Logen-Blog [250]: Plauener Extra zum 250.
Als er den Hesperus zu arbeiten anfing, lesen wir bei Richard Otto Spazier, dem Biographen seiner letzten Tage und Stunden, hatte durch ein sonderbares Zusammentreffen derselbe sächsische Prinz Max die Übergabe seiner ersten Gemahlin, ebenfalls einer italienischen Prinzessin in Hof, wo Jean Paul damals lebte, bewerkstelligen lassen. Jetzt nun am Abend seines Lebens, als er niederging, wie damals erst auf, wiederholte sich dies selbe Ereignis in seinem Wohnort wieder und bestätigte ihm wunderbar die fatalistische Zwei im Leben, an die er gern zu glauben geneigt war. Ungemein ergötzte ihn die Erinnerung an die seltsamen Vorgänge bei der ersten Übergabe, welche der anwesende Freund [gemeint ist Christian Otto, der nun mit dem alten Jean Paul in der Stadt Bayreuth lebte] wieder vor seine Seele führte, die er selbst aus der Wirklichkeit in die Darstellung aufgenommen. So besonders die Erinnerung an die beiden Sänftenträger, welche das Brustbild des abwesenden Prinzen vor der Braut her in einer Sänfte von Hof nach Plauen getragen hatten.
Auch sie ist tot: Karoline von Parma, die junge Prinzessin, die 1804 gestorben ist. Luise von Lucca: 1825 ist sie eine Braut, später stirbt sie, wie alle. Auch er ist lange schon tot: Prinz Maximilian von Sachsen[1]. Nur Jean Paul ist, bis heute, übrig geblieben.
Vielleicht führt der Zug an zwei der schönsten Gebäuden der Stadt vorbei: am Ende des 18. Jahrhunderts erbaut von den Baumwollwarenhändlern Johann Christian Baumgärtel und Johann Christian Kanz, stehen die Häuser immer noch in der Nobelstraße. Die Sonne scheint auf die Fassaden, die Sonne scheint in die Stadt Hof, am Ende seines Lebens sieht der Dichter nach innen, kaum noch nach außen. Der Nebel senkte sich über die Augen, die Sonne scheint über Bayreuth, ein kalter Herbsttag öffnet die Erinnerung an den alten und den jungen Prinzen, der damals wie heute die jungen, nun die allzu junge Prinzessin heiratet, die das Porträt des Prinzen vor sich her tragen sieht. Die Fahrt von Norditalien nach Sachsen ist lang, man muss übernachten – vielleicht übernachtet man hier, im bürgerlichen Palais, wo schon Napoleon eine Nacht lang herbergte – der Kaiser war auf dem Weg nach Russland, auf dem Weg, der ihn auch durch Bayreuth führte, das er auch auf seiner Flucht berührte. Vielleicht schläft die Prinzessin heute wie damals im schönen Palais, dessen Festsaal vor zwei Jahren eingeweiht wurde. Wie lange das jetzt her ist! Er saß damals in Schwarzenbach und begann seinen ersten Roman, nun sind über drei Jahrzehnte vergangen. Vor ein paar Jahren hatte er versucht, den Roman zu beenden – vergeblich, er musste ein Fragment bleiben, und nun begegnet ihm die Gestalt des Prinzen wieder. Er ist sehr gealtert, so wie der Roman, auch er wird diese zweite Ehe als Fragment hinterlassen. Die Zeiten begegnen sich wieder, die Geschichten wiederholen sich, die Bruchstücke werden nicht weniger. Man wird blind und schaut in die Tiefe der Zeiten; wie schade, dass man nicht mehr tanzen kann. Man hört nicht einmal die Geräusche der Füße, die sie auf dem Parkett hinterlassen, wo sie sich bis in alle Ewigkeiten einprägen. Was ist die Unsichtbare Loge? Auch eine Erinnerung an die verzweifelten Feste der Vergangenheit, die man nie vergessen hat.
1787 bis 1789 entstand der Festsaal des noblen Palais' in der heutigen Nobelstraße. Die Gebäude beherbergen heute das sehr besuchenswerte Vogtlandmuseum Plauen (das unter anderem 800 Objekte zum Dichter Julius Mosen aufbewahrt).
Wäre Jean Paul 1785 nach Plauen gekommen, hätte er noch den Superintendenten Georg Friedrich Strantz treffen können, dessen Bildnis in der Johannes-Kirche hängt. 1795 – dem Jahr, in dem der Hesperus erschien – wäre er hier Goethe begegnet, wenn auch nicht in der Matsch.
Bad Elsteraner Mineralwasser
In Bad Elster war Jean Paul noch weniger als in Plauen. Bevor der Dichter die Loge begann, erhielt der Elster-Säuerling die erste steinerne Fassung; nachdem er sie beendet hatte, besuchte Goethe das Mineralwasserbad und verewigte den guten Stoff in seinem Versepos Hermann und Dorothea. Man sieht: während die Zeitläufte mächtig durcheinander geraten, wird am sauberen Wasser gearbeitet – und an einem Roman, der, wie das Epos, eben diese Verwerfungen gleichsam spiegelt.
Fotos: Frank Piontek, 3. Oktober 2013
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[1] Nur nebenbei: einer seiner Ururgroßväter war – neben Kaiser Leopold, dem „Türkenpoldi“, und dem Führer des polnischen Entsatzheeres in der 1683er-Schlacht gegen die Türken, König Jan Sobieski von Polen – ein Bayreuther Markgraf: Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth, dessen Reiterdenkmal Jean Paul in Bayreuth bewundern konnte. Eine seiner Urgroßmütter war eine Bayreuther Gemahlin Augusts des Starken, einer seiner Urgroßväter der prachtliebende Bayerische Kurfürst Maximilian II. Emmanuel.
