Hohenaschau, Schloss: Ludwig Benedikt von Cramer-Kletts Wohnsitz
Zugesperrt und ausgefroren war die einstige kleine Wohnung des Schloßkaplans […], fest versperrt und nur vom in der Kälte vibrierenden Rotlicht der ewigen Lampe erhellt war auch die Schloßkirche, mit gewaltigem Eisenriegel verschlossen war ferner das älteste, mächtigste Tor, das „Rittertor“, durch das man weiter oben aus dem Kapellenhof direkt in den Schloßhof gelangt und über dem das alte Fallgitter mit seinen Ketten und zackigen Spitzen heute noch zu sehen ist … Nur hoch oben im Turm erschimmerten durch Frost und Schnee die Lichter meiner Turmtreppe und meiner Stuben, wenn ich im Lande war.
(Ludwig Benedikt von Cramer-Klett: Daffalo. In: Des Waldhorns Widerhall. Parey, Hamburg u.a. 1968)
Die Turmstube hoch über dem Priental ist einer der wenigen, bewohnten Räume im Schloss. Dort hält sich der junge Ludwig Benedikt von Cramer-Klett (1906-1985) auf, bekannt geworden als Jagdschriftsteller. Ein Teil der Ländereien von Schloss Hohenaschau steht zum Verkauf an, die gesamtwirtschaftliche Lage zwingt die Familie dazu. So schwebt ein Hauch von Wehmut über der winterlichen Jagderzählung Daffalo.
Im Jahr 1875 hatte der Großvater des Schriftstellers, Theodor von Cramer-Klett sen. (1817-1884), das Schloss mit dem weitläufigen Forst- und Landbesitz im Chiemgau erworben. Der „Industriebaron“ und Mitbegründer der Maschinen-Fabrik-Augsburg-Nürnberg (M.A.N.) war einer der innovativsten Unternehmer in Bayern. Er spezialisierte sich auf den Eisenbahnbau und die Eisenkonstruktion. In München sind ihm die Schrannenhalle, der Glaspalast für die Industrieausstellung 1854 und die Großhesseloher Brücke zu verdanken.
In tiefem Neuschnee pirscht Ludwig Benedikt von Cramer-Klett auf Skiern hinter einer Gämse her. Es ist sein letzter Gamsbock im Familienrevier, der glänzend schwarze „Diavolo“ – „älplerisch bodenständig in ‚Daffalo‘ mehr umgelautet als umgetauft“. Er erlegt ihn in einem Lahner unterhalb des Geigelsteins.
Auf den Steinfliesen der alten Ehrentreppe wird zunächst ein Kranz aus Latschenzweigen um den Gamsbock gelegt. Dann muss das Wildbret reifen:
Gleich in dem ersten der Wehrtürme sollte der Diavolo hinter Orgelpfeifen versteckt ein paar Tage abhängen und ausfrieren, eh' wir ihn zerwirkten. Vielleicht sang ihm der Wind auf den wirr übereinander geschichteten ausgedienten Flöten, in deren dünnem Holz sich die Kirchenmusik durch vielleicht zwei Jahrhunderte unaustilgbar eingenistet hatte, ein seiner würdiges Requiem.
(Ludwig Benedikt von Cramer-Klett: Daffalo. In: Des Waldhorns Widerhall. Parey, Hamburg u.a. 1968)
Links: Theodor von Cramer-Klett sen. © Bayerische Staatsbibliothek/Porträtsammlung. Mitte: Laubensaal © Archiv Heimat- und Geschichtsverein Aschau i. Chiemgau e.V. Rechts: Preysingsaal (Foto: Anita Berger, Prien) © Archiv Heimat- und Geschichtsverein Aschau i. Chiemgau e.V.
Heute gehört das Schloss der Bundesrepublik Deutschland. Die kulturhistorischen Attraktionen erstrahlen in neuem Glanz. So der einzigartige „Laubensaal“, der ursprünglich komplett ausgemalt war. Floraler Deckenschmuck, Putti und Illusionsmalerei mit Motiven römischer Villen verleihen dem Raum die Aura eines mediterranen Gartens. Die Schlosskapelle mit den Stuckaturen des Veronesers Francesco Brenno aus dem Jahr 1680 befindet sich auch heute noch im Besitz der Familie.
Den barocken Hauptaltar der Kapelle kauft Theodor von Cramer-Klett 1905 aus einer Kirche in Verona. Überlebensgroße Ritterfiguren, Ahnen aus dem Geschlecht der Preysings, dominieren den barocken Preysingsaal. Die Familie Cramer-Klett bewirtet dort ihre Gäste.
