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24.10.2013, 16:25 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [262]: Aus aktuellem Anlass: eine Sondersendung aus München

Zur Verleihung des Jean-Paul-Preises an Petra Morsbach

Der Saal – es ist der Max-Joseph-Saal[1] der Münchner Residenz, der frühere „alte Herkulessaal“ – ähnelt dem Weißen Saal in Schloss Fantaisie – dem Schloss, das Wilhelmine von Bayreuth in ihren letzten Tagen für ihre schöne Tochter westlich der Stadt erbauen ließ. Ulrike Gote[2] ist auch schon da, daneben viele Besucher, die aus Bayreuth, Joditz, Wunsiedel und dem Rest von Oberfranken angereist sind. Ja, man kann sich in München durchaus heimisch fühlen, wenn – mit wesentlich größerem Bahnhof, als er Brigitte Kronauer im Jahre 2011 bereitet wurde – der Jean-Paul-Preis 2013 verliehen wird, dessen Namensträger der neue bayerische Bildungs- und Kultusminister Ludwig Spaenle beharrlich „Jean Pool“ ausspricht. Jean Pool hätte gewiss gelächelt.

Nicht nur gelächelt, auch gelacht hat man, als die Preisträgerin Petra Morsbach ihre humorbewehrte Rede über einen Dichter hielt, der ihr während des Studiums absolut nichts sagte. Das „hyperaktive Gequassel“ der Vorschule der Ästhetik konnte nur abstoßend wirken, aber nun, bekennt sie, hat man ihr dank Jean Paul doch einen Abend der Überraschungen bereitet. Dass sie hierfür den Dichter wieder lesen musste: „Schon dafür hat sich der Preis gelohnt“. Und also lobt sie ihn, dass noch der letzte Jean-Paul-Ignorant in fast aphoristischer Kürze beigebracht bekommt, was ihn so einzigartig mache: die Wortschöpfungen, die Sätze, die Bonmots, die Poesie, die Paradoxien. Ja, dieser Dichter sei noch in der Anmaßung liebenswürdig – apropos Liebe: mag sein, dass Jean Paul Frauen wie Charlotte von Kalb unglücklich machte und in Tragödien hineinführte. Letzten Endes verdanke auch sie, die Preisträgerin, ihre Schriftstellerexistenz dem Dichter, der die Frauen seiner Zeit intellektuell ernst nahm, ja mehr noch: er folgte ethischen Impulsen, die bis heute wirken.

War Jean Paul ein Dichter der Wahrheit? Martin Mosebach hielt eine präzise wie silberzüngige, über die Maßen lobsprudelnde wie genau sezierende Laudatio, die eben dies bei Petra Morsbach entdeckte: den Anspruch, die schlackenlose, unpathetische, genau genommen „stimmungslose“ Wahrheit im Wort festzuhalten. Wer ihn noch nicht kannte, konnte – Mosebach analysierte vor allem dieses Buch – den Roman Plötzlich ist es Abend von Ferne kennenlernen: ein Epos, gekoppelt mit einer Biographie, die in der deutschen Literatur der Gegenwart einzigartig sei.

Zuletzt aber dankte Petra Morsbach, die, anders als der Dichter, eine unmittelbar verständliche Sprache spricht, allerdings auch über viel Humor verfügt, uns allen:

den Lesern, „ohne die es mich nicht gibt“ – und den Nichtlesern für die Budgetierung dieses (verdienten) Preises.

München leuchtete – auch an diesem Abend. München leuchtete – und enthüllte, im nächtlich zauberhaften Schimmer des Kaiserhofs der einzigartigen Residenz, eine Facette „der Wahrheit“, von der Jean Paul und Petra Morsbach so viel zu erzählen wussten.

 Fotos: Frank Piontek, 23.10. 2013

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[1] Hat Jean Paul ihn 1820 betreten? Darüber ist nichts bekannt – aber der Saal repräsentiert jenen noblen klassizistischen Stil, den der König – und wohl auch die Königin – mochten.

[2] Als einzige Grüne Abgeordnete aus Oberfranken vertritt sie nicht nur den Stimmkreis Bayreuth, sondern den ganzen Wahlkreis Oberfranken; gegenwärtig ist sie auch Landtagsvizepräsidentin des Bayerischen Landtags.

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