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80331 München
Leitung: Katharina Neudorfer, Marco Böhlandt, Erik Weingarten
Telefon: 0179 2427835

Konvolut

„Erst zu Gehör gebracht, werden aus Buchstaben Töne, beginnen sie zu leben, in der Interpretation, im Zusammenspiel mit anderen Kunstformen: dem Schauspiel, der Musik – und dem Film, der vor dem inneren Auge abläuft.“

Ein innerer Film, der sich vor den eigenen Augen abspielt, Empfindungen, Klänge, Farben. All das kann einen erfassen, liest man ein gutes Buch. Man wird durch den Text in eine andere Welt versetzt und vergisst manchmal sogar die Buchstaben, die man gerade mit den Augen aufnimmt. Man ist völlig vertieft. Diese Erfahrung hat vermutlich schon jeder einmal gemacht.

Wohnt man allerdings Lesungen bei, kommen diese Empfindungen oft nicht zustande. Natürlich nicht immer, aber manchmal geht man enttäuscht nach Hause, mit dem Gefühl, dass die Lesung dem Text nicht gerecht wurde. Man muss sich eingestehen: Man langweilte sich.

Die Schauspielerin Katharina Neudorfer und der Musiker Kilian Kemmer machten sich eines Tages genau darüber Gedanken. Wie ist es möglich, auch während einer Lesung dem Vorstellungsvermögen der Zuhörer Ausdruck zu verleihen, den inneren Film aufleben zu lassen? Der Schlüssel war schließlich die Musik. Die beiden Künstler begannen, im privaten Kreis Krimi-Texte als Hörstücke zu rezitieren. Texte, die durch Klavierspiel und die Möglichkeiten der Stimme eine besondere Atmosphäre aufbauten. Sie merkten, dass die Verbindung von Klängen und Sprache mehr aus den Texten hervorholen konnte, als sie ursprünglich für möglich hielten. Die Krimi-Hörspiele fanden Begeisterung, die Presse berichtete. Bald wurden ein- bis zweimal im Monat solche noch eher halböffentlichen Abende abgehalten.

 

 

Ein Jahr später schloss sich ein weiterer Freund mit Band-Vergangenheit dem Projekt an, das nun den Namen Konvolut trug. Erik Weingarten konnte den Texten durch die Verwendung von Synthesizern und weiteren elektronischen Musikerzeugern eine noch traumartigere Atmosphäre verleihen. Anders als das Klavier, das feste Töne in den Raum wirft, erzeugen Weingartens Klangteppiche einen eher wabernden, hintergründigen Gefühlston, der die Texte wellenartig unterstützt und auch das Unterbewusstsein der Zuhörer anspricht.

Je mehr Publikum das Trio nun anzog, desto schwieriger wurde es, immer neue Texte zu finden, die sich eigneten. Die Gruppe sprach jetzt gezielt Autorinnen und Autoren aus dem Münchner Raum an, und so ergab sich eine Reihe von direkten Kooperationen, u.a. mit Fridolin Schley, mit dem Konvolut ein ganzes Album aufnahm. Als auch noch der Autor Marco Böhlandt mit seinen Texten gewonnen werden konnte, stellte sich heraus, dass dieser zudem ein hervorragender Trompeter ist. 2016 trat die Gruppe bei der renommierten Hörgang-Lesenacht erstmals zu viert auf.

 

 

Kilian Kemmer, Katharina Neudorfer und Marco Böhlandt bei der Hörgang-Lesung im Münchner Westend

 

Konvolut steht für ein Ganzes aus Verschiedenem. Die Besetzung wie auch die Interpretationen sind deshalb beweglich. In loser Folge stoßen immer wieder neue Autoren dazu, die zusammen mit dem Kernteam ihre Texte inszenieren. Nimmt man als Zuhörer an einem Live-Abend der Künstler teil, erhält man immer eine ganz individuelle Vorstellung. Denn die Lesungen der Texte und die musikalischen Klänge entstehen großteils im und für den Augenblick. Es gibt in der Regel keine Aufzeichnungen, keine Tonträger, keine Spielpläne. Sogar die Lesungen ein und desselben Textes unterscheiden sich stets ein wenig voneinander, so dass jeder Abend einzigartig bleibt.

Am häufigsten sind es Stadtgeschichten, die auf diese Weise erzählt werden. Denn genauso beweglich, wie Konvolut agiert, so vielseitig kann auch eine Stadt sein, in deren stetem Vibrieren zusammen- und durcheinanderfließende Vielfalt entsteht.

 

Katharina Neudorfer bei der Hörgang-Lesung, rechts mit Erik Weingarten

 

Seit einiger Zeit widmen die Konvolut-Künstler auch dem Thema Flucht eine Plattform. Unter dem Namen Drift – Flüchtige Texte treffen Erfahrungsberichte von Geflüchteten auf fiktionale Umsetzungen von Schriftstellern und Exilliteratur auf schreibende Exilanten. Innerhalb dieses Projekts wurden auch vier vertonte Texte aufgezeichnet und online gestellt: Inszenierungen von Texten der Schriftsteller Marco Böhlandt, Fridolin Schley und Denijen Pauljević, die auf der Website angehört werden können.

Dort findet sich auch noch das Klangkörperkombinat Ironie & List. Das lose zusammengestellte Trio, das bisher die Begleitmusik der Literaturpräsentationen arrangiert hat, tritt nun losgelöst vom Text alleine auf. Die Musik von Ironie & List ist eine Mischung aus Elektronik, Jazz und Postrock. Zwölf Stücke wurden bisher eingespielt.

 

Verfasserin: Marlena Simmet