Die Bayerische Akademie des Schreibens im Gespräch II
Fortsetzung...
MA: Können Sie bei sich feststellen, was sich verändert hat? Sie sagten, es seien insgesamt drei Kurzgeschichten, die während dieser Zeit entstanden sind. Gehen Sie anders um mit Sujets? Was bewirken diese anderen Fragen, die gestellt werden, bei demjenigen, der schreibt?
CH: Ich achte nun stärker auf meine Themenwahl, was bei meinem ersten Text durchaus eine Kritik war: Welche Themen wähle ich für meine Texte? Außerdem schreibe ich gerne in die psychische Richtung, und das wurde Gott sei Dank bestärkt. Es kam die Anregung, einen Anstaltstext zu schreiben, wie es jetzt hier geschehen ist. Insofern habe ich mich im Hinblick auf meine Themenwahl verändert, aber auch im Hinblick auf meinen Stil. Oft war der Vorwurf, meine Sprache würde die Dramatik oder Drastik des Inhalts nicht richtig spiegeln. Das ist gar nicht so einfach zu verändern, aber da kamen eben sehr individuell auf mich zugeschnittene Kritikunkte, die ich als sehr konstruktiv empfand, wobei es auch eine Herausforderung war, das umzusetzen.
MA: Sie und Herr Niedermeier haben Erfahrungen mit freien Autorengruppen. Was ist da der Unterschied zur Schreibakademie?
MN: Man hat einen professionellen Autor vor sich. Das Textverständnis ist nochmal etwas ganz anderes. In der freien Gruppe würde man vielleicht sagen: „Das hat mir jetzt so nicht gefallen, wie Du das geschrieben hast“, während man hier wirkliche Lösungsansätze geboten bekommt. Dadurch kann man auch zielgerichteter weitermachen. Das war für mich zumindest der Hauptunterschied.
MA: Was mir an Ihren Texten aufgefallen ist, ist, dass Sie alle drei einen sehr unterschiedlichen Stil haben. Ist dieses Individuelle etwas, das in der Arbeit verstärkt wurde?
MO: Ich bin der Auffassung, dass es nur eine individuelle Herangehensweise gibt, es muss eine Stimme gefunden werden, die die Geschichte auch erzählen kann, damit man es der Stimme auch abnimmt. Diese Stimme ist aber nur für diesen einen Text bestimmt, um in einem glaubhaften und natürlichen Verhältnis zum jeweiligen Text zu stehen. Es gibt eben keine Poetik heutzutage, die man über diese Texte legen kann. Zum Glück.
MA: Es gab ja manchmal den Vorwurf, wie z.B. in Leipzig gesagt wurde, dass doch diese Kurzsatzstruktur eine gewisse Rolle gespielt hat. Etliche Autoren, die aus dem Leipziger Literaturinstitut hervorgegangen sind, hätten so ein Raymond Carver-Ideal gehabt. Christoph Peters, als Autor ist man ja mit relativ viel Macht ausgestattet, wie geht man mit dieser Funktion um?
CP: Ich folge keinem Stilideal, die Texte, die ich gemacht habe, sind sehr unterschiedlich. Auch meine Vorlieben und das, was ich lese, sind sehr breit aufgestellt. Im Prinzip ist alles möglich, solange es dem, was erzählt werden soll, vollständig angemessen ist. Jeder Text gibt sich mit dem ersten Wort, mit dem ersten Absatz seine eigenen Regeln. Alles, was dann folgt, wird sich immer an dem überprüfen lassen, was ich als Initialausdruck gesetzt habe. Deswegen sind erste Seiten so zentral, weil da die Form- und Ausdrucksvorlage für den ganzen Text gegeben wird, zunächst mal für einen selber, noch bevor man einen anderen Leser hat. Ich habe meine Aufgabe in dem Kurs gesehen, mich so weit wie möglich in das einzufühlen, was jeder, der etwas eingereicht hat, mitbringt, und ihm aus meiner Erfahrung mit verschiedenen Tönen und Lektüreeindrücken eine Art „Räuberleiter“ zu machen. Aber eigentlich muss jeder selbst über seine eigenen Mauern klettern. Er soll, was er zugrundgelegt hat, möglichst voll entfalten. Die meisten wissen auch, was sie wollen, aber sie hätten es nicht genau benennen können. Ich habe das nicht im Sinne von Macht gesehen, sondern so, dass ich eine dienende Funktion habe.
MA: Stephanie Waldow, sind Sie als Professorin an der Uni auch eingebunden in diese Seminare?
SW: Wir haben eigentlich den Rahmen bereitgestellt, haben die Bewerbungen gesichtet und die Autoren eingeladen und bei dieser Auswahl Wert daraufgelegt, dass diese „Räuberleiter“ tatsächlich auch bereitgestellt wird.
