Logen-Blog [249]: Der Fürst weicht nicht von Beatas Seite
Arme Beata. Der Fürst umschwänzelt sie, sie reagiert krankhaft, d.h.: „Jean Paul“ schildert ihre physiologischen Abwehrreaktionen: „Jedes Haar wurd' an ihr zu einem Fühlfaden, und ihr war, als berührte er ihre wunden Nerven.“ Für den Fürsten aber ist's nur eine „Benefizkomödie, die er zu seinem Besten aufführte“ – so kreuzen sich die Ebenen: hier die des Rokokotheaters, dort die einer absolut modern empfundenen Empfindlichkeit; die Sprache zwingt beide zusammen, indem sie die Protagonisten auseinandertreibt. Die Frage, ob er es wirklich schafft, sie zu küssen, ist vielleicht weniger wichtig als der Hinweis auf die strange tension dieser Szene (wie die Engländer sagen würden).
Interessanterweise überfällt sie gleichzeitig – während sie auf die Pyramide des Eremitenbergs blickt – in ihrer „zagenden Brust“ die Erinnerung an ihren Bruder, genauer: an das Bild und Ebenbild ihres Bruders. Was soll an dieser Stelle die Reminiszenz an einen Verschwundenen? Was genau löst diese schmerzhafte Erinnerung aus?
Der Schmerz, was sonst.
Der Kopfschmerz von George Cruikshank (1819)
Und so springt sie auf, erfindet eine Notlüge – sie habe der Frau von Bouse versprochen, ihr den Hut aufzusetzen – und wird sogleich vom Fürsten – der Mann ist eine Klette – nicht verlassen. Was nun folgt, stelle ich mir wieder als eine Filmszene vor – als eine Szene, die vielleicht erst das sachlich-poetische Schwarzweiß-Kino der Nachkriegszeit erfunden haben könnte: „Dieses Misslingen zerriss ihre zarten Kräfte, und sie lehnte sich wankend mit dem Arme und frisierten Kopfe an die Tapete.“ Das Nichts von Handlung vermag Innenbilder zu provozieren, die erst der Film eingelöst hat, indem er die Bilder nicht zeigen musste, sondern nur das graue Außen. An Stellen wie diesen erweist sich Jean Paul als Psychologe – und dies nicht, weil er zu viel, sondern weil er wenig erzählt.
Dem Fürsten aber ist das alles schnuppe. Er – „vielleicht gelangweilt oder froh“, das sagt vermutlich alles – ist schon zufrieden, „sie an seine Nachbarschaft gewöhnt zu haben“, nimmt seinen Vogel mit und begleitet sie zur Residentin.
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Arme Beata. Der Fürst umschwänzelt sie, sie reagiert krankhaft, d.h.: „Jean Paul“ schildert ihre physiologischen Abwehrreaktionen: „Jedes Haar wurd' an ihr zu einem Fühlfaden, und ihr war, als berührte er ihre wunden Nerven.“ Für den Fürsten aber ist's nur eine „Benefizkomödie, die er zu seinem Besten aufführte“ – so kreuzen sich die Ebenen: hier die des Rokokotheaters, dort die einer absolut modern empfundenen Empfindlichkeit; die Sprache zwingt beide zusammen, indem sie die Protagonisten auseinandertreibt. Die Frage, ob er es wirklich schafft, sie zu küssen, ist vielleicht weniger wichtig als der Hinweis auf die strange tension dieser Szene (wie die Engländer sagen würden).
Interessanterweise überfällt sie gleichzeitig – während sie auf die Pyramide des Eremitenbergs blickt – in ihrer „zagenden Brust“ die Erinnerung an ihren Bruder, genauer: an das Bild und Ebenbild ihres Bruders. Was soll an dieser Stelle die Reminiszenz an einen Verschwundenen? Was genau löst diese schmerzhafte Erinnerung aus?
Der Schmerz, was sonst.
Der Kopfschmerz von George Cruikshank (1819)
Und so springt sie auf, erfindet eine Notlüge – sie habe der Frau von Bouse versprochen, ihr den Hut aufzusetzen – und wird sogleich vom Fürsten – der Mann ist eine Klette – nicht verlassen. Was nun folgt, stelle ich mir wieder als eine Filmszene vor – als eine Szene, die vielleicht erst das sachlich-poetische Schwarzweiß-Kino der Nachkriegszeit erfunden haben könnte: „Dieses Misslingen zerriss ihre zarten Kräfte, und sie lehnte sich wankend mit dem Arme und frisierten Kopfe an die Tapete.“ Das Nichts von Handlung vermag Innenbilder zu provozieren, die erst der Film eingelöst hat, indem er die Bilder nicht zeigen musste, sondern nur das graue Außen. An Stellen wie diesen erweist sich Jean Paul als Psychologe – und dies nicht, weil er zu viel, sondern weil er wenig erzählt.
Dem Fürsten aber ist das alles schnuppe. Er – „vielleicht gelangweilt oder froh“, das sagt vermutlich alles – ist schon zufrieden, „sie an seine Nachbarschaft gewöhnt zu haben“, nimmt seinen Vogel mit und begleitet sie zur Residentin.