In den Räumen des Priental-Museums (ebenfalls im Schloss Hohenaschau) befindet sich eine Dokumentation zur Eisenindustrie im Priental und zur Industriellenfamilie Cramer-Klett. Ein Raum ist dem Schriftsteller Ludwig Benedikt von Cramer-Klett gewidmet.
Von Hohenaschau aus lässt sich das Revier erwandern, das vielen Hochlanderzählungen von Cramer-Klett als Schauplatz dient. Ritter August Ganghofer, der Vater des Dichters Ludwig Ganghofer, betreut damals die Hohenaschauer Forste. Zahlreiche Wanderwege durchziehen heute das Gebiet. Einer führt über die bewirtschaftete Hofalm zum 1505 m hohen Heuraffelkopf. Vielleicht erspäht man unterwegs die „Heuraffler“, Hirsche mit „gewaltigen, knorrigen Geweihen“, beschrieben in der gleichnamigen Erzählung (In: Die Heuraffler und andere Berggeschichten. Mayer, München-Solln u.a. 1950).
Links: Hofalm (970 m) bei Aschau, Postkarte © Bildarchiv Hofalm. Rechts: Hochtal an der Bergstation der Geigelsteinbahn 2006.
Ludwig Benedikt von Cramer-Klett ist nicht nur Jäger, sondern auch begeisterter Skibergsteiger. Im ausklingenden Winter zieht ihn alljährlich „eine geradezu magnetische Fernensehnsucht“ hinauf zu den Gipfeln, vorzugsweise zum 1808 Meter hohen Geigelstein mit seinem Panoramablick.
Dann hielt es mich nimmer, dann schaute ich, daß ich aus den Daunen kam, spannte die Felle über die altgedienten narbenreichen Tourenschi, tat ein Speckbrot, eine kleine Schokoladentafel, zwei Orangen, einen Apfel, die mit edlem Cognac gefüllte, einst für notgedrungene Herzstärkung gedachte winzige Reiseschnapsflasche der Großmama, Zündhölzer, Pfeife und Tabak, ein Stück Gleitwachs und mein kleinstes Zeissglas in einen schnee- und wasserdichten, fest schließenden Beutel, schnallte ihn mir um und machte mich, ausnahmsweise unjägerisch gekleidet [...] auf den Weg.
(Ludwig Benedikt von Cramer-Klett: Daffalo. In: Des Waldhorns Widerhall. Parey, Hamburg u.a. 1968)
Externe Links:
Hohenaschau (offizielle Website)
Schloss Hohenaschau in Burgen in Bayern
Zugesperrt und ausgefroren war die einstige kleine Wohnung des Schloßkaplans […], fest versperrt und nur vom in der Kälte vibrierenden Rotlicht der ewigen Lampe erhellt war auch die Schloßkirche, mit gewaltigem Eisenriegel verschlossen war ferner das älteste, mächtigste Tor, das „Rittertor“, durch das man weiter oben aus dem Kapellenhof direkt in den Schloßhof gelangt und über dem das alte Fallgitter mit seinen Ketten und zackigen Spitzen heute noch zu sehen ist … Nur hoch oben im Turm erschimmerten durch Frost und Schnee die Lichter meiner Turmtreppe und meiner Stuben, wenn ich im Lande war.
(Ludwig Benedikt von Cramer-Klett: Daffalo. In: Des Waldhorns Widerhall. Parey, Hamburg u.a. 1968)
Die Turmstube hoch über dem Priental ist einer der wenigen, bewohnten Räume im Schloss. Dort hält sich der junge Ludwig Benedikt von Cramer-Klett (1906-1985) auf, bekannt geworden als Jagdschriftsteller. Ein Teil der Ländereien von Schloss Hohenaschau steht zum Verkauf an, die gesamtwirtschaftliche Lage zwingt die Familie dazu. So schwebt ein Hauch von Wehmut über der winterlichen Jagderzählung Daffalo.
Im Jahr 1875 hatte der Großvater des Schriftstellers, Theodor von Cramer-Klett sen. (1817-1884), das Schloss mit dem weitläufigen Forst- und Landbesitz im Chiemgau erworben. Der „Industriebaron“ und Mitbegründer der Maschinen-Fabrik-Augsburg-Nürnberg (M.A.N.) war einer der innovativsten Unternehmer in Bayern. Er spezialisierte sich auf den Eisenbahnbau und die Eisenkonstruktion. In München sind ihm die Schrannenhalle, der Glaspalast für die Industrieausstellung 1854 und die Großhesseloher Brücke zu verdanken.
In tiefem Neuschnee pirscht Ludwig Benedikt von Cramer-Klett auf Skiern hinter einer Gämse her. Es ist sein letzter Gamsbock im Familienrevier, der glänzend schwarze „Diavolo“ – „älplerisch bodenständig in ‚Daffalo‘ mehr umgelautet als umgetauft“. Er erlegt ihn in einem Lahner unterhalb des Geigelsteins.