MA: Hatten Sie konkrete Erwartungen?
SW: Es ist besser geworden, als wir dachten. Wir waren sehr überrascht von dem Interesse der Studierenden, wir hatten über 150 Bewerbungen, wobei die Bewerbungsfrist sehr kurz war. Auch über die Texte und das produktive Potential, das dabei entstanden ist, sind wir sehr erstaunt. Es gab einen Abschlusstag im Literaturhaus München Ende Juni, das war ein toller Abend. Wir sind mehr als zufrieden. Das zweite Jahr läuft jetzt an und Thomas Lehr ist jetzt zuständig für die Schreibenden, die an einem Romanprojekt schreiben, wie beispielsweise Markus Ostermair.
MA: Gibt es bestimmte Lektüreempfehlungen, Autoren, an denen Sie sich abarbeiten?
MO: Das gibt es immer wieder. Das hat auch mit der Ähnlichkeit der Erzählstimme zu tun. Wir haben Bücher zu meinem Thema weniger gebracht, als solche, die zu meiner Stimme gepasst haben. Man orientiert sich natürlich an Vorbildern, ohne diese zu imitieren oder sich von ihnen bewusst abzugrenzen. Das findet untereinander unter den Studierenden statt. Die Dozenten, sowohl die Lektoren als auch die Autoren, haben Lektüreempfehlungen gegeben. Ohne Lesen funktioniert es auch nicht.
MA: Haben Sie eine literarische Neuentdeckung gemacht, Herr Niedermeier?
MN: Ja, mehrere. Markus Braun kannte ich davor zum Beispiel nicht. Autoren, die man schon kennt, liest man noch genauer als zuvor. Wobei das bei uns eher zweckgebunden stattgefunden hat, nicht in Bezug auf eine „Stimme“, sondern einer hat Probleme mit seinem Dialog gehabt, und ein anderer hat dann auf die Dialogstruktur bei Truman Capote verwiesen. Also eher auf die erzählerischen Teilbereiche bezogen.
CP: Wir haben zur Auflockerung Anfangs- und Schlussspiele gemacht. Die Lektorin Christiane Schmidt und ich hatten vorgegeben, aus der Weltliteratur und wechselseitig, also aus den eingereichten Texten, die Anfangssätze ohne Namensnennung zu beurteilen, welche Einstiege wir gut finden, und dasselbe haben wir mit den Schlüssen gemacht. Auch habe ich versucht, diese Sachen zu individualisieren, nicht nach unseren eigenen persönlichen Vorlieben auszurichten. Es gab belesene und unbelesene Schreibende. Was nützt wem, ist deshalb eine ganz entscheidende Frage: Jemand, der viel gelesen hat und von Vorbildern geprägt ist, braucht eine eigene Stimme und sollte weniger lesen. Andere haben dagegen keine Vorstellung davon, welche Vielfalt es an Ausdrucksmöglichkeiten gibt. Die habe ich zum Lesen eher angetrieben.
MA: Hat die Erfahrung des Schreiben-Übens in einem Zusammenhang Ihren Erwartungen entsprochen?
CH: Ich wusste anfangs nicht, was auf mich zukommt. Von daher habe ich mir gar nicht so viel ausgemalt. Was ich mir erhofft habe, war, dass ich thematisch und stilistisch neue Impulse bekomme. Wenn man vorab Vorstellungen hat, ist das schon sehr gut, weil man dann seine Wünsche besser einbringen kann.
MO: Ich bin auch sehr positiv gestimmt gewesen, weil etwas Neues zurückkam, von dem ich vorher gar nicht gewusst hätte, dass da ein Problem gewesen ist. Es wurden Sachen bestärkt, auf die ich mich nur vorsichtig darauf hinbewegt habe, oder Sackgassen aufgezeigt. Man konnte gegenseitig voneinander profitieren, in einem geschützten Raum Dinge ausprobieren und frei darüber sprechen.
MA: Gibt es Dinge, die man auf gar keinen Fall lernt oder lernen sollte?
MN: Prinzipiell ist alles lernbar, aber nicht lehrbar. Was ich gemerkt habe, ist, dass vieles von der Eigeninitiative des Einzelnen abhängig ist. Das wurde einem auch vermittelt: Man kann zwar die Regeln kennen und anwenden oder brechen, aber schreiben muss man schon selber.
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MA: Maike Albath, CH: Carolin Hensler, MN: Manuel Niedermeier, MO: Markus Ostermair, CP: Christoph Peters, SW: Stephanie Waldow. Den ersten Teil des Gesprächs lesen Sie hier.
