Logen-Blog [26]: Über Grabeskirchen und Auferstehungen
Das „heilige Grab“ – ist es ein Vorteil gegenüber dem Dichter, das Grab selbst einmal besucht zu haben? Besser: den Ort, von dem man vermutet, dass sich hier das Grab befand? Ein Ort, der heute nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit jenem Platz hat, an dem – zumindest der Legende nach – ER zunächst bestattet wurde, bevor ER jene Auferstehung erlebte, auf die der junge Gustav noch wartet?
Was hätte Jean Paul wohl gesagt, wenn er den riesenhaften, von monumentaler Orgelmusik umbrausten Schrein erblickt hätte, der die Rotunde der Grabeskirche massivst ausfüllt? Was hätte er zu dem fellinesken – doch zweifellos schwer beeindruckenden – Treiben gemeint, das heute diesen Platz dominiert, wo das Grab, der Stein, auf dem ER gelagert wurde, der Stein, auf dem nach märchenhafter Überlieferung der Engel saß, der Ort, an dem SEIN Kreuz stand und sogar das Gefängnis, in dem ER eingekerkert war, praktischerweise innerhalb einer einzigen Kirche aufgesucht werden können? Einer Kirche, die alle Erinnerung an die antike Topographie fast gänzlich ausgelöscht hat?
Nein, kein Mitteleuropäer, der nicht hier war, konnte – und kann – sich den Ort vorstellen, das Heilige Jerusalem, die Hitze noch im Oktober, das Licht, den Wind, den Sand, das Unverwechselbare dessen, was man mit einem politisch leider furchtbar unkorrekten, aber wunderschön passenden Wort als „Orient“ bezeichnen muss. Die Ideen eines Autors des späten 18. Jahrhunderts, der gerade im kalten Schwarzenbach sitzt, die Ideen eines Erdichters vom Grab, der Kreuzigung und der Auferstehung in einem Land, das seiner unmittelbaren Anschauung völlig entzogen ist, sind jene Ideen eines Idealismus, der nicht nur von der historischen Leben-Jesu-Forschung und den aktuellen Untersuchungen Gerd Lüdemanns (Was mit Jesus wirklich geschah. Die Auferstehung historisch betrachtet) geknackt wurde. Der Anblick des religiösen Circus am Heiligen Ort muss den Betrachter, der nicht im Kontext von Grablegung und Auferstehung erzogen wurde, ernüchtern – und doch...
Jean Paul hätte vermutlich seine satirischen Glossen über das Treiben gemacht: die eilig um den Schrein herumlaufenden, weihrauchschleudernden Priester verschiedener Nationen, die Hunderten, die sich dort anstellen, um am Grab und am Engelsstein in die Knie zu gehen, die dann einen Stock höher laufen, um Golgatha zu besichtigen, und schließlich sich in den Keller begeben, wo gleich das Kreuz „aufgefunden“ wurde. Der Dichter hätte einen saftigen Text verfasst über derlei Anschauung – aber er hätte wohl das Ansinnen selbst derer, die sich am Waschungsstein schwer verzücken, nicht grundsätzlich glossiert. „Es ist keiner!“ - der Schrei mag immer noch durch das tote All tönen. Was bleibt, sind die Sehnsüchte der Sterblichen; über sie ist, pathetisch ausgedrückt (aber Jerusalem ist ein Ort, der dieses Pathos forciert), nicht zu richten.
Es ist schon recht, Gustavs Geschichte als Auferstehungsgeschichte zu schreiben.
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Das „heilige Grab“ – ist es ein Vorteil gegenüber dem Dichter, das Grab selbst einmal besucht zu haben? Besser: den Ort, von dem man vermutet, dass sich hier das Grab befand? Ein Ort, der heute nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit jenem Platz hat, an dem – zumindest der Legende nach – ER zunächst bestattet wurde, bevor ER jene Auferstehung erlebte, auf die der junge Gustav noch wartet?
Was hätte Jean Paul wohl gesagt, wenn er den riesenhaften, von monumentaler Orgelmusik umbrausten Schrein erblickt hätte, der die Rotunde der Grabeskirche massivst ausfüllt? Was hätte er zu dem fellinesken – doch zweifellos schwer beeindruckenden – Treiben gemeint, das heute diesen Platz dominiert, wo das Grab, der Stein, auf dem ER gelagert wurde, der Stein, auf dem nach märchenhafter Überlieferung der Engel saß, der Ort, an dem SEIN Kreuz stand und sogar das Gefängnis, in dem ER eingekerkert war, praktischerweise innerhalb einer einzigen Kirche aufgesucht werden können? Einer Kirche, die alle Erinnerung an die antike Topographie fast gänzlich ausgelöscht hat?
Nein, kein Mitteleuropäer, der nicht hier war, konnte – und kann – sich den Ort vorstellen, das Heilige Jerusalem, die Hitze noch im Oktober, das Licht, den Wind, den Sand, das Unverwechselbare dessen, was man mit einem politisch leider furchtbar unkorrekten, aber wunderschön passenden Wort als „Orient“ bezeichnen muss. Die Ideen eines Autors des späten 18. Jahrhunderts, der gerade im kalten Schwarzenbach sitzt, die Ideen eines Erdichters vom Grab, der Kreuzigung und der Auferstehung in einem Land, das seiner unmittelbaren Anschauung völlig entzogen ist, sind jene Ideen eines Idealismus, der nicht nur von der historischen Leben-Jesu-Forschung und den aktuellen Untersuchungen Gerd Lüdemanns (Was mit Jesus wirklich geschah. Die Auferstehung historisch betrachtet) geknackt wurde. Der Anblick des religiösen Circus am Heiligen Ort muss den Betrachter, der nicht im Kontext von Grablegung und Auferstehung erzogen wurde, ernüchtern – und doch...
Jean Paul hätte vermutlich seine satirischen Glossen über das Treiben gemacht: die eilig um den Schrein herumlaufenden, weihrauchschleudernden Priester verschiedener Nationen, die Hunderten, die sich dort anstellen, um am Grab und am Engelsstein in die Knie zu gehen, die dann einen Stock höher laufen, um Golgatha zu besichtigen, und schließlich sich in den Keller begeben, wo gleich das Kreuz „aufgefunden“ wurde. Der Dichter hätte einen saftigen Text verfasst über derlei Anschauung – aber er hätte wohl das Ansinnen selbst derer, die sich am Waschungsstein schwer verzücken, nicht grundsätzlich glossiert. „Es ist keiner!“ - der Schrei mag immer noch durch das tote All tönen. Was bleibt, sind die Sehnsüchte der Sterblichen; über sie ist, pathetisch ausgedrückt (aber Jerusalem ist ein Ort, der dieses Pathos forciert), nicht zu richten.
Es ist schon recht, Gustavs Geschichte als Auferstehungsgeschichte zu schreiben.