Simplicissimus: Künstlerkneipe! Künstlerleben!
1903, bald nach Gründung der Elf Scharfrichter 1901, eröffnet Kathi Kobus das Simplicissimus, auch Simpl genannt, das Künstlerlokal in der Münchner Türkenstraße 57. Thomas Theodor Heine gestaltet das Signet des Lokals: die berühmte rote Dogge der Zeitschrift Simplicissimus, die gerade eine Sektflasche entkorkt. Hausdichter sind hier Erich Mühsam und Joachim Ringelnatz, der über den Simpl schreibt: „Künstlerkneipe! Künstlerleben! Das war ja, was wir ersehnten. Wir wagten uns hinein. In dem spärlich erleuchteten Zimmer standen die Stühle noch auf den Tischen. Eine Kellnerin gab uns Auskunft. Die Künstler und Gäste kämen erst abends gegen zehn Uhr.“ (Quelle: Joachim Ringelnatz: Künstlerkneipe! Künstlerleben! In: Karl Ida [Hg.]: München leuchtet – Impressionen einer Stadt, Frankfurt am Main 2010.)
Der spätere Wirt Theo Prosel tritt im Simpl seit Bestehen regelmäßig auf, ebenso Karl Valentin im Jahr 1907. Frank Wedekind, Ludwig Thoma, Thomas Theodor Heine, Julius Beck und andere Autoren im Dunstkreis der Satirezeitschrift Simplicissimus sind in den ersten Jahren regelmäßige Gäste. Auf der Bühne ragen im Simpl in der Folge heraus die Vortragskünstlerin Marietta Kirndorfer, genannt Marietta oder Marietta di Monaco, Max Hansen, der später als Film- und Schallplattenstar reüssiert, Chansonsänger Walter Hillbring, Emmy Hennings und Alfred Henschke alias Klabund sowie der Komiker Fred Endrikat, ab Ende der 1920er-Jahre in Tradition von Ringelnatz' geistvollem Nonsens. Oskar Maria Graf erwähnt den Simpl in seinem zeitgeschichtlichen Schlüsselroman Wir sind Gefangene, im Kapitel „Pech und schlechte Gesellschaft“ als Umschlagort für seine Verkäufe auf dem Schwarzmarkt: „In den Simplicissimus kam ich, setzte mich zwischen die diskutierenden Dichter und Künstler und zog auf einmal eine lange Hartwurst aus der einen Brusttasche, aus der anderen Damenstrümpfe, aus der Joppentasche feinste Schokolade.“ (Quelle: Oskar Maria Graf [1927]: Wir sind Gefangene. Ein Bekenntnis. München.)
1937 trägt Lale Andersen hier, noch mit anderer Melodie, ihren späteren Welthit „Lili Marleen“ vor. Eine weitere Blütezeit erfährt der nach Kathi Kobus' Ruhestand seit 1922 und ihrem Tod weitergeführte Simpl ab Mitte der 1930er-Jahre. Der Kabarettist Adolf Gondrell erwirbt das Lokal und der Schwabinger Poet Theo Prosel, ebenfalls Bühnenkünstler, wird Pächter, ein „Dichterwirt“, so Liedermacher Konstantin Wecker über Prosel.
Der Simpl bliebt über ein halbes Jahrhundert ein zentraler Anlaufpunkt der Schwabinger Boheme. In höherem Maße als andere Künstlerkneipen im damaligen München wie das Annast am Odeonsplatz, Papa Benz am Odeonsplatz, Bunter Hund, Paprika, Schwabinger Brettl, Serenissimus, Seerose oder Germania.
Weitere Kapitel:
1903, bald nach Gründung der Elf Scharfrichter 1901, eröffnet Kathi Kobus das Simplicissimus, auch Simpl genannt, das Künstlerlokal in der Münchner Türkenstraße 57. Thomas Theodor Heine gestaltet das Signet des Lokals: die berühmte rote Dogge der Zeitschrift Simplicissimus, die gerade eine Sektflasche entkorkt. Hausdichter sind hier Erich Mühsam und Joachim Ringelnatz, der über den Simpl schreibt: „Künstlerkneipe! Künstlerleben! Das war ja, was wir ersehnten. Wir wagten uns hinein. In dem spärlich erleuchteten Zimmer standen die Stühle noch auf den Tischen. Eine Kellnerin gab uns Auskunft. Die Künstler und Gäste kämen erst abends gegen zehn Uhr.“ (Quelle: Joachim Ringelnatz: Künstlerkneipe! Künstlerleben! In: Karl Ida [Hg.]: München leuchtet – Impressionen einer Stadt, Frankfurt am Main 2010.)
Der spätere Wirt Theo Prosel tritt im Simpl seit Bestehen regelmäßig auf, ebenso Karl Valentin im Jahr 1907. Frank Wedekind, Ludwig Thoma, Thomas Theodor Heine, Julius Beck und andere Autoren im Dunstkreis der Satirezeitschrift Simplicissimus sind in den ersten Jahren regelmäßige Gäste. Auf der Bühne ragen im Simpl in der Folge heraus die Vortragskünstlerin Marietta Kirndorfer, genannt Marietta oder Marietta di Monaco, Max Hansen, der später als Film- und Schallplattenstar reüssiert, Chansonsänger Walter Hillbring, Emmy Hennings und Alfred Henschke alias Klabund sowie der Komiker Fred Endrikat, ab Ende der 1920er-Jahre in Tradition von Ringelnatz' geistvollem Nonsens. Oskar Maria Graf erwähnt den Simpl in seinem zeitgeschichtlichen Schlüsselroman Wir sind Gefangene, im Kapitel „Pech und schlechte Gesellschaft“ als Umschlagort für seine Verkäufe auf dem Schwarzmarkt: „In den Simplicissimus kam ich, setzte mich zwischen die diskutierenden Dichter und Künstler und zog auf einmal eine lange Hartwurst aus der einen Brusttasche, aus der anderen Damenstrümpfe, aus der Joppentasche feinste Schokolade.“ (Quelle: Oskar Maria Graf [1927]: Wir sind Gefangene. Ein Bekenntnis. München.)
1937 trägt Lale Andersen hier, noch mit anderer Melodie, ihren späteren Welthit „Lili Marleen“ vor. Eine weitere Blütezeit erfährt der nach Kathi Kobus' Ruhestand seit 1922 und ihrem Tod weitergeführte Simpl ab Mitte der 1930er-Jahre. Der Kabarettist Adolf Gondrell erwirbt das Lokal und der Schwabinger Poet Theo Prosel, ebenfalls Bühnenkünstler, wird Pächter, ein „Dichterwirt“, so Liedermacher Konstantin Wecker über Prosel.
Der Simpl bliebt über ein halbes Jahrhundert ein zentraler Anlaufpunkt der Schwabinger Boheme. In höherem Maße als andere Künstlerkneipen im damaligen München wie das Annast am Odeonsplatz, Papa Benz am Odeonsplatz, Bunter Hund, Paprika, Schwabinger Brettl, Serenissimus, Seerose oder Germania.