Auf den Steinfliesen der alten Ehrentreppe wird zunächst ein Kranz aus Latschenzweigen um den Gamsbock gelegt. Dann muss das Wildbret reifen:
Gleich in dem ersten der Wehrtürme sollte der Diavolo hinter Orgelpfeifen versteckt ein paar Tage abhängen und ausfrieren, eh' wir ihn zerwirkten. Vielleicht sang ihm der Wind auf den wirr übereinander geschichteten ausgedienten Flöten, in deren dünnem Holz sich die Kirchenmusik durch vielleicht zwei Jahrhunderte unaustilgbar eingenistet hatte, ein seiner würdiges Requiem.
(Ludwig Benedikt von Cramer-Klett: Daffalo. In: Des Waldhorns Widerhall. Parey, Hamburg u.a. 1968)
Links: Theodor von Cramer-Klett sen. © Bayerische Staatsbibliothek/Porträtsammlung. Mitte: Laubensaal © Archiv Heimat- und Geschichtsverein Aschau i. Chiemgau e.V. Rechts: Preysingsaal (Foto: Anita Berger, Prien) © Archiv Heimat- und Geschichtsverein Aschau i. Chiemgau e.V.
Heute gehört das Schloss der Bundesrepublik Deutschland. Die kulturhistorischen Attraktionen erstrahlen in neuem Glanz. So der einzigartige „Laubensaal“, der ursprünglich komplett ausgemalt war. Floraler Deckenschmuck, Putti und Illusionsmalerei mit Motiven römischer Villen verleihen dem Raum die Aura eines mediterranen Gartens. Die Schlosskapelle mit den Stuckaturen des Veronesers Francesco Brenno aus dem Jahr 1680 befindet sich auch heute noch im Besitz der Familie.
Den barocken Hauptaltar der Kapelle kauft Theodor von Cramer-Klett 1905 aus einer Kirche in Verona. Überlebensgroße Ritterfiguren, Ahnen aus dem Geschlecht der Preysings, dominieren den barocken Preysingsaal. Die Familie Cramer-Klett bewirtet dort ihre Gäste.
In den Räumen des Priental-Museums (ebenfalls im Schloss Hohenaschau) befindet sich eine Dokumentation zur Eisenindustrie im Priental und zur Industriellenfamilie Cramer-Klett. Ein Raum ist dem Schriftsteller Ludwig Benedikt von Cramer-Klett gewidmet.
Von Hohenaschau aus lässt sich das Revier erwandern, das vielen Hochlanderzählungen von Cramer-Klett als Schauplatz dient. Ritter August Ganghofer, der Vater des Dichters Ludwig Ganghofer, betreut damals die Hohenaschauer Forste. Zahlreiche Wanderwege durchziehen heute das Gebiet. Einer führt über die bewirtschaftete Hofalm zum 1505 m hohen Heuraffelkopf. Vielleicht erspäht man unterwegs die „Heuraffler“, Hirsche mit „gewaltigen, knorrigen Geweihen“, beschrieben in der gleichnamigen Erzählung (In: Die Heuraffler und andere Berggeschichten. Mayer, München-Solln u.a. 1950).
Links: Hofalm (970 m) bei Aschau, Postkarte © Bildarchiv Hofalm. Rechts: Hochtal an der Bergstation der Geigelsteinbahn 2006.
Ludwig Benedikt von Cramer-Klett ist nicht nur Jäger, sondern auch begeisterter Skibergsteiger. Im ausklingenden Winter zieht ihn alljährlich „eine geradezu magnetische Fernensehnsucht“ hinauf zu den Gipfeln, vorzugsweise zum 1808 Meter hohen Geigelstein mit seinem Panoramablick.
Dann hielt es mich nimmer, dann schaute ich, daß ich aus den Daunen kam, spannte die Felle über die altgedienten narbenreichen Tourenschi, tat ein Speckbrot, eine kleine Schokoladentafel, zwei Orangen, einen Apfel, die mit edlem Cognac gefüllte, einst für notgedrungene Herzstärkung gedachte winzige Reiseschnapsflasche der Großmama, Zündhölzer, Pfeife und Tabak, ein Stück Gleitwachs und mein kleinstes Zeissglas in einen schnee- und wasserdichten, fest schließenden Beutel, schnallte ihn mir um und machte mich, ausnahmsweise unjägerisch gekleidet [...] auf den Weg.
(Ludwig Benedikt von Cramer-Klett: Daffalo. In: Des Waldhorns Widerhall. Parey, Hamburg u.a. 1968)