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12.09.2014, 09:58 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [478]: Ein Thema, um das man nicht herumkommt

Der Blogger hält das Thema für überbewertet – aber er muss nun doch draufkommen: auf Jean Paul und das Bier.

Gut, es gibt die berühmten Bierbriefe, es gibt ein Buch, das all diese Dokumente sammelt, auf dem Jean-Paul-Weg haben wir – passenderweise in der Bayreuther Altstadt, wo schon vor Jahrhunderten Bier gebraut wurde und eine sehr gute Brauerei immer noch sehr gutes Bier (auch Jean-Paul-Bier) produziert – eine Großstation dem Thema Essen und Trinken gewidmet. Unnötig, das alles hier zu wiederholen. Du, lieber Wanderer, solltest selbst einmal dorthin pilgern, um nach der Lektüre in einer der umliegenden Gaststätten zu landen: natürlich gutes Bier trinkend.

In der Loge aber sind wir jetzt an dem Punkt angelangt, an dem wir uns mit dem Bierkonsum des Meisters auseinandersetzen müssen. Er schreibt's ja selbst:

„Zum Glück richtete ich mich und meine Phantasie ziemlich durch braunes Bier wieder auf, das ich (wenn ich Atem holen wollte) so lange nehmen musste, als ich über dem Herrn von Haller saß. In diesem Vehikel und in dieser Verdünnung bracht' ich diese Arznei des Geistes, die Physiologie, leichter hinein. Ich kann also, wenn ich nicht der größte Trinker werden will, unmöglich der größte Physiolog werden.“

Das geht auf die ungeheure geistige Arbeit, der sich der hypochondrisch veranlagte Erzähler durch die Lektüre von Hallers monumentaler Physiologie, präziser: der achtbändigen Elementa physiologiae corporis humani ausgesetzt sah. Da hilft nur er entspannende Gerstensaft, den Jean Paul – vertrauen wir dem berühmten Bierbrief vom 15. März 1803 – erst seit 1793 als Heilmittel einnahm, um nicht im Kaffee zu ersaufen.

In der Tat: die Lektüre der Werke provoziert nicht den Eindruck, dass wir es hier mit einem Trinker zu tun haben, der seine Sinne nicht mehr beisammen hat. Über die Güte und Schwere des Braunbiers von anno 1790 mögen Physiologen und Nahrungsmittelhistoriker reden – ich denke, dass der Grundpegel (wenn ihn Jean Paul denn benötigte) so niedrig war, dass der Fluss der komplexen Gedanken und der ebenso komplexen Syntax nicht gestört werden durfte und wurde. Wenn er einmal nicht oder „nur“ Briefe schrieb (wie in der Bierstadt Bamberg), mochte es anders aussehen.

Kein Wunder, dass der Doktor sich sogleich – und reichlich selbstbezüglich – über die Nebenwege des Romanerzählers auslässt:

„Es ist gut,“ – sagt' er ungeduldig und zog aus seinem Muff den Schwanz heraus – „aber so wird nichts. Ich und du stehen hier in lauter Ausschweif-Reden, anstatt in vernünftigen Paragraphen; die Rezensenten deiner Biographie müssen glauben, ich wäre wenig systematisch.“

Foto: Frank Piontek, 19.8. 2014

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[1] Die Fußnote darf nicht unterschlagen werden, weil sie uns einiges über des Autors Trinkgewohnheiten verrät: Da keine Leser weniger Ernst verstehen als die, die keinen Spaß verstehen: so merk' ich für diese Klasse hier unten an, dass die Sache oben wirklich so ist und dass ich (als gleich unmäßiger Wasser- und Kaffeetrinker) kein andres nervenstärkendes Mittel gegen intermittierenden Puls und Athem und andre Schwächen, die mir alle innere Anstrengung verbitterten, von solcher Wirkung fand als – braunes Bier. In der überarbeiteten Auflage hat Jean Paul übrigens das braune Bier durch Hopfen-Bier ersetzt – was ja nun etwas wirklich Anderes ist. Das weiß man sogar, wenn man nicht in Oberfranken trinkt!