wieviel Neid schwingt dann in der Freude mit?
Der Neid also: Wie war das bei dir? Wie ist das jetzt bei dir, nun da du dich diesem Raum ja ein bisschen entzogen hast? Triffst du noch deine ehemaligen Kommilitonen vom Institut? Und sprichst du mit ihnen darüber, wie es nun mit deinem Roman weitergeht? Über Verlage, Agenturen und das Ganze drumherum?
Wenn ich so zurück gucke auf das letzte Jahr: ich kam ans Institut und wusste also: ja, das Schreiben. Ein Jahr später stehe ich jetzt da und weiß zehn mal weniger: ja, am begonnenen Roman schreiben, aber wie sich nebenbei noch konzentrieren auf das angefangene Stück, auf Lohnarbeit und andere Projekte? Ich beiße mir gerade die Zähne aus an dem sich auf mehrere Dinge gleichzeitig einlassen zu wollen. Und gleichzeitig suche ich nach einer anderen Form neben dem Schreiben und probiere mit Audio herum.
Deswegen: super super, dass du nun in Farbe und Form denkst, du klingst richtig euphorisch - bitte schnell wieder vergessen, die Angst, nie wieder etwas „Gescheites“ auf Papier zu bringen! - und das Abbauen des Textes, wie Friederike es also sagte, muss man wahrscheinlich genau so angehen: spielerisch. Deine Krankheit ist, so scheint es mir, und du sagtest es einmal am Telefon, ein Teil davon, oder? Sie hat dir in ihrer Grenzsetzung, positivst formuliert, doch auch Freiräume geschaffen? Jemand sagte mir neulich, man saß in der Oktobersonne, dass er sich beim Schreiben oft künstliche Grenzen setze, um auf diese Art weiter zu kommen. Musste da an George Perec mit seinem Roman ohne den Buchstaben E denken, als Extrembeispiel. Was ich sagen will: man holt sich seine Freiheit zurück, wenn man sich Rahmen setzt und daraus spielerisches Potential schöpft. So sehe ich deine Monate im Bett, wenn auch nicht freiwillig gewählt.
Und weiter zu deiner Frage, woraus sich das Schreiben schöpft: in diesem Moment weder aus Lohnarbeit (ja, der Job als Texterin für das Modelabel: öde, aber mehr als aushaltbar, weil man da sitzt, einen Stapel Kleidung vor sich, und sich sogenannte „emotionale“ Beschreibungstexte ausdenkt, zum Beispiel: „Unser neues Lieblingsstück! Diese coole Boyfriendjeans ist musthave in jedem Ladies-Kleiderschrank. Mit ihren hellen Waschungen und dem extra used Look bist du in Sachen Lässigkeit ganz vorne mit dabei! Super gestylt mit Ancle-Boots und Wasserfallstil-Hemd.“ Ich kenne jetzt sämtliche Modebegriffe auswendig und muss mir selbst auf die Finger schauen, dass mir keine Sprüche rausrutschen. Es fühlt sich manchmal an wie Vergewaltigung der Sprache; in diesen Momenten denke ich dann: ich muss alles sammeln und irgendwann wieder verwerten, in welcher Form auch immer.), auch nicht wirklich aus den Seminaren im Institut. Meistens sind es die gehasteten Wege zwischen A und B, auf denen irgendetwas ins Auge springt, das dann in einen Gedankengang hinein passt oder die schnell durchgeblätterte Zeitung in der Tram.
Ach: ich habe jetzt bald einen Arbeitsplatz in einer Bürogemeinschaft, dann hoffe ich, weiter zu kommen, mit dem Roman, der lag die letzten zwei Wochen still. Aber das wird.
Und bei dir? Hast du einen neuen Job (oder den Werkbeitrag?), wie geht es dir inzwischen gesundheitlich und wie steht es - um zu der Anfangsfrage mit dem Geheimen zurück zu kommen - mit dem fertigen Roman?
Es umarmt dich, inzwischen aus der großen Universitätsbibliothek heraus (Dunkeldeutschland steht vor der Tür, nicht nur als Jahreszeit sondern auch in Form von besorgten Bürgern, Montag ist ja heute),
Lara
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