Die Bayerische Akademie des Schreibens im Gespräch II>
Fortsetzung...
MA: Können Sie bei sich feststellen, was sich verändert hat? Sie sagten, es seien insgesamt drei Kurzgeschichten, die während dieser Zeit entstanden sind. Gehen Sie anders um mit Sujets? Was bewirken diese anderen Fragen, die gestellt werden, bei demjenigen, der schreibt?
CH: Ich achte nun stärker auf meine Themenwahl, was bei meinem ersten Text durchaus eine Kritik war: Welche Themen wähle ich für meine Texte? Außerdem schreibe ich gerne in die psychische Richtung, und das wurde Gott sei Dank bestärkt. Es kam die Anregung, einen Anstaltstext zu schreiben, wie es jetzt hier geschehen ist. Insofern habe ich mich im Hinblick auf meine Themenwahl verändert, aber auch im Hinblick auf meinen Stil. Oft war der Vorwurf, meine Sprache würde die Dramatik oder Drastik des Inhalts nicht richtig spiegeln. Das ist gar nicht so einfach zu verändern, aber da kamen eben sehr individuell auf mich zugeschnittene Kritikunkte, die ich als sehr konstruktiv empfand, wobei es auch eine Herausforderung war, das umzusetzen.
MA: Sie und Herr Niedermeier haben Erfahrungen mit freien Autorengruppen. Was ist da der Unterschied zur Schreibakademie?
MN: Man hat einen professionellen Autor vor sich. Das Textverständnis ist nochmal etwas ganz anderes. In der freien Gruppe würde man vielleicht sagen: „Das hat mir jetzt so nicht gefallen, wie Du das geschrieben hast“, während man hier wirkliche Lösungsansätze geboten bekommt. Dadurch kann man auch zielgerichteter weitermachen. Das war für mich zumindest der Hauptunterschied.
MA: Was mir an Ihren Texten aufgefallen ist, ist, dass Sie alle drei einen sehr unterschiedlichen Stil haben. Ist dieses Individuelle etwas, das in der Arbeit verstärkt wurde?
MO: Ich bin der Auffassung, dass es nur eine individuelle Herangehensweise gibt, es muss eine Stimme gefunden werden, die die Geschichte auch erzählen kann, damit man es der Stimme auch abnimmt. Diese Stimme ist aber nur für diesen einen Text bestimmt, um in einem glaubhaften und natürlichen Verhältnis zum jeweiligen Text zu stehen. Es gibt eben keine Poetik heutzutage, die man über diese Texte legen kann. Zum Glück.
MA: Es gab ja manchmal den Vorwurf, wie z.B. in Leipzig gesagt wurde, dass doch diese Kurzsatzstruktur eine gewisse Rolle gespielt hat. Etliche Autoren, die aus dem Leipziger Literaturinstitut hervorgegangen sind, hätten so ein Raymond Carver-Ideal gehabt. Christoph Peters, als Autor ist man ja mit relativ viel Macht ausgestattet, wie geht man mit dieser Funktion um?
CP: Ich folge keinem Stilideal, die Texte, die ich gemacht habe, sind sehr unterschiedlich. Auch meine Vorlieben und das, was ich lese, sind sehr breit aufgestellt. Im Prinzip ist alles möglich, solange es dem, was erzählt werden soll, vollständig angemessen ist. Jeder Text gibt sich mit dem ersten Wort, mit dem ersten Absatz seine eigenen Regeln. Alles, was dann folgt, wird sich immer an dem überprüfen lassen, was ich als Initialausdruck gesetzt habe. Deswegen sind erste Seiten so zentral, weil da die Form- und Ausdrucksvorlage für den ganzen Text gegeben wird, zunächst mal für einen selber, noch bevor man einen anderen Leser hat. Ich habe meine Aufgabe in dem Kurs gesehen, mich so weit wie möglich in das einzufühlen, was jeder, der etwas eingereicht hat, mitbringt, und ihm aus meiner Erfahrung mit verschiedenen Tönen und Lektüreeindrücken eine Art „Räuberleiter“ zu machen. Aber eigentlich muss jeder selbst über seine eigenen Mauern klettern. Er soll, was er zugrundgelegt hat, möglichst voll entfalten. Die meisten wissen auch, was sie wollen, aber sie hätten es nicht genau benennen können. Ich habe das nicht im Sinne von Macht gesehen, sondern so, dass ich eine dienende Funktion habe.
MA: Stephanie Waldow, sind Sie als Professorin an der Uni auch eingebunden in diese Seminare?
SW: Wir haben eigentlich den Rahmen bereitgestellt, haben die Bewerbungen gesichtet und die Autoren eingeladen und bei dieser Auswahl Wert daraufgelegt, dass diese „Räuberleiter“ tatsächlich auch bereitgestellt wird.
