Melchior Meyr
Melchior Meyr ist ältestes Kind und einziger Sohn des begüterten Bauernpaares Johann Georg (geb. 1786) und Anna Margareta Meyr (1787-1867). Der für einen Landwirt ungewöhnlich gebildete Vater schickt seinen Sohn nach drei Jahren Grundschulzeit in Ehringen und einem Jahr Privatunterricht in Wallerstein auf dessen Wunsch in die Nördlinger Lateinschule. Bereits in der Schule zeigt sich Melchiors Neigung zu Dichtung und Philosophie. Nach dem Besuch des Ansbacher Gymnasiums und des St. Anna-Gymnasiums in Augsburg geht er 1829 an die Universität München, um Philosophie zu studieren. Neben Oken, Thiersch und Schelling hört er Vorlesungen des Naturforschers Karl Schimper, in dem er einen Freund und Mentor findet.
Sein eigentliches Streben gilt aber der Poesie, wobei Goethe eine entscheidende Rolle spielt: Im Dezember 1831 schreibt Meyr in einem „heroischen Taumel“ seine Gedanken zur Weiterführung der deutschen Poesie an Goethe, der ihn außer einem kopierten Standardschreiben für junge Dichter zu weiteren Gedichten ermuntert. Danach wechselt er an die Universität Heidelberg, bricht sein Jurastudium ab und geht zurück nach München, um sich auf eine Karriere als Professor für Ästhetik und Literaturgeschichte vorzubereiten. 1835 findet er einen Verleger, der sein erstes, nach dem Vorbild Goethes fertiggestelltes ländliches Gedicht Wilhelm und Rosina herausgibt. Gegen den Vorwurf, ein Nachahmer von Auerbachs Schwarzwälder Dorfgeschichten (1843) zu sein, sieht Meyr in seinem Werk „die erste Dorfgeschichte“ und sich selbst als Begründer dieser Gattung.
Nach seiner Promotion zum Dr. phil 1836 hält sich Meyr in Erlangen auf, wo er mit Friedrich Rückert zusammentrifft. Durch Vermittlung von Schelling gelingt es ihm 1840, ein Reisestipendium des Kronprinzen Maximilian (1811-1864) zu erhalten. Von nun an lebt er bis 1852 in Berlin, wo er viele Kontakte (u.a. mit Peter von Cornelius, Bettina von Arnim, den Varnhagens) knüpft und sich publizistisch betätigt. Da die über das Stipendium finanzierte Arbeit über Goethe nicht vorankommt, sieht sich Meyr gezwungen, für seinen Lebensunterhalt Rezensionen und Theaterkritiken zu schreiben. Gefragt ist er im Revolutionsjahr 1848, als eine Darstellung der Berliner Revolutionstage in der Augsburger Allgemeinen von ihm erscheint und in alle europäischen Sprachen übersetzt wird.
Ein neuer Lebensabschnitt beginnt, nachdem sein Werben um die Hand der bayerischen Gesandtentochter Caroline von Malzen (1833-1904) unerwidert bleibt. Meyr lebt abwechselnd in München und Ebermergen, wohin seine Eltern 1837 nach dem Verkauf des Gutes Neudegg bei Donauwörth gezogen sind. Er verkehrt in literarischen und künstlerischen Kreisen, allen voran als Gründungsmitglied der Münchner „Krokodile“ (Vereinsname: ‚Ibis‘), bleibt aber aufgrund seiner kritischen Haltung ein Außenseiter. Als Ergebnis erscheinen seine Erzählungen aus dem Ries (1856-70), die einzigen Arbeiten Meyrs, die – von der volkskundlichen Abhandlung „Zur Ethnographie des Rieses“ (1863) abgesehen – bis heute nicht in Vergessenheit geraten sind: poetische Dorfgeschichten, auf Anregung Schellings geschrieben, mit vielen wertvollen Informationen über das Landleben im Ries, über Brauchtum und Menschenschlag. 1866 sorgen die anonym herausgegebenen Gespräche mit einem Grobian wegen ihrer witzigen und treffsicheren Darstellung damaliger Zeitumstände ebenfalls für Aufsehen.
Im August 1868 verlieh ihm König Ludwig II. (1845-1886) den Michaelsorden. Ein Jahresgehalt von 500 Gulden ermöglicht Meyr einen bescheidenen Lebensunterhalt. 1859 wird ihm dieses allerdings wieder gestrichen und durch eine geringere Zuwendung der Schillergesellschaft ersetzt, weil der Münchner Dichterfürst Emanuel Geibel seine poetische Begabung infrage stellt. Tatsächlich sind Meyrs dichterische Werke von der Zwiespalt des Autors, Dichter und Philosoph zugleich zu sein, geprägt. Paul Heyse schreibt über ihn: „Der Novellist hat philosophiert, der Philosoph gedichtet“.
Sein Grab liegt im historischen Münchner Südfriedhof.
Sekundärliteratur:
Mahr, Johannes (1987) (Hg.): Die Krokodile. Ein Münchner Dichterkreis. Texte und Dokumente mit 29 Abbildungen. Reclam, Stuttgart.
Pörnbacher, Hans: Meyr, Melchior. In: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 402-404, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118783688.html, (14.10.2011).
