Hunger
Eine der Haupterfahrungen im Konzentrationslager war für viele der Hunger. In Interviews und Texten schildert Boris Pahor immer wieder, was es für einen Menschen bedeutet, Hunger zu haben. Er nennt es die physische und psychische Zerstörung des Menschen.
Und doch werden keine Lehrbilder je die Stimmung jenes Menschen wiedergeben können, der den Eindruck hat, sein Nachbar habe um einen halben Finger mehr gelbe Flüssigkeit in seine blecherne Schüssel eingeschenkt bekommen. Selbstverständlich könnte jemand die Augen mit jenem besonders starren Blick abbilden, der vom Hunger hervorgerufen wird; er könnte aber weder die Zuckungen der Mundhöhle noch die unwillkürlichen Regungen der Speiseröhre wiederaufleben lassen. Wie also soll ein Bild die feinsten Nuancen des unsichtbaren Kampfes darstellen, wo die anerzogenen Regeln der Kultur schon längst der unbegrenzten Tyrannei des Magenepithels unterlegen sind.
(Boris Pahor: Nekropolis. Berlin Verlag, Berlin 2001, S. 19f.)
Weitere Kapitel:
Eine der Haupterfahrungen im Konzentrationslager war für viele der Hunger. In Interviews und Texten schildert Boris Pahor immer wieder, was es für einen Menschen bedeutet, Hunger zu haben. Er nennt es die physische und psychische Zerstörung des Menschen.
Und doch werden keine Lehrbilder je die Stimmung jenes Menschen wiedergeben können, der den Eindruck hat, sein Nachbar habe um einen halben Finger mehr gelbe Flüssigkeit in seine blecherne Schüssel eingeschenkt bekommen. Selbstverständlich könnte jemand die Augen mit jenem besonders starren Blick abbilden, der vom Hunger hervorgerufen wird; er könnte aber weder die Zuckungen der Mundhöhle noch die unwillkürlichen Regungen der Speiseröhre wiederaufleben lassen. Wie also soll ein Bild die feinsten Nuancen des unsichtbaren Kampfes darstellen, wo die anerzogenen Regeln der Kultur schon längst der unbegrenzten Tyrannei des Magenepithels unterlegen sind.
(Boris Pahor: Nekropolis. Berlin Verlag, Berlin 2001, S. 19f.)