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19.10.2013, 09:10 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [256]: Der Blogger ist gerührt

Einige Heuwägen von Wouvermans Gras

einige Zentner von Salvatore Rosas Felsen

und eine Quadratmeile von Everdingens Gründen hätt' er hingeschenkt für den bloßen Fächer.

Der Kunstfreund in mir sträubt sich gegen diesen möglichen Tausch – aber der Fetischist, der in Jedem schlummern mag, wird verstehen, wieso Gustav den Fächer Beatas wertvoller findet als drei Werke der Alten Meister.

Salvatore Rosa – da klingelt es wieder. Der Name ist mir das erste Mal begegnet, als ich – es war sinnvoller- und schönerweise in Bamberg – E.T.A. Hoffmanns Signor Formica las. Er führt ihn als „wackern Maler“ ein, „dessen lebendige Bilder du, geliebter Leser, gewiss nie ohne gar besondere, herzinnigliche Lust angeschaut haben wirst“. Rosa habe, dies die böse Mär, „in einer früheren Zeit seines Lebens sich zu einer Räuberbande geschlagen, und diesem ruchlosen Verkehr all die wilden, trotzigen, abenteuerlich gekleideten Gestalten zu verdanken, die er auf seinen Gemälden angebracht, so wie er auch die düstern, grauenvollen Einöden, diese selve selvagge, um mit Dante zu reden, wo er sich verbergen müssen, getreulich in seiner Landschafterei nachgebildet“. Sein autoritratto, wie die Italiener sagen, scheint diesen wilden Eindruck zu bestätigen. Tatsache ist, dass Rosa für Hoffmann ein Exponent der vorromantischen Malerei war, der auch zu Jean Pauls Zeiten einen außerordentlichen Rang einnahm. „Seine drohenden Bildszenarien“, lese ich im Kommentar zur Unsichtbaren Loge, „aus schroffen Felsabstürzen und Meeresbuchten waren für die Bilderfindung und Komposition von Landschaften lange von entscheidendem Einfluss.“

Ich bin gerührt, und warum? Weil dieser Kommentar im Jahre 1960 veröffentlicht wurde. Geschrieben wurde er von Norbert Miller, einem exzellenten Kenner der Literatur-, Musik- und Kunstgeschichte – der zudem noch, das ist das Entscheidende, derart gut schreiben kann, dass man ohne größere Probleme ein Buch von 1000 Seiten lesen kann. Genau in diesen Tagen lese ich im zweiten, erst vor wenigen Jahren veröffentlichten Teil seiner mit Carl Dahlhaus verfassen Europäischen Romantik in der Musik, einem inkommensurablen Monumental- und Meisterwerk, dessen zweiter Band fast 1250 Seiten stark ist; ich lese die Kapitel über E. T. A. Hoffmann – Besseres über den Musiker Hoffmann findet man nirgendwo  und stoße mit Jean Paul nun und immer wieder auf den selben Autor, der vor 53 Jahren über dem Roman saß.

Leider habe ich Miller, dessen Leistungen und dessen wunderbare Schreib-Art (also „Schreib-Kunst“) zu überschätzen unmöglich sein dürfte, niemals in seinen Vorlesungen erlebt, nur gelegentlich im Berliner Rundfunk gehört. Vor nicht gar so langer Zeit sah ich ihn hier, in Jean Pauls Lebens- und Sterbestadt, gleichsam aus der Ferne. Nein, der Blogger ist nicht „promigeil“, aber er freut sich, wenn er Persönlichkeiten, die welche sind, und die ihn lange erfreut haben und immer noch tief erfreuen und bilden, zumindest mal kurz erblicken darf.

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