Externe Links:
Literatur von Melchior Meyr im BVB
Literatur über Melchior Meyr im BVB
Melchior Meyr ist ältestes Kind und einziger Sohn des begüterten Bauernpaares Johann Georg (geb. 1786) und Anna Margareta Meyr (1787-1867). Der für einen Landwirt ungewöhnlich gebildete Vater schickt seinen Sohn nach drei Jahren Grundschulzeit in Ehringen und einem Jahr Privatunterricht in Wallerstein auf dessen Wunsch in die Nördlinger Lateinschule. Bereits in der Schule zeigt sich Melchiors Neigung zu Dichtung und Philosophie. Nach dem Besuch des Ansbacher Gymnasiums und des St. Anna-Gymnasiums in Augsburg geht er 1829 an die Universität München, um Philosophie zu studieren. Neben Oken, Thiersch und Schelling hört er Vorlesungen des Naturforschers Karl Schimper, in dem er einen Freund und Mentor findet.
Sein eigentliches Streben gilt aber der Poesie, wobei Goethe eine entscheidende Rolle spielt: Im Dezember 1831 schreibt Meyr in einem „heroischen Taumel“ seine Gedanken zur Weiterführung der deutschen Poesie an Goethe, der ihn außer einem kopierten Standardschreiben für junge Dichter zu weiteren Gedichten ermuntert. Danach wechselt er an die Universität Heidelberg, bricht sein Jurastudium ab und geht zurück nach München, um sich auf eine Karriere als Professor für Ästhetik und Literaturgeschichte vorzubereiten. 1835 findet er einen Verleger, der sein erstes, nach dem Vorbild Goethes fertiggestelltes ländliches Gedicht Wilhelm und Rosina herausgibt. Gegen den Vorwurf, ein Nachahmer von Auerbachs Schwarzwälder Dorfgeschichten (1843) zu sein, sieht Meyr in seinem Werk „die erste Dorfgeschichte“ und sich selbst als Begründer dieser Gattung.
Nach seiner Promotion zum Dr. phil 1836 hält sich Meyr in Erlangen auf, wo er mit Friedrich Rückert zusammentrifft. Durch Vermittlung von Schelling gelingt es ihm 1840, ein Reisestipendium des Kronprinzen Maximilian (1811-1864) zu erhalten. Von nun an lebt er bis 1852 in Berlin, wo er viele Kontakte (u.a. mit Peter von Cornelius, Bettina von Arnim, den Varnhagens) knüpft und sich publizistisch betätigt. Da die über das Stipendium finanzierte Arbeit über Goethe nicht vorankommt, sieht sich Meyr gezwungen, für seinen Lebensunterhalt Rezensionen und Theaterkritiken zu schreiben. Gefragt ist er im Revolutionsjahr 1848, als eine Darstellung der Berliner Revolutionstage in der Augsburger Allgemeinen von ihm erscheint und in alle europäischen Sprachen übersetzt wird.
Ein neuer Lebensabschnitt beginnt, nachdem sein Werben um die Hand der bayerischen Gesandtentochter Caroline von Malzen (1833-1904) unerwidert bleibt. Meyr lebt abwechselnd in München und Ebermergen, wohin seine Eltern 1837 nach dem Verkauf des Gutes Neudegg bei Donauwörth gezogen sind. Er verkehrt in literarischen und künstlerischen Kreisen, allen voran als Gründungsmitglied der Münchner „Krokodile“ (Vereinsname: ‚Ibis‘), bleibt aber aufgrund seiner kritischen Haltung ein Außenseiter. Als Ergebnis erscheinen seine Erzählungen aus dem Ries (1856-70), die einzigen Arbeiten Meyrs, die – von der volkskundlichen Abhandlung „Zur Ethnographie des Rieses“ (1863) abgesehen – bis heute nicht in Vergessenheit geraten sind: poetische Dorfgeschichten, auf Anregung Schellings geschrieben, mit vielen wertvollen Informationen über das Landleben im Ries, über Brauchtum und Menschenschlag. 1866 sorgen die anonym herausgegebenen Gespräche mit einem Grobian wegen ihrer witzigen und treffsicheren Darstellung damaliger Zeitumstände ebenfalls für Aufsehen.
Im August 1868 verlieh ihm König Ludwig II. (1845-1886) den Michaelsorden. Ein Jahresgehalt von 500 Gulden ermöglicht Meyr einen bescheidenen Lebensunterhalt. 1859 wird ihm dieses allerdings wieder gestrichen und durch eine geringere Zuwendung der Schillergesellschaft ersetzt, weil der Münchner Dichterfürst Emanuel Geibel seine poetische Begabung infrage stellt. Tatsächlich sind Meyrs dichterische Werke von der Zwiespalt des Autors, Dichter und Philosoph zugleich zu sein, geprägt. Paul Heyse schreibt über ihn: „Der Novellist hat philosophiert, der Philosoph gedichtet“.
Sein Grab liegt im historischen Münchner Südfriedhof.
Mahr, Johannes (1987) (Hg.): Die Krokodile. Ein Münchner Dichterkreis. Texte und Dokumente mit 29 Abbildungen. Reclam, Stuttgart.
Pörnbacher, Hans: Meyr, Melchior. In: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 402-404, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118783688.html, (14.10.2011).