MA: Hatten Sie konkrete Erwartungen?
SW: Es ist besser geworden, als wir dachten. Wir waren sehr überrascht von dem Interesse der Studierenden, wir hatten über 150 Bewerbungen, wobei die Bewerbungsfrist sehr kurz war. Auch über die Texte und das produktive Potential, das dabei entstanden ist, sind wir sehr erstaunt. Es gab einen Abschlusstag im Literaturhaus München Ende Juni, das war ein toller Abend. Wir sind mehr als zufrieden. Das zweite Jahr läuft jetzt an und Thomas Lehr ist jetzt zuständig für die Schreibenden, die an einem Romanprojekt schreiben, wie beispielsweise Markus Ostermair.
MA: Gibt es bestimmte Lektüreempfehlungen, Autoren, an denen Sie sich abarbeiten?
MO: Das gibt es immer wieder. Das hat auch mit der Ähnlichkeit der Erzählstimme zu tun. Wir haben Bücher zu meinem Thema weniger gebracht, als solche, die zu meiner Stimme gepasst haben. Man orientiert sich natürlich an Vorbildern, ohne diese zu imitieren oder sich von ihnen bewusst abzugrenzen. Das findet untereinander unter den Studierenden statt. Die Dozenten, sowohl die Lektoren als auch die Autoren, haben Lektüreempfehlungen gegeben. Ohne Lesen funktioniert es auch nicht.
MA: Haben Sie eine literarische Neuentdeckung gemacht, Herr Niedermeier?
MN: Ja, mehrere. Markus Braun kannte ich davor zum Beispiel nicht. Autoren, die man schon kennt, liest man noch genauer als zuvor. Wobei das bei uns eher zweckgebunden stattgefunden hat, nicht in Bezug auf eine „Stimme“, sondern einer hat Probleme mit seinem Dialog gehabt, und ein anderer hat dann auf die Dialogstruktur bei Truman Capote verwiesen. Also eher auf die erzählerischen Teilbereiche bezogen.
CP: Wir haben zur Auflockerung Anfangs- und Schlussspiele gemacht. Die Lektorin Christiane Schmidt und ich hatten vorgegeben, aus der Weltliteratur und wechselseitig, also aus den eingereichten Texten, die Anfangssätze ohne Namensnennung zu beurteilen, welche Einstiege wir gut finden, und dasselbe haben wir mit den Schlüssen gemacht. Auch habe ich versucht, diese Sachen zu individualisieren, nicht nach unseren eigenen persönlichen Vorlieben auszurichten. Es gab belesene und unbelesene Schreibende. Was nützt wem, ist deshalb eine ganz entscheidende Frage: Jemand, der viel gelesen hat und von Vorbildern geprägt ist, braucht eine eigene Stimme und sollte weniger lesen. Andere haben dagegen keine Vorstellung davon, welche Vielfalt es an Ausdrucksmöglichkeiten gibt. Die habe ich zum Lesen eher angetrieben.
MA: Hat die Erfahrung des Schreiben-Übens in einem Zusammenhang Ihren Erwartungen entsprochen?
CH: Ich wusste anfangs nicht, was auf mich zukommt. Von daher habe ich mir gar nicht so viel ausgemalt. Was ich mir erhofft habe, war, dass ich thematisch und stilistisch neue Impulse bekomme. Wenn man vorab Vorstellungen hat, ist das schon sehr gut, weil man dann seine Wünsche besser einbringen kann.
MO: Ich bin auch sehr positiv gestimmt gewesen, weil etwas Neues zurückkam, von dem ich vorher gar nicht gewusst hätte, dass da ein Problem gewesen ist. Es wurden Sachen bestärkt, auf die ich mich nur vorsichtig darauf hinbewegt habe, oder Sackgassen aufgezeigt. Man konnte gegenseitig voneinander profitieren, in einem geschützten Raum Dinge ausprobieren und frei darüber sprechen.
MA: Gibt es Dinge, die man auf gar keinen Fall lernt oder lernen sollte?
MN: Prinzipiell ist alles lernbar, aber nicht lehrbar. Was ich gemerkt habe, ist, dass vieles von der Eigeninitiative des Einzelnen abhängig ist. Das wurde einem auch vermittelt: Man kann zwar die Regeln kennen und anwenden oder brechen, aber schreiben muss man schon selber.
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MA: Maike Albath, CH: Carolin Hensler, MN: Manuel Niedermeier, MO: Markus Ostermair, CP: Christoph Peters, SW: Stephanie Waldow. Den ersten Teil des Gesprächs lesen Sie hier.