Literarische Schätze der Bayerischen Staatsbibliothek (8): Der Tegernseer Liebesgruß
Im Wochenrhythmus stellt die Redaktion des Literaturportals Bayern literarische Schätze aus dem Archiv der Bayerischen Staatsbibliothek vor: ausgewählte Höhepunkte, die in ihrer Entstehung, Überlieferung und Wirkung einen Bezug zu Bayern haben und in die Literaturgeschichte eingegangen sind. Spannweite und Vielfalt dieser Literatur aus zwölf Jahrhunderten lassen sich aus digitalisierten Handschriften, Drucken, Manuskripten und Briefen exemplarisch ablesen, die in bavarikon versammelt sind. Wir präsentieren daraus eine Auswahl.
Als „Tegernseer Liebesgruß“ wird das älteste bis dato bekannte Liebesgedicht in deutscher Sprache bezeichnet. Es handelt sich somit nicht um den originären Titel, sondern vielmehr um eine nachträgliche Beschreibung des Textes. Der Text selbst ist in mittelhochdeutscher Sprache verfasst, entstand mutmaßlich zwischen 1160 und 1186 und umfasst nachstehende fünf Verse:
Du pist min ih bin din / des solt du gewis sin / du bist beslossen in minem herzen / verlorn ist das sluzzelin / du most och immer darinne sin.
Du bist mein, ich bin Dein. / Dessen sollst gewiss sein. / Du bist eingeschlossen in meinem Herzen. / Verloren ist das Schlüsselchen. / Du musst auf immer darin sein.
Ausschnitt des Clm 19411 mit dem „Tegernseer Liebesgruß“
Eingebettet ist der „Tegernseer Liebesgruß“ in eine schmucklose Gebrauchshandschrift Clm 19411, die im Kloster Tegernsee in Kollektivarbeit von zwölf Schreibern angefertigt wurde. Die Verse bilden den Abschluss einer auf Latein verfassten Korrespondenz zwischen einem Magister und seiner Freundin. Die Korrespondenz besteht aus elf lateinischen Freundschafts- respektive Liebesbriefen, die der sogenannten „Tegernseer Briefsammlung“ zugerechnet werden, ein Konvolut von insgesamt 306 Musterbriefen. Ob es sich dabei um Abschriften echter Korrespondenz oder um fingierte Briefe handelt, ist nicht bekannt. Weiterhin enthält der Codex Clm 19411 eine Reihe rhetorischer, grammatikalischer und philosophischer Texte, die als Lehrbeispiele für die ‚Ars dictandi‘, die Kunst des Schreibens, die sich ab dem 12 Jahrhundert ausbildete, dienten.
Die einzige Abweichung von dieser didaktisch-rhetorischen Konzeption der Handschrift bildet der „Ludus de Antichristo“. Bei dem Text handelt es sich, wie die Bezeichnung bereits andeutet, um ein lateinisches geistliches ‚Spiel‘, das nur in dieser Handschrift überliefert wurde. Es umfasst 414 Verse, die vom Kampf zwischen dem christlichen Endkaiser, der die Herrschaft über die Welt gewinnt, und dem Antichrist handeln.
Idealplan des Klosters Tegernsee um 1700, der jedoch nie vollständig umgesetzt wurde.
Im Zuge der Säkularisation wurden in Bayern in den Jahren 1802 und 1803 kirchliche Güter eingezogen und in staatliche Obhut überantwortet. Mit der Aufhebung des Klosters Tegernsee im Jahre 1803 gelangte die Sammelhandschrift – ebenso wie der in dieser Reihe bereits vorgestellte Wessobrunner Codex – an die Münchener Hofbibliothek, die Vorgängerinstitution der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek.
Karl Lachmann und Moriz Haupt nahmen den „Tegernseer Liebesgruß“ in die 1857 von ihnen herausgegebene Anthologie Des Minnesangs Frühling auf. Der Name leitet sich von dem mittelhochdeutschen Terminus minne ab, der als ‚liebevolles Andenken‘, ‚Liebe‘ oder auch ‚Zuneigung‘ übersetzt werden kann. Diese zielte zumeist auf die Verehrung einer hochgestellten Dame.
Des Minnesangs Frühling in einer Ausgabe von 1935.
Sekundärliteratur:
Schneider, Karin (2003): Tegernseer Liebesgruß. In: Deutsche Literatur des Mittelalters. Handschriften aus dem Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek München mit Heinrich Wittenwilers Ring als kostbarer Neuerwerbung. Hg. v. der Bayerischen Staatsbibliothek München (Kulturstiftung der Länder, Patrimonia, 249). München, S. 34f.
Worstbrock, Franz J. (19952): Tegernseer Liebesbriefe. In: Verfasserlexikon, Bd. 9, Sp. 671-673.
