Logen-Blog [355]: Interludio juristico mit einem sachlichen Appendix
Kleines Hofer Interludio juristico
Endlich erreichten sie beklommen das Grubstreet oder die Münz-Stadt, wo ich gegenwärtige Assignate für halbe Welten kütte und färbe – Hof nämlich.
Es ist freilich mein Vorteil nicht, daß ich damals von allem nichts erfuhr, was nun halb Europa erfährt durch mich – ich war damals noch jünger und saß einsam zu Hause als Kopfsalat, willens, mich zu einem Kopf zu schließen, welches Schließen, sowohl beim Menschen als beim Salat, durch nichts mehr gehindert wird als durch nachbarliches Berühren des Nebensalats.
Es ist für einen Jüngling leichter, süßer und vorteilhafter, aus der Einsamkeit in die Gesellschaft überzutreten (aus dem Gewächshause in den Garten), als umgekehrt aus dem Markte in den Winkel.
Ausschließende Einsamkeit und ausschließende Geselligkeit sind schädlich, und, ihre Rangordnung ausgenommen, ist nichts so wichtig als ihr Tausch.
Sachlicher Appendix zum Interludium
Es ist schön und bezeichnend, dass die gute Hofer Beamtenfachhochschule und ihr Freundeskreis auch nach dem Jean-Paul-Jahr sich um den Jubilar des vergangenen Jahres kümmern – und dass tatsächlich nicht wenige Studenten und Dozenten sich in der schönen Bibliothek treffen, um sich etwas über Jean Paul und das Recht erzählen zu lassen. Immerhin geht es hier, sagt der Lektor, um einen Autor von Weltrang, der insgesamt acht Jahre seines Lebens in der Saalestadt lebte und hier unter anderem jenen wichtigen Roman verfasste, aus dem er gleich lesen wird. Es schadet nichts, zu wissen, wer hier, gleich in der Nachbarschaft der Hochschule, vor 220 Jahren in der „Provinz“ saß und weit über den Tellerrand des Städtchens hinausschaute. Es ist dies vermutlich mehr als eine Frage der Aura – es ist eine Frage, die den geistigen Raum dieses Ortes betrifft – und wer weiß: vermutlich hat Jean Paul (sagt der Lektor) einige der juristischen „Schwarten“ gekannt, die hinter ihm stehen, als er die juristisch relevanten Texte des Dichters[1] vorliest und, ein bisschen nach juristischer Manier, kommentiert. Ein Text durfte gleich am Anfang nicht fehlen. Die Logenblog-Leser haben ihn zum Teil bereits kennengelernt. Und so geht das weiter, was gestern begonnen wurde: die Bemerkung, dass jede Wissenschaft notwendigerweise in der Entemotionalisierung mündet:
Es geht andern Leuten auch so: der Gegenstand der Wissenschaft bleibt kein Gegenstand der Empfindung mehr. Die Injurien, bei denen der Mann von Ehre flutet und kocht, sind dem Juristen ein Beleg, eine Glosse, eine Illustration zu dem Pandekten-Titel von den Injurien. So zieht jede Erkenntnis eine Stein-Kruste über unser Herz, die philosophische nicht allein.
Text: Jean Paul (Siebenkäs, 22. Kapitel)
Fotos: Frank Piontek, 19.2. 2014
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[1] Natürlich die Testamentseröffnung aus den Flegeljahren, auch den Erbschaftsfall samt verschwundener Unterschrift des betrügerischen Heimlichers von Blaise aus dem Siebenkäs, daneben den bösen Galgentext aus dem Giannozzo, den Beginn des köstlichen, weil selbstanklägerischen Satirischen Appendix zu den Biographischen Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin.
Logen-Blog [355]: Interludio juristico mit einem sachlichen Appendix>
Kleines Hofer Interludio juristico
Endlich erreichten sie beklommen das Grubstreet oder die Münz-Stadt, wo ich gegenwärtige Assignate für halbe Welten kütte und färbe – Hof nämlich.
Es ist freilich mein Vorteil nicht, daß ich damals von allem nichts erfuhr, was nun halb Europa erfährt durch mich – ich war damals noch jünger und saß einsam zu Hause als Kopfsalat, willens, mich zu einem Kopf zu schließen, welches Schließen, sowohl beim Menschen als beim Salat, durch nichts mehr gehindert wird als durch nachbarliches Berühren des Nebensalats.
Es ist für einen Jüngling leichter, süßer und vorteilhafter, aus der Einsamkeit in die Gesellschaft überzutreten (aus dem Gewächshause in den Garten), als umgekehrt aus dem Markte in den Winkel.
Ausschließende Einsamkeit und ausschließende Geselligkeit sind schädlich, und, ihre Rangordnung ausgenommen, ist nichts so wichtig als ihr Tausch.
Sachlicher Appendix zum Interludium
Es ist schön und bezeichnend, dass die gute Hofer Beamtenfachhochschule und ihr Freundeskreis auch nach dem Jean-Paul-Jahr sich um den Jubilar des vergangenen Jahres kümmern – und dass tatsächlich nicht wenige Studenten und Dozenten sich in der schönen Bibliothek treffen, um sich etwas über Jean Paul und das Recht erzählen zu lassen. Immerhin geht es hier, sagt der Lektor, um einen Autor von Weltrang, der insgesamt acht Jahre seines Lebens in der Saalestadt lebte und hier unter anderem jenen wichtigen Roman verfasste, aus dem er gleich lesen wird. Es schadet nichts, zu wissen, wer hier, gleich in der Nachbarschaft der Hochschule, vor 220 Jahren in der „Provinz“ saß und weit über den Tellerrand des Städtchens hinausschaute. Es ist dies vermutlich mehr als eine Frage der Aura – es ist eine Frage, die den geistigen Raum dieses Ortes betrifft – und wer weiß: vermutlich hat Jean Paul (sagt der Lektor) einige der juristischen „Schwarten“ gekannt, die hinter ihm stehen, als er die juristisch relevanten Texte des Dichters[1] vorliest und, ein bisschen nach juristischer Manier, kommentiert. Ein Text durfte gleich am Anfang nicht fehlen. Die Logenblog-Leser haben ihn zum Teil bereits kennengelernt. Und so geht das weiter, was gestern begonnen wurde: die Bemerkung, dass jede Wissenschaft notwendigerweise in der Entemotionalisierung mündet:
Es geht andern Leuten auch so: der Gegenstand der Wissenschaft bleibt kein Gegenstand der Empfindung mehr. Die Injurien, bei denen der Mann von Ehre flutet und kocht, sind dem Juristen ein Beleg, eine Glosse, eine Illustration zu dem Pandekten-Titel von den Injurien. So zieht jede Erkenntnis eine Stein-Kruste über unser Herz, die philosophische nicht allein.
Text: Jean Paul (Siebenkäs, 22. Kapitel)
Fotos: Frank Piontek, 19.2. 2014
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[1] Natürlich die Testamentseröffnung aus den Flegeljahren, auch den Erbschaftsfall samt verschwundener Unterschrift des betrügerischen Heimlichers von Blaise aus dem Siebenkäs, daneben den bösen Galgentext aus dem Giannozzo, den Beginn des köstlichen, weil selbstanklägerischen Satirischen Appendix zu den Biographischen Belustigungen unter der Gehirnschale einer Riesin.