Logen-Blog [267]: Das Pochen des menschlichen Herzens
Die Situation ist sehr einfach: Gustav betritt mit seinem Selbstporträt die Wohnung der Frau von Bouse und erblickt dort die singende Beata; er zuckt erregt zusammen.
Der Fortgang ist komplizierter, weil er mit dem Porträt des Bruders der Beata zusammenhängt, das sich nun im Besitz der Residentin befindet. Sie fragt die Kleine[1], welches Porträt denn ähnlicher sei. Mit einem abgewandelten, vorweggenommenen Zitat aus Lohengrin – „O mein Bruder!“ – gibt sie ihrem Erstaunen Ausdruck, „bis sie mit einem ungezwungnen Blick über den Rücken des Bildes heruntergeglitscht war“, doch entdeckt sie dort – nicht den Namen des Porträtierten. Der Dichter findet nun zu zwei Sätzen, die man sich wieder genauer anschauen muss, weil sie das aphoristisch zusammenfassen, wofür eine soziologisch-psychologische Anthropologie ein wenig länger bräuchte:
Von solchen Erdstäubchen hängt das Pochen des menschlichen Herzens oft ab: den Zentnerdruck der ganzen Lebens-Atmosphäre trägt und hebt es, allein unter dem schwülen Atem einer gesellschaftlichen Verlegenheit fällt es kraftlos zusammen. Wer nicht hat, wohin er sein Haupt hinlegt, leidet oft kleinere Pein, als der nicht hat, wo er seine – Hand hinlege.
Wer nicht hat, wohin er sein Haupt hinlegt, leidet oft kleinere Pein, als der nicht hat, wo er seine – Hand hinlege – das ist wirklich wunderbar. Es transzendiert und holt die Erlebnisse, die uns wirren, zugleich auf die Erde, um aus dem Zentnerdruck einen utopischen, notwendigerweise negativen Vor-Schein einer erhofften Lebensform herauszuholen. Auf Deutsch: wie liebevoll Jean Paul hier – allen Ausflüssen aus seiner satirischen Essigfabrik zum Trotz – mit seinen Figuren mitleidet, indem er sie genau beobachtet...
Kurz und gut: Beata erzählt die Geschichte dieses Bruderbildes, die Residentin ironisiert ein bisschen herum, weil sie über „Worte, Ideen und Glieder“ verfügt, denen der Verstand und die Tugend der beiden jungen Leute kaum entsprechen, und die Erklärung, wie sie an dieses Bildnis gekommen sei, verschweigt sie geflissentlich, „weil sie hundert Antworten dazu wusste“.
Nun aber passiert etwas Seltsames: Frau von Bouse fordert, da sie das Landschaftsbild und sein Porträt ihrem sächsischen Bruder schicken will, den Zeichner auf, die Landschaftszeichnung zu verbessern. Die Venus im Park sei doch durch den Frost verdorben worden. Also soll Beata „unserem Herrn Maler“ zwei Tage lang Modell sitzen: „So kommt in unsern Park eine schöne Venus“. Beata kann dazu nur schweigen (wie es in ihr aussieht, erfährt man vorderhand nicht), und Gustav war schon bereit, die Bouse als zweite Venus zu verewigen. Dass er Beata nicht porträtieren könne, weil er es nicht vermöge: er verkneift sich diese Anmerkung. Was aber beabsichtigt die Frau von Bouse? Beabsichtigt sie überhaupt etwas? In Bezug auf Gustav und Beata? In Bezug auf sich? Oder handelt es sich nur um ein graziöses Spiel? Werden wir es je erfahren?
Eine Venus im Park, genauer: Venus und ihr Geliebter Adonis in einem Park. Der Hund der Treue schläft, die Tauben umgurren einander. Man findet diese zauberhafte Miniatur – es ist nur eines von nicht weniger als 100 kostbaren Kleinkunstwerken – in Bayreuth, genauer: innerhalb der Dauerausstellung „Galante Miniaturen – Sammlung Dr. Löer“, die seit einigen Wochen im Neuen Schloss zu Bayreuth zu betrachten, nein: zu bewundern ist. Das Ehepaar Löer hat seine außerordentlich wertvolle wie betörende Sammlung der 100 Miniaturen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts nach Bayreuth gegeben, wo sie im Kontext der Hofkultur der Markgräfin Wilhelmine einen tiefen Sinn macht. Damit haben die Kollektionen des Neuen Schlosses – die wertvolle Gemäldegalerie, die reiche Fayencesammlung – eine ungeheure Aufwertung erfahren, an die der Kunstliebhaber nicht mehr denken mochte. Die Bayerische Schlösserverwaltung nennt diese Sammlung „weltweit einzigartig“. Der Blogger, wiewohl kein ausgesprochener Kunstkenner, widerspricht dem nicht.
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[1] Der Blogger bittet bei seinen zahlreichen Leserinnen um Pardon für diese politisch schwer unkorrekte Nonchalance, aber er hat den Eindruck, dass Beata im Vergleich zur Residentin eine kleine Naive ist – die sich, das darf man wörtlich nehmen, ihre Unschuld bewahrt hat. Was nicht bedeutet, dass ganz klar wäre, worauf die schöne Frau hinaus will. Frauen sind zuweilen Katzen, vielleicht ist auch die Bouse einw (der Blogger, nebenbei, liebt Katzen, aber das gehört nicht hierher).
