Logen-Blog [518]: Die Mischung macht´s
Während heute Nacht der erste Schnee dieses Jahres über die Jean-Paul-Stadt fiel, lese ich über das Fest, das Beatas Geburtstag überstrahlt. Ein lieber Gast kommt: Käptn Ottomar – er flog über das Wasser herüber, vielleicht kommt er gerade aus Sevilla, wo er im Generalarchiv nach Karten suchte, die ihm den Weg nach Osten oder Westen zeigen sollten, aber auch dort wird er die Karten nicht finden, die ihm die Melancholie vertreiben könnten, denn erst bei den Freunden vermag er sich zu lösen von den Schatten, die seinen Sinn bedrängen, der Tod ist sein Begleiter, er ist, sagt der Erzähler, womit wir wieder in Spanien sind, wie ein Zahuri, der durch alles Blumengeniste und alle Graspartien der Erde durchschauet und zu den unbeweglichen Toten hinabsieht, die unter ihr liegen, zumindest kann er hier nicht allein melancholisch, auch melancholisch und „humoristisch“ sein, der Erzähler nennt die Gemütseigenschaften in einem Atemzug, der Schnee ist nicht ganz verweht, aber nicht mehr ganz so dicht, das Eis ist gebrochen, wenn auch nicht ganz zerschmolzen, es wird wohl auch nie schmelzen, egal, denn unter den Freunden, auf der Insel im indischen Ozean ihrer Herzen, kann er so verbindlich wie unbefangen sein, es ist gut, denn die Mischung macht´s, sie führt ihn zu Erkenntnissen, über die man, ob Schnee liegt oder Blütenflaum, ob Sonne oder nächtliches Dunkel, sehr gut nachdenken, heute, an Beatas Festtag, heute Morgen, am ersten Schneetag des Jahres 2014:
Die meisten Laster kämen von der Flucht vor Lastern – aus Furcht, schlimm zu handeln, täten wir nichts und hätten zu nichts Großem mehr Mut – wir hätten alle so viel Menschenliebe, dass wir keine Ehre mehr hätten – aus Menschen-Schonung und Liebe hätten wir keine Aufrichtigkeit, keine Gerechtigkeit, wir stürzten keinen Betrüger, keinen Tyrannen etc.
Ein paar Worte zum 200. Geburtstag des Marquis de Sade
Apropos Laster: Gestern feierte ein Teil der Welt den 200. Todestag des göttlichen Marquis, also des Marquis de Sade. Als Jean Paul seinen ersten Roman schrieb, saß der Marquis ausnahmsweise mal nicht im Gefängnis, sondern hatte, während die Revolution tobte, ein Richteramt inne. Erst im Dezember wurde er wieder, diesmal wegen angeblich antirevolutionärer Umtriebe, eingekerkert. De Sade blieb ein Skandalon, an dem sich, glaube ich, Jean Paul zumindest nicht direkt abgearbeitet hat, wenn er auch das Problem der Tugend auf seine Weise diskutierte: wie in der Loge, wo sie das schwer erträgliche Gegenteil zu den schwer erträglichen Tugenden des Marquis formieren. Es ist auch schwer vorstellbar: der deutsche Dichter, gebeugt über die in äußerem und innerem Sinne monströsen Werke eines Autors, der, anders als Jean Paul, die Grenzen völlig überschritten hat. Ein Fall für die Literaturgeschichte und die Geschichte der Pathologie, aber auch er gehört zum Signum der Epoche, in die Jean Paul seine Loge geworfen hat.
So unschuldig sah de Sade im Jahre 1761 aus: zwei Jahre vor der Geburt unseres Dichters.
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Während heute Nacht der erste Schnee dieses Jahres über die Jean-Paul-Stadt fiel, lese ich über das Fest, das Beatas Geburtstag überstrahlt. Ein lieber Gast kommt: Käptn Ottomar – er flog über das Wasser herüber, vielleicht kommt er gerade aus Sevilla, wo er im Generalarchiv nach Karten suchte, die ihm den Weg nach Osten oder Westen zeigen sollten, aber auch dort wird er die Karten nicht finden, die ihm die Melancholie vertreiben könnten, denn erst bei den Freunden vermag er sich zu lösen von den Schatten, die seinen Sinn bedrängen, der Tod ist sein Begleiter, er ist, sagt der Erzähler, womit wir wieder in Spanien sind, wie ein Zahuri, der durch alles Blumengeniste und alle Graspartien der Erde durchschauet und zu den unbeweglichen Toten hinabsieht, die unter ihr liegen, zumindest kann er hier nicht allein melancholisch, auch melancholisch und „humoristisch“ sein, der Erzähler nennt die Gemütseigenschaften in einem Atemzug, der Schnee ist nicht ganz verweht, aber nicht mehr ganz so dicht, das Eis ist gebrochen, wenn auch nicht ganz zerschmolzen, es wird wohl auch nie schmelzen, egal, denn unter den Freunden, auf der Insel im indischen Ozean ihrer Herzen, kann er so verbindlich wie unbefangen sein, es ist gut, denn die Mischung macht´s, sie führt ihn zu Erkenntnissen, über die man, ob Schnee liegt oder Blütenflaum, ob Sonne oder nächtliches Dunkel, sehr gut nachdenken, heute, an Beatas Festtag, heute Morgen, am ersten Schneetag des Jahres 2014:
Die meisten Laster kämen von der Flucht vor Lastern – aus Furcht, schlimm zu handeln, täten wir nichts und hätten zu nichts Großem mehr Mut – wir hätten alle so viel Menschenliebe, dass wir keine Ehre mehr hätten – aus Menschen-Schonung und Liebe hätten wir keine Aufrichtigkeit, keine Gerechtigkeit, wir stürzten keinen Betrüger, keinen Tyrannen etc.
Ein paar Worte zum 200. Geburtstag des Marquis de Sade
Apropos Laster: Gestern feierte ein Teil der Welt den 200. Todestag des göttlichen Marquis, also des Marquis de Sade. Als Jean Paul seinen ersten Roman schrieb, saß der Marquis ausnahmsweise mal nicht im Gefängnis, sondern hatte, während die Revolution tobte, ein Richteramt inne. Erst im Dezember wurde er wieder, diesmal wegen angeblich antirevolutionärer Umtriebe, eingekerkert. De Sade blieb ein Skandalon, an dem sich, glaube ich, Jean Paul zumindest nicht direkt abgearbeitet hat, wenn er auch das Problem der Tugend auf seine Weise diskutierte: wie in der Loge, wo sie das schwer erträgliche Gegenteil zu den schwer erträglichen Tugenden des Marquis formieren. Es ist auch schwer vorstellbar: der deutsche Dichter, gebeugt über die in äußerem und innerem Sinne monströsen Werke eines Autors, der, anders als Jean Paul, die Grenzen völlig überschritten hat. Ein Fall für die Literaturgeschichte und die Geschichte der Pathologie, aber auch er gehört zum Signum der Epoche, in die Jean Paul seine Loge geworfen hat.
So unschuldig sah de Sade im Jahre 1761 aus: zwei Jahre vor der Geburt unseres Dichters.