Logen-Blog [250]: Plauener Extra zum 250.>
Als er den Hesperus zu arbeiten anfing, lesen wir bei Richard Otto Spazier, dem Biographen seiner letzten Tage und Stunden, hatte durch ein sonderbares Zusammentreffen derselbe sächsische Prinz Max die Übergabe seiner ersten Gemahlin, ebenfalls einer italienischen Prinzessin in Hof, wo Jean Paul damals lebte, bewerkstelligen lassen. Jetzt nun am Abend seines Lebens, als er niederging, wie damals erst auf, wiederholte sich dies selbe Ereignis in seinem Wohnort wieder und bestätigte ihm wunderbar die fatalistische Zwei im Leben, an die er gern zu glauben geneigt war. Ungemein ergötzte ihn die Erinnerung an die seltsamen Vorgänge bei der ersten Übergabe, welche der anwesende Freund [gemeint ist Christian Otto, der nun mit dem alten Jean Paul in der Stadt Bayreuth lebte] wieder vor seine Seele führte, die er selbst aus der Wirklichkeit in die Darstellung aufgenommen. So besonders die Erinnerung an die beiden Sänftenträger, welche das Brustbild des abwesenden Prinzen vor der Braut her in einer Sänfte von Hof nach Plauen getragen hatten.
Auch sie ist tot: Karoline von Parma, die junge Prinzessin, die 1804 gestorben ist. Luise von Lucca: 1825 ist sie eine Braut, später stirbt sie, wie alle. Auch er ist lange schon tot: Prinz Maximilian von Sachsen[1]. Nur Jean Paul ist, bis heute, übrig geblieben.
Vielleicht führt der Zug an zwei der schönsten Gebäuden der Stadt vorbei: am Ende des 18. Jahrhunderts erbaut von den Baumwollwarenhändlern Johann Christian Baumgärtel und Johann Christian Kanz, stehen die Häuser immer noch in der Nobelstraße. Die Sonne scheint auf die Fassaden, die Sonne scheint in die Stadt Hof, am Ende seines Lebens sieht der Dichter nach innen, kaum noch nach außen. Der Nebel senkte sich über die Augen, die Sonne scheint über Bayreuth, ein kalter Herbsttag öffnet die Erinnerung an den alten und den jungen Prinzen, der damals wie heute die jungen, nun die allzu junge Prinzessin heiratet, die das Porträt des Prinzen vor sich her tragen sieht. Die Fahrt von Norditalien nach Sachsen ist lang, man muss übernachten – vielleicht übernachtet man hier, im bürgerlichen Palais, wo schon Napoleon eine Nacht lang herbergte – der Kaiser war auf dem Weg nach Russland, auf dem Weg, der ihn auch durch Bayreuth führte, das er auch auf seiner Flucht berührte. Vielleicht schläft die Prinzessin heute wie damals im schönen Palais, dessen Festsaal vor zwei Jahren eingeweiht wurde. Wie lange das jetzt her ist! Er saß damals in Schwarzenbach und begann seinen ersten Roman, nun sind über drei Jahrzehnte vergangen. Vor ein paar Jahren hatte er versucht, den Roman zu beenden – vergeblich, er musste ein Fragment bleiben, und nun begegnet ihm die Gestalt des Prinzen wieder. Er ist sehr gealtert, so wie der Roman, auch er wird diese zweite Ehe als Fragment hinterlassen. Die Zeiten begegnen sich wieder, die Geschichten wiederholen sich, die Bruchstücke werden nicht weniger. Man wird blind und schaut in die Tiefe der Zeiten; wie schade, dass man nicht mehr tanzen kann. Man hört nicht einmal die Geräusche der Füße, die sie auf dem Parkett hinterlassen, wo sie sich bis in alle Ewigkeiten einprägen. Was ist die Unsichtbare Loge? Auch eine Erinnerung an die verzweifelten Feste der Vergangenheit, die man nie vergessen hat.
1787 bis 1789 entstand der Festsaal des noblen Palais' in der heutigen Nobelstraße. Die Gebäude beherbergen heute das sehr besuchenswerte Vogtlandmuseum Plauen (das unter anderem 800 Objekte zum Dichter Julius Mosen aufbewahrt).
Wäre Jean Paul 1785 nach Plauen gekommen, hätte er noch den Superintendenten Georg Friedrich Strantz treffen können, dessen Bildnis in der Johannes-Kirche hängt. 1795 – dem Jahr, in dem der Hesperus erschien – wäre er hier Goethe begegnet, wenn auch nicht in der Matsch.
Bad Elsteraner Mineralwasser
In Bad Elster war Jean Paul noch weniger als in Plauen. Bevor der Dichter die Loge begann, erhielt der Elster-Säuerling die erste steinerne Fassung; nachdem er sie beendet hatte, besuchte Goethe das Mineralwasserbad und verewigte den guten Stoff in seinem Versepos Hermann und Dorothea. Man sieht: während die Zeitläufte mächtig durcheinander geraten, wird am sauberen Wasser gearbeitet – und an einem Roman, der, wie das Epos, eben diese Verwerfungen gleichsam spiegelt.
Fotos: Frank Piontek, 3. Oktober 2013
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[1] Nur nebenbei: einer seiner Ururgroßväter war – neben Kaiser Leopold, dem „Türkenpoldi“, und dem Führer des polnischen Entsatzheeres in der 1683er-Schlacht gegen die Türken, König Jan Sobieski von Polen – ein Bayreuther Markgraf: Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth, dessen Reiterdenkmal Jean Paul in Bayreuth bewundern konnte. Eine seiner Urgroßmütter war eine Bayreuther Gemahlin Augusts des Starken, einer seiner Urgroßväter der prachtliebende Bayerische Kurfürst Maximilian II. Emmanuel.