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12.03.2014, 12:15 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [374]: Rezension über ein neues Jean-Paul-Buch

Er selbst war, wie er unumwunden zugab, kein Augenmensch. Kaum, dass er drei bedeutende Galerien in seinem Leben gesehen hat. Dabei wurde er selbst zum Schöpfer höchst einprägsamer Bilder – doch das Misstrauen gegen die Abbilder, die die bildende Kunst der „Natur“ abgewann, blieb lebenslang bestehen.

Dem durchaus konstruktiven Verhältnis des Dichters zu den Malern und Kupferstechern und Zeichnern gingen nun einige Jeanpaulologen nach, um einen Sammelband herauszugeben, der diesen scheinbaren Widerspruch  in den Blick nimmt. Im Wettstreit zwischen den Bildern und den Texten siegten allerdings – die Bilder. Am lesbarsten ist immer noch Helmut Pfotenhauers einführender Beitrag, die die verschiedenen, literarisch ausgesprochen modernen wie spielerischen Bild-Variationen bei Jean Paul skizziert. Die Herausgeber Monika Schmitz-Emans und Wolfram Benda – gewiss: zwei große Kenner des Werks – haben noch Michael Mayer (vom Verein Jean Paul 2013) und Ulrich Schödlbauer eingeladen, um Jean Pauls Bildwelten, seine Bildtheorien, seine humoristische Kunst der satirischen „Bildermacherei“ und die verschiedensten Illustrationen seines Werks unter die Lupe nehmen. Spaß macht allein die Sicht auf die Bilder der meist auch in Bayreuth bekannten Graphiker: etwa der skurril-tiefsinnigen Interpretationen Stephan Klenner-Ottos und des fantastisch inspirierten Caspar Walter Rauh; dass Hermann Rongstock fehlt, ist kein Zufall, denn der strichreiche, aber zeichnungsarme Bayreuther Kulturpreisträger gehörte niemals zu den ernsthaften Jean-Paul-Interpreten.

Es ist allerdings höchst reizvoll, den Kontrast zwischen Jean Pauls Humor und Sprachkraft, auch seiner grandiosen Bildermacherei, und der innerlich uninspirierten Sprache der Interpreten zu studieren, was brauchbare Erkenntnisse über Jean Pauls Schreibtechniken (wie die der Unterscheidung von sichtbaren Bildern, Sprach- und Traumbildern) freilich nicht ausschließt. Wo aber der Dichter originale „Empfindbilder“ gab, haben wir es bei den Textbeiträgen unterm Strich mit letzten Endes unanschaulichen „Vorstellbildern“ zu tun. Mag sein, dass dies der Preis ist, den die analysierende Wissenschaft gegenüber dem an Bildern überreichen Werk zu zahlen hat. Jean Paul hätte gewiss einen unfreiwillig lustigen, ja monströsen Literaturwissenschaftler erfinden können.

Es ist nun bestimmt ein Verdienst, die Werke auch des Emil Preetorius, der dem Giannozzo berühmte, ins Biedermeierliche changierende Ansichten widmete, des schauerromantischen Alfred Kubin, des zwischen hoher Kunst und infantilistischem Strich vermittelnden Paul Mersmann (der die Rede des toten Christus in einem großen Zeichnungszyklus verewigte) und anderer zu Unrecht fast vergessener Künstler zumal des frühen 19. Jahrhunderts genau zu erläutern. Um es im Stil Schmitz-Emans' auszudrücken: Man und frau ergeht sich bei den Bildbeschreibungen oft in ekphrastischen Substraten. Wer nach oder schon während der sprachlich trockenen Aufsätze keine Lust mehr hat auf Bildbeschreibungen, die sich jeder halbwegs intelligente Betrachter selber imaginieren kann, sollte sich Jean Pauls Werke greifen und das geöffnete Buch danebenlegen: immer mit Blick auf die stellenweise grandiosen „Abbilder“ der jeanpaulschen Kunst. Nicht weniger als 131 Werke erfreuen das Auge des Betrachters: die Meisterwerke, die seit Chodowieckis Zeiten Jean Paul gewidmet wurden. Hier ist der empfehlenswerte Band nicht defizitär, sondern den Werken des Dichters durchaus nah, hier greift die „visuelle Metaphorik“ zwischen Himmel und Hölle, Satire und Pathos auf oft bannende Weise.

Jean Paul und die Bilder. Hrg. von Monika Schmitz-Emans und Wolfram Benda. Königshausen & Neumann, 2013. 39,80 Euro.

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