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22.05.2018, 13:35 Uhr
Redaktion
Gespräche

Die Schriftstellerin und Wortspiele-Gewinnerin Jovana Reisinger im Gespräch

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Jovana Reisinger © Tanja Kernweiss

Die Münchner Schriftstellerin und Filmemacherin Jovana Reisinger wurde in diesem Jahr für den Auszug aus ihrem Debütroman Still halten mit dem Bayern 2-Wortspiele-Preis ausgezeichnet. In der Jurybegründung heißt es, mit ihrer „furiosen Sprache“, dem Ringen zwischen „irrlichterndem Humor und rasendem Wahn“ hinterfrage sie die „soziale Kälte und verschorften Rollenzwänge als gesellschaftliche Symptome, die die grell-dunkle Schwere mit grantiger Leichtigkeit durchzieht“. Ihr bisheriges filmisches Werk wird in der kommenden Woche, am 2. und 3. Juni, im Kunstverein München gezeigt.

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Literaturportal Bayern: Herzlichen Glückwunsch zum Bayern 2-Wortspiele-Preis 2018. Die drei Wettbewerbstage waren mit Lesungen von 18 Autorinnen und Autoren wie jedes Jahr sehr vielfältig und intensiv. Was blieb hängen?

Jovana Reisinger: Tatsächlich blieb die Vielfalt hängen. Und ein schönes Gefühl von Dankbarkeit. Es kommen ständig Bücher heraus. Darunter viele tolle, schöne, gute Texte von unterschiedlichsten AutorInnen. Es fühlt sich besonders an, neben ihnen zu stehen.

Die Jury lobt das Sperrige ihres Schreibens: dass Sie in „treibenden Rhythmen“ schreiben statt in „eingängigen Melodien“. Pocht da die österreichische Avantgarde in Ihnen?

Das Sperrige in meiner Sprache kommt aus dem Inhalt. Eine Frau, die immer wahnsinniger wird? Da musste auch meine Sprache hart sein. Ob die österreichische Avantgarde in mir pocht, kann ich nicht beantworten. Aber wir könnten meine komplette österreichische Familienseite genauer betrachten. Darauf habe ich sowieso Lust.

Still halten behandelt sehr ernste, schwere Themen, Krankheit, Entfremdung, Suizid. Aber der Text tut dies zugleich mit „grantiger Leichtigkeit“, wie es in der Laudatio heißt. Tatsächlich lacht man beim Lesen auch viel. Mal naiv gefragt: Wie geriet Ihnen der Humor zwischen die Zeilen?

Ich bin froh, dass wir über den Humor sprechen ich finde das Buch sehr amüsant, konnte auch beim Schreiben sehr oft lachen. Ich lese das selbst gerne: sezierende Beobachtungen von Situationen, Charakteren, Orten.

Erst gestern habe ich eine kuriose Situation erlebt: Ich saß in der S-Bahn einem Mann gegenüber. Der trug einen Anzug, halblanges Haar, schön zurückfrisiert, und hielt in seiner Hand eine Tüte von Müller. Dann packte er seinen frisch gekauften Taschenalarm aus, betrachtete das Teil und riss es auseinander. Er selbst war völlig erschrocken über den lauten Ton, den das Gerät von sich gab, und wohl aus Scham und Schock konnte er den Alarm nicht sofort deaktivieren, so brausten wir durch die Stadt begleitet von einem irren Ton. Ich betrachtete ihn dabei und fand das einen richtig guten Moment.

Bei Lesungen kann ich mir hingegen nie sicher sein: Manche Stellen, bei denen ich davon ausging, sie wären garantierte Lacher, machen das Publikum stattdessen oft betroffen. LeserInnen erzählten mir von unterschiedlichsten Leseerfahrungen. Manche fanden es furchtbar lustig, andere streng und traurig. Ich würde ihnen raten, auch den Witz durchkommen zu lassen.

Bisher haben Sie vor allem Filme gemacht. Wie kam es zur Hinwendung zur Literatur?

Die Urfassung des Romans stand bereits vor meinem Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Dann existierte beides gleichzeitig: Ich schrieb während meines Grundstudiums weitere Fassungen, nahm mir dann im 4. Semester eine Auszeit, um den finalen Text zu schreiben. In der Zeit danach drehte ich Musikvideos und Kurzfilme, die jetzt zum Teil im Kunstverein ausgestellt werden. Ohne die HFF hätte ich das Buch nicht auf die gleiche Weise schreiben können. Sowohl der Unterricht an der Hochschule als auch die Diskussionen mit DozentInnen und KommilitonInnen haben mir sehr geholfen. Aber ohne das viele Schreiben wäre ich im Gegenzug kaum so im Fluss, um mir meine Filme auszudenken. Was mir gerade richtig Spaß macht: Szenen zweitverwerten.

Sehen Sie mehr Verbindungen oder mehr Unterschiede zwischen beiden Kunstarten?

Für mich und meine Arbeit gehören sie zusammen. Die Drehbücher, die ich schreibe, verfilme ich meistens auch. Wenn ich Regie führe, arbeite ich mit Text, um ihn in ein Bild zu verwandeln. Dann gehe ich mit Hingabe an die Details, die ich in meinem Roman bewusst aussparte: Ausstattung, Aussehen, Kleidung, Blicke, Stimme, Gesten etc. Im Film finde ich all das wahnsinnig wichtig. Wenn ich einen solchen Text wie Still Halten schreibe, helfen mir Drehbuchtheorie, Dramaturgie und die filmische Arbeitsweise, um in Szenen zu denken. Generell mag ich Literaturverfilmungen meistens nicht. Zumindest nicht von meinen Lieblingsbüchern. Ich bin meistens fürchterlich wütend darüber, dass sie mir meine Vorstellungen wegnehmen und durch etwas Unbefriedigendes ersetzen. Ganz generell betrachtet, kann ich das aber kaum beantworten. Die Arbeitsweisen sind wahnsinnig unterschiedlich, die Produktion auch  ich bin sehr froh darüber, beides machen zu dürfen.

Würde es Sie reizen, Still halten zu verfilmen?

Tatsächlich nicht. Es ergibt sich wieder das gleiche Problem: Wenn ich es tun würde, hätte ich das Gefühl, wenig hinzufügen zu können, was nicht schon drin steht  oder mich weit entfernen zu müssen. Würde es jemand anderes tun, wäre ich bestimmt grantig über gewisse Entscheidungen. Aber vielleicht machen wir es einfach so wie Jill Soloway und Chris Kraus bei I love Dick. Die Serie geht über das Buch hinaus, Kraus blieb dabei als beratende Instanz. Das Buch wurde nicht dröge eins zu eins übersetzt, sondern es wurde etwas Neues erschaffen  was an Intensität an das Buch herankommt. Und ich glaube genau deshalb, weil man über den Ursprungstext hinausging. Wenn wir die Frau aus Still halten allerdings mit Kathryn Hahn besetzen, würde ich sowieso meine Klappe halten  die ist einfach unglaublich gut. Jill Soloway könnte das auch verfilmen. Ok, so machen wir’s.