Logen-Blog [25]: Über Himmel, Erde und Musik
Es reißt mich schier, als ich folgende Zeilen lese: „O Musik! Nachklang aus einer entlegnen harmonischen Welt! Seufzer des Engels in uns! Wenn das Wort sprachlos ist, und die Umarmung, und das Auge, und das weinende, und wenn unsre stummen Herzen hinter dem Brust-Gitter einsam liegen: o so bist nur du es, durch welche sie sich einander zurufen in ihren Kerkern und ihre entfernten Seufzer vereinigen in ihrer Wüste!“ Nicht, dass ich diese Sätze nicht kennte; ich habe sie recherchiert, als es bei der Auswahl der Texte zum Jean-Paul-Weg darum ging, Zitate über die Musik zu suchen. Was mich erschüttert, ist die Fortsetzung der ersten beiden Sätze, die wir damals nicht benutzt haben. Tatsächlich bricht dieses Zitat regelmäßig ab, wenn man es in Aphorismensammlungen findet – dabei gehört die Fortsetzung unabdingbar und existentiell zum Sinn der Sache.
Existentiell – der Satz trifft mich (es hilft nichts: dieser Blog muss persönlich sein, um einen eindeutigen Sinn zu haben) in einer Situation, in der ich Jean Pauls Überzeugung unmittelbar begreife. „Wenn das Wort sprachlos ist“: da liegt der Schmerz verborgen, den die Musik nicht beseitigt, den sie aber in geglückten Momenten – wenn auch nicht für immer - zu transzendieren vermag. Freilich muss die Musik und ihre Interpretation sehr groß sein, um zu packen und den inneren Menschen durchzuschütteln; ich lasse mal dahingestellt, was „große“ Musik ist.
Der „Genius“ also setzt auch die Musik ein, um Gustav an den Himmel, also die Erde zu gewöhnen. Musik, „diese Poesie der Luft“, wie Jean Paul sie sehr schön nennt, kennt der Kleine noch nicht; der Erzieher hilft ihm auf die Sprünge, indem er ihm herrnhutische Gesänge darbietet und sich von oben durch ein Waldhorn – der „Flöte der Sehnsucht“ - begleiten lässt. Das Waldhorn als Flöte der Sehnsucht. Ich muss an Eichendorffs Hornmusik denken, diese Musik der ewigen, unstillbaren Sehnsucht.
Außerdem lässt der Mann aus Barby den Knaben, er bald „auferstehen“ soll, schon einmal kurz nach draußen schauen, „in das Nachtmeer, das vor dir unermeßlich hinaussteht mit schwankenden Blüten und schießenden Feuerkäfern, die sich neben den Sternen zu bewegen scheinen, und mit dem ganzen Gedränge der Schöpfung“. Ist das nun „Kitsch“? Oder ist es nicht eine adäquate Beschreibung einer Außenwelt, der man nur durch innerliche Formeln beikommt? So wie die Musik immerzu zwischen Innen und Außen vermittelt, wo die Worte keinen Zweck und Sinn mehr haben?
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Es reißt mich schier, als ich folgende Zeilen lese: „O Musik! Nachklang aus einer entlegnen harmonischen Welt! Seufzer des Engels in uns! Wenn das Wort sprachlos ist, und die Umarmung, und das Auge, und das weinende, und wenn unsre stummen Herzen hinter dem Brust-Gitter einsam liegen: o so bist nur du es, durch welche sie sich einander zurufen in ihren Kerkern und ihre entfernten Seufzer vereinigen in ihrer Wüste!“ Nicht, dass ich diese Sätze nicht kennte; ich habe sie recherchiert, als es bei der Auswahl der Texte zum Jean-Paul-Weg darum ging, Zitate über die Musik zu suchen. Was mich erschüttert, ist die Fortsetzung der ersten beiden Sätze, die wir damals nicht benutzt haben. Tatsächlich bricht dieses Zitat regelmäßig ab, wenn man es in Aphorismensammlungen findet – dabei gehört die Fortsetzung unabdingbar und existentiell zum Sinn der Sache.
Existentiell – der Satz trifft mich (es hilft nichts: dieser Blog muss persönlich sein, um einen eindeutigen Sinn zu haben) in einer Situation, in der ich Jean Pauls Überzeugung unmittelbar begreife. „Wenn das Wort sprachlos ist“: da liegt der Schmerz verborgen, den die Musik nicht beseitigt, den sie aber in geglückten Momenten – wenn auch nicht für immer - zu transzendieren vermag. Freilich muss die Musik und ihre Interpretation sehr groß sein, um zu packen und den inneren Menschen durchzuschütteln; ich lasse mal dahingestellt, was „große“ Musik ist.
Der „Genius“ also setzt auch die Musik ein, um Gustav an den Himmel, also die Erde zu gewöhnen. Musik, „diese Poesie der Luft“, wie Jean Paul sie sehr schön nennt, kennt der Kleine noch nicht; der Erzieher hilft ihm auf die Sprünge, indem er ihm herrnhutische Gesänge darbietet und sich von oben durch ein Waldhorn – der „Flöte der Sehnsucht“ - begleiten lässt. Das Waldhorn als Flöte der Sehnsucht. Ich muss an Eichendorffs Hornmusik denken, diese Musik der ewigen, unstillbaren Sehnsucht.
Außerdem lässt der Mann aus Barby den Knaben, er bald „auferstehen“ soll, schon einmal kurz nach draußen schauen, „in das Nachtmeer, das vor dir unermeßlich hinaussteht mit schwankenden Blüten und schießenden Feuerkäfern, die sich neben den Sternen zu bewegen scheinen, und mit dem ganzen Gedränge der Schöpfung“. Ist das nun „Kitsch“? Oder ist es nicht eine adäquate Beschreibung einer Außenwelt, der man nur durch innerliche Formeln beikommt? So wie die Musik immerzu zwischen Innen und Außen vermittelt, wo die Worte keinen Zweck und Sinn mehr haben?