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21.12.2012, 12:06 Uhr
Frank Piontek
Jean-Paul-Reihe
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Jean Paul selbst nannte seinen Debütroman eine „geborne Ruine“: Frank Piontek liest „Die unsichtbare Loge“ von Jean Paul, Tag für Tag, von der ersten bis zur letzten Seite, und bloggt darüber.

Logen-Blog [58]: Die musikalische Praxis zu Unterscheerau

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Als Jean Paul heranwuchs, lebte und wirkte er in Hamburg: Bach. Er ging dem Dichter in Sachen Expressivität und Fantasie voran.

Wer die Musik liebt, kommt bei Jean Paul immer wieder auf seine Kosten: „Bachs Regel, Dissonanzen stark und Konsonanzen schwach vorzutragen, weiß in einem Saale jeder, wo die Konsonanzen so sanft eingeschmolzen werden, dass man fast keine hört und nur die Dissonanzen zu vernehmen meint.“

Bach ist freilich nicht J. S. B., sondern, was sich seinerzeit von selbst verstand, sein Sohn Carl Philipp Emanuel Bach, der 1791 noch in guter Erinnerung war, da er erst 1788 gestorben war.

Winziges Extrablättchen über den „alten“ Bach

Der Vater war damals absolut nicht vergessen, wie es in älteren Biographien noch heißt, im Gegenteil: der „alte“ Bach hatte zu Lebzeiten Jean Pauls, lange vor der Wiederaufführung der Matthäuspassion durch Felix Mendelssohn Bartholdy, bei vielen Schülern und Enkelschülern und bei den Komponisten aller Klassen einen außerordentlich hohen Rang. Man lese nur die Worte von Mozart und Goethe. Wer's genauer wissen will, studiere das wunderbare Buch von Klaus Eidam: Das wahre Leben des Johann Sebastian Bach.[1]

Fortsetzung des Eintrags

Bach verfasste einen Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen, dessen ersten Teil er 1753 veröffentlichte. Hierauf bezieht sich Jean Paul, wenn er seine Sottisen über die musikalische Praxis zu Unterscheerau macht. „In einem solchen Konzertsaal lernen die Kleinen Takt, weil da nicht nur genug, sondern auch überflüssig Takt ist, indem jeder dasige Musikoffiziant seinen eignen originellen pfeift, hackt, streicht, stampft, den erstlich kein anderer neben ihm pfeift, hackt, streicht, stampft und den er zweitens selber von Minute zu Minute umbessert.“ Das ist natürlich gemein – allein es trifft, damals wie wohl heute, zu, wenn die begeisterten Eltern runde Augen machen und sich die Konzerte ihrer Zöglinge anhören, aber irgendwie müssen die Kleinen ja einmal mit dem Ensemblespiel anfangen. Ohne Schmerzen geht es da nicht ab, der Dichter zieht es vor, eher das Satirische aus einer derartigen Dissonanzbude herauszuholen. Entscheidend bleibt, dass Gustav hier steht und das junge Mädchen, die Tochter Herrn Röpers, wundersam singt; beide bezaubern den Erzähler – und also auch die Leser(innen).


[1] Ah, ich sehe gerade, dass das Buch im Handel vergriffen ist. Typisch, denkt sich der Blogger, die besten Sachen werden nicht nachgedruckt – aber muss man sich wirklich wundern?