Info
27.11.2014, 13:33 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
images/lpbblogs/logenlogo_164.jpg
Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [514]: Die Zusammenordnung unsers künftigen Schicksals und unserer künftigen Welt

Große Ruhe. Einheit der Seele mit sich selbst und der stillen Natur. Beruhigung der Affekte, Glücksgefühle. All-Einheit, Glaube an einen guten und waltenden Schöpfer.

Mit diesen Begriffen können wir die Gefühle beschreiben, die den Erzähler beseelen, als er mit der kleinen Wandertruppe nach Teidor läuft. Die Natur eines schönen Vormittags provoziert zur Feststellung, dass ein unendlicher Genius die Zusammenordnung unsers künftigen Schicksals und unserer künftigen Welt verantwortet. Was aber wirklich berückt, ist eine Beobachtung, die manch Leser an sich selbst gemacht haben wird:

Es gibt Tage, wo wir freiwillig unser stilles fort-vibrierendes Vergnügen von den äußern Gegenständen uns zureichen lassen (wodurch wir ungewöhnlich gegen echten Stoizismus verstoßen). Ein gewisses leises wellen-glattes Zufriedensein – nicht verdient durch Tugend, nicht erkämpft durch Nachdenken – wird uns zuweilen von dem Tage, von der Stunde beschert, wo alle die jämmerlichen Kleinigkeiten und Fransen, woraus unser ebenso kleinliches als kleines Leben zusammengenäht ist, mit unsern Pulsen einstimmen und unserem Blute nicht entgegenfließen.

Nennt man das nicht – Glück? Und könnte man diese Fähigkeit des Menschen nicht als das Ideal eines geglückten Minutenlebens bezeichnen? Und scheint es nicht, als würden wir uns schon mit kleinen Schritten dem Lebensideal des Schulmeisterlein Wutz nähern? In dem wir, wenn's glückt (aber nur, wenn's glückt), alle selbst ein wenig stecken – oder stecken sollten? Da plötzlich und unerwartet alles recht ist?

Und noch ein kleiner Berliner Anhang

Unglaublich! Aber auch dies ist Jean Paul, den der Blogger unversehens in Berlin fand. Wir sind ihm schon einmal begegnet: in Zusammenhang mit Jean Pauls Kollegen Karl Valentin. Der Reisende fand ihn in einem seiner Lieblingsantiquariate am Adenauerplatz, wo er den Nachdruck einer Festschrift aus dem Jahre 1938 erwarb: 50 Jahre Wintergarten. 1888-1938. Der Wintergarten war eine weltberühmte Berliner Varieté-Bühne in der Friedrichstraße Ecke Dorotheenstraße, die 1944 den Bomben zum Opfer fiel und  seit 1992 ihre Nachfolge an eben jener Potsdamer Straße fand, die der Reisende gerade hinuntergelaufen ist. Den Komiker Jean Paul findet man in der Mitte der Festschrift, wo er unter der Überschrift Bunte Plakate warben für die „Wintergarten“-Sterne auf einer großen Falttafel zu finden ist: neben Größen wie Yvette Guilbert, der schönen Otero (ah, La Belle Otero! Die Freude des Connaisseurs!!) und dem berühmten Klavierchansonier Otto Reutter.

Verwandte Inhalte
Autoren
Autoren