Karl Valentin – Der Kampf mit der Sprache: Aneinandervorbeireden
Es gibt unterschiedliche Ursachen für das Aneinandervorbeireden bei Karl Valentin. Einmal sind es mundartliche Besonderheiten, die Verständigungsschwierigkeiten hervorrufen: „Ja, von Ihnen aus ist drenten herüben, außer er steht herenten, dann ist es umgekehrt.“ Karlstadt: „Das kann kein Mensch verstehen, drenten und herenten – sprechen Sie deutsch, daß man sich auskennt.“ Dann hat die zu knappe oder unzureichende Verschlüsselung seitens eines Sprechers zur Konsequenz, dass der andere nicht richtig versteht: Wenn die Kellnerin im Brillantfeuerwerk (1926) z.B. fragt: „Was is? “ und der Schwere Reiter Valentin darauf antwortet: „Sonntag is“, dann hat die Kellnerin zu knapp ihre Frage codiert, ob ihr Gast nun eine „Maß“ oder eine „Halbe“ bestellen möchte. Damit einhergeht das zu enge Festhalten an die vordergründige Bedeutung von Wörtern, wie in dem Dialog In der Apotheke (1937):
Karlstadt: „Was fehlt Ihnen denn eigentlich?“
Valentin: „Nun ja, das Rezept fehlt mir.“
Karlstadt: „Nein, ich meine, sind Sie krank?“
Valentin: „Wie kommen Sie denn auf so eine Idee? Schau ich krank aus?“
Karlstadt: „Nein, ich meine, gehört die Medizin für Sie oder für eine andere Person?“
Valentin: „Nein, für mein Kind.“
Karlstadt: „Ach so, für Ihr Kind. Also, das Kind ist krank. Was fehlt denn dem Kind?“
Valentin: „Dem Kind fehlt die Mutter [...]“
(Sturzflüge im Zuschauerraum, S. 113)
Eine weitere Ursache für das Aneinandervorbeireden ist das bewusste Nichthinhörenwollen, das das gegenseitige Verstehen immer wieder aushebelt:
Karlstadt: „Ich hab mal ein Fußballspiel gsehn, Du, ich sag Dir, das war Klasse!“
Valentin: „So, ja ich hab auch noch keins gsehn.“
Karlstadt: „Naa, Du verstehst mich nicht. Ich mein, ich hab erst kurz eins gsehn.“
Valentin: „Ach so, Du hast eins gsehn, so, so, das ist sehr interessant, sehr interessant.“
Karlstadt: „Wieso, hast Du auch schon eins gsehn?“
Valentin: „Naa, naa, ich nicht!“
Karlstadt: „Warum sagstn dann, das ist sehr interessant?“
Valentin: „Naa, naa, ich mein, dees is interessant, daß Du scho eines gsehn hast. Dees interessiert mich auch. So mein ich“
(Am Fußballplatz, Schallplatte)
Sekundärliteratur:
Karl Valentin: Gesammelte Werke. München 1961.
Ders.: Sturzflüge im Zuschauerraum. Der gesammelten Werke anderer Teil. Hg. von Michael Schulte. München 1969.
Ders.: Am Fußballplatz. Schallplatte, Telefunken UX 4760 und NT 812.
Schwimmer, Helmut (1977): Karl Valentin. Eine Analyse seines Werkes mit einem Curriculum und Modellen für den Deutschunterricht (Analysen zur deutschen Sprache und Literatur). R. Oldenbourg Verlag, München, S. 33-36.
Weitere Kapitel:
Es gibt unterschiedliche Ursachen für das Aneinandervorbeireden bei Karl Valentin. Einmal sind es mundartliche Besonderheiten, die Verständigungsschwierigkeiten hervorrufen: „Ja, von Ihnen aus ist drenten herüben, außer er steht herenten, dann ist es umgekehrt.“ Karlstadt: „Das kann kein Mensch verstehen, drenten und herenten – sprechen Sie deutsch, daß man sich auskennt.“ Dann hat die zu knappe oder unzureichende Verschlüsselung seitens eines Sprechers zur Konsequenz, dass der andere nicht richtig versteht: Wenn die Kellnerin im Brillantfeuerwerk (1926) z.B. fragt: „Was is? “ und der Schwere Reiter Valentin darauf antwortet: „Sonntag is“, dann hat die Kellnerin zu knapp ihre Frage codiert, ob ihr Gast nun eine „Maß“ oder eine „Halbe“ bestellen möchte. Damit einhergeht das zu enge Festhalten an die vordergründige Bedeutung von Wörtern, wie in dem Dialog In der Apotheke (1937):
Karlstadt: „Was fehlt Ihnen denn eigentlich?“
Valentin: „Nun ja, das Rezept fehlt mir.“
Karlstadt: „Nein, ich meine, sind Sie krank?“
Valentin: „Wie kommen Sie denn auf so eine Idee? Schau ich krank aus?“
Karlstadt: „Nein, ich meine, gehört die Medizin für Sie oder für eine andere Person?“
Valentin: „Nein, für mein Kind.“
Karlstadt: „Ach so, für Ihr Kind. Also, das Kind ist krank. Was fehlt denn dem Kind?“
Valentin: „Dem Kind fehlt die Mutter [...]“
(Sturzflüge im Zuschauerraum, S. 113)
Eine weitere Ursache für das Aneinandervorbeireden ist das bewusste Nichthinhörenwollen, das das gegenseitige Verstehen immer wieder aushebelt:
Karlstadt: „Ich hab mal ein Fußballspiel gsehn, Du, ich sag Dir, das war Klasse!“
Valentin: „So, ja ich hab auch noch keins gsehn.“
Karlstadt: „Naa, Du verstehst mich nicht. Ich mein, ich hab erst kurz eins gsehn.“
Valentin: „Ach so, Du hast eins gsehn, so, so, das ist sehr interessant, sehr interessant.“
Karlstadt: „Wieso, hast Du auch schon eins gsehn?“
Valentin: „Naa, naa, ich nicht!“
Karlstadt: „Warum sagstn dann, das ist sehr interessant?“
Valentin: „Naa, naa, ich mein, dees is interessant, daß Du scho eines gsehn hast. Dees interessiert mich auch. So mein ich“
(Am Fußballplatz, Schallplatte)
Karl Valentin: Gesammelte Werke. München 1961.
Ders.: Sturzflüge im Zuschauerraum. Der gesammelten Werke anderer Teil. Hg. von Michael Schulte. München 1969.
Ders.: Am Fußballplatz. Schallplatte, Telefunken UX 4760 und NT 812.
Schwimmer, Helmut (1977): Karl Valentin. Eine Analyse seines Werkes mit einem Curriculum und Modellen für den Deutschunterricht (Analysen zur deutschen Sprache und Literatur). R. Oldenbourg Verlag, München, S. 33-36.