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Die Situation ist sehr einfach: Gustav betritt mit seinem Selbstporträt die Wohnung der Frau von Bouse und erblickt dort die singende Beata; er zuckt erregt zusammen.
Der Fortgang ist komplizierter, weil er mit dem Porträt des Bruders der Beata zusammenhängt, das sich nun im Besitz der Residentin befindet. Sie fragt die Kleine[1], welches Porträt denn ähnlicher sei. Mit einem abgewandelten, vorweggenommenen Zitat aus Lohengrin – „O mein Bruder!“ – gibt sie ihrem Erstaunen Ausdruck, „bis sie mit einem ungezwungnen Blick über den Rücken des Bildes heruntergeglitscht war“, doch entdeckt sie dort – nicht den Namen des Porträtierten. Der Dichter findet nun zu zwei Sätzen, die man sich wieder genauer anschauen muss, weil sie das aphoristisch zusammenfassen, wofür eine soziologisch-psychologische Anthropologie ein wenig länger bräuchte:
Von solchen Erdstäubchen hängt das Pochen des menschlichen Herzens oft ab: den Zentnerdruck der ganzen Lebens-Atmosphäre trägt und hebt es, allein unter dem schwülen Atem einer gesellschaftlichen Verlegenheit fällt es kraftlos zusammen. Wer nicht hat, wohin er sein Haupt hinlegt, leidet oft kleinere Pein, als der nicht hat, wo er seine – Hand hinlege.
Wer nicht hat, wohin er sein Haupt hinlegt, leidet oft kleinere Pein, als der nicht hat, wo er seine – Hand hinlege – das ist wirklich wunderbar. Es transzendiert und holt die Erlebnisse, die uns wirren, zugleich auf die Erde, um aus dem Zentnerdruck einen utopischen, notwendigerweise negativen Vor-Schein einer erhofften Lebensform herauszuholen. Auf Deutsch: wie liebevoll Jean Paul hier – allen Ausflüssen aus seiner satirischen Essigfabrik zum Trotz – mit seinen Figuren mitleidet, indem er sie genau beobachtet...
Kurz und gut: Beata erzählt die Geschichte dieses Bruderbildes, die Residentin ironisiert ein bisschen herum, weil sie über „Worte, Ideen und Glieder“ verfügt, denen der Verstand und die Tugend der beiden jungen Leute kaum entsprechen, und die Erklärung, wie sie an dieses Bildnis gekommen sei, verschweigt sie geflissentlich, „weil sie hundert Antworten dazu wusste“.
Nun aber passiert etwas Seltsames: Frau von Bouse fordert, da sie das Landschaftsbild und sein Porträt ihrem sächsischen Bruder schicken will, den Zeichner auf, die Landschaftszeichnung zu verbessern. Die Venus im Park sei doch durch den Frost verdorben worden. Also soll Beata „unserem Herrn Maler“ zwei Tage lang Modell sitzen: „So kommt in unsern Park eine schöne Venus“. Beata kann dazu nur schweigen (wie es in ihr aussieht, erfährt man vorderhand nicht), und Gustav war schon bereit, die Bouse als zweite Venus zu verewigen. Dass er Beata nicht porträtieren könne, weil er es nicht vermöge: er verkneift sich diese Anmerkung. Was aber beabsichtigt die Frau von Bouse? Beabsichtigt sie überhaupt etwas? In Bezug auf Gustav und Beata? In Bezug auf sich? Oder handelt es sich nur um ein graziöses Spiel? Werden wir es je erfahren?
Eine Venus im Park, genauer: Venus und ihr Geliebter Adonis in einem Park. Der Hund der Treue schläft, die Tauben umgurren einander. Man findet diese zauberhafte Miniatur – es ist nur eines von nicht weniger als 100 kostbaren Kleinkunstwerken – in Bayreuth, genauer: innerhalb der Dauerausstellung „Galante Miniaturen – Sammlung Dr. Löer“, die seit einigen Wochen im Neuen Schloss zu Bayreuth zu betrachten, nein: zu bewundern ist. Das Ehepaar Löer hat seine außerordentlich wertvolle wie betörende Sammlung der 100 Miniaturen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts nach Bayreuth gegeben, wo sie im Kontext der Hofkultur der Markgräfin Wilhelmine einen tiefen Sinn macht. Damit haben die Kollektionen des Neuen Schlosses – die wertvolle Gemäldegalerie, die reiche Fayencesammlung – eine ungeheure Aufwertung erfahren, an die der Kunstliebhaber nicht mehr denken mochte. Die Bayerische Schlösserverwaltung nennt diese Sammlung „weltweit einzigartig“. Der Blogger, wiewohl kein ausgesprochener Kunstkenner, widerspricht dem nicht.
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[1] Der Blogger bittet bei seinen zahlreichen Leserinnen um Pardon für diese politisch schwer unkorrekte Nonchalance, aber er hat den Eindruck, dass Beata im Vergleich zur Residentin eine kleine Naive ist – die sich, das darf man wörtlich nehmen, ihre Unschuld bewahrt hat. Was nicht bedeutet, dass ganz klar wäre, worauf die schöne Frau hinaus will. Frauen sind zuweilen Katzen, vielleicht ist auch die Bouse einw (der Blogger, nebenbei, liebt Katzen, aber das gehört nicht hierher).