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Im Wochenrhythmus stellt die Redaktion des Literaturportals Bayern literarische Schätze aus dem Archiv der Bayerischen Staatsbibliothek vor: ausgewählte Höhepunkte, die in ihrer Entstehung, Überlieferung und Wirkung einen Bezug zu Bayern haben und in die Literaturgeschichte eingegangen sind. Spannweite und Vielfalt dieser Literatur aus zwölf Jahrhunderten lassen sich aus digitalisierten Handschriften, Drucken, Manuskripten und Briefen exemplarisch ablesen, die in bavarikon versammelt sind. Wir präsentieren daraus eine Auswahl.
Als „Tegernseer Liebesgruß“ wird das älteste bis dato bekannte Liebesgedicht in deutscher Sprache bezeichnet. Es handelt sich somit nicht um den originären Titel, sondern vielmehr um eine nachträgliche Beschreibung des Textes. Der Text selbst ist in mittelhochdeutscher Sprache verfasst, entstand mutmaßlich zwischen 1160 und 1186 und umfasst nachstehende fünf Verse:
Du pist min ih bin din / des solt du gewis sin / du bist beslossen in minem herzen / verlorn ist das sluzzelin / du most och immer darinne sin.
Du bist mein, ich bin Dein. / Dessen sollst gewiss sein. / Du bist eingeschlossen in meinem Herzen. / Verloren ist das Schlüsselchen. / Du musst auf immer darin sein.
Ausschnitt des Clm 19411 mit dem „Tegernseer Liebesgruß“
Eingebettet ist der „Tegernseer Liebesgruß“ in eine schmucklose Gebrauchshandschrift Clm 19411, die im Kloster Tegernsee in Kollektivarbeit von zwölf Schreibern angefertigt wurde. Die Verse bilden den Abschluss einer auf Latein verfassten Korrespondenz zwischen einem Magister und seiner Freundin. Die Korrespondenz besteht aus elf lateinischen Freundschafts- respektive Liebesbriefen, die der sogenannten „Tegernseer Briefsammlung“ zugerechnet werden, ein Konvolut von insgesamt 306 Musterbriefen. Ob es sich dabei um Abschriften echter Korrespondenz oder um fingierte Briefe handelt, ist nicht bekannt. Weiterhin enthält der Codex Clm 19411 eine Reihe rhetorischer, grammatikalischer und philosophischer Texte, die als Lehrbeispiele für die ‚Ars dictandi‘, die Kunst des Schreibens, die sich ab dem 12 Jahrhundert ausbildete, dienten.
Die einzige Abweichung von dieser didaktisch-rhetorischen Konzeption der Handschrift bildet der „Ludus de Antichristo“. Bei dem Text handelt es sich, wie die Bezeichnung bereits andeutet, um ein lateinisches geistliches ‚Spiel‘, das nur in dieser Handschrift überliefert wurde. Es umfasst 414 Verse, die vom Kampf zwischen dem christlichen Endkaiser, der die Herrschaft über die Welt gewinnt, und dem Antichrist handeln.
Idealplan des Klosters Tegernsee um 1700, der jedoch nie vollständig umgesetzt wurde.
Im Zuge der Säkularisation wurden in Bayern in den Jahren 1802 und 1803 kirchliche Güter eingezogen und in staatliche Obhut überantwortet. Mit der Aufhebung des Klosters Tegernsee im Jahre 1803 gelangte die Sammelhandschrift – ebenso wie der in dieser Reihe bereits vorgestellte Wessobrunner Codex – an die Münchener Hofbibliothek, die Vorgängerinstitution der heutigen Bayerischen Staatsbibliothek.
Karl Lachmann und Moriz Haupt nahmen den „Tegernseer Liebesgruß“ in die 1857 von ihnen herausgegebene Anthologie Des Minnesangs Frühling auf. Der Name leitet sich von dem mittelhochdeutschen Terminus minne ab, der als ‚liebevolles Andenken‘, ‚Liebe‘ oder auch ‚Zuneigung‘ übersetzt werden kann. Diese zielte zumeist auf die Verehrung einer hochgestellten Dame.
Des Minnesangs Frühling in einer Ausgabe von 1935.
Schneider, Karin (2003): Tegernseer Liebesgruß. In: Deutsche Literatur des Mittelalters. Handschriften aus dem Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek München mit Heinrich Wittenwilers Ring als kostbarer Neuerwerbung. Hg. v. der Bayerischen Staatsbibliothek München (Kulturstiftung der Länder, Patrimonia, 249). München, S. 34f.
Worstbrock, Franz J. (19952): Tegernseer Liebesbriefe. In: Verfasserlexikon, Bd. 9, Sp. 671-673.