Buchblogger im Porträt (4) – Daniela Weiland

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© Andrea Koeppler

Viele lesenswerte Bücherblogs befinden sich im Internet. Buchblogger (Booktuber, Bookstagrammer, Booktiktoker, Bookpodcaster, Bookvlogger, Bookfacebooker, Booktwitterer) spielen eine wachsende Rolle in der Literaturlandschaft. Was treibt diese Book-Influencer an? Wo verorten sie sich in der Bücherwelt? Welche dieser Multiplikatoren gewinnen an Bedeutung und warum? Die neue Journal-Kolumne „Buchblogger im Porträt“ von Autor, Journalist und Übersetzer Nicola Bardola porträtiert leidenschaftliche Leser*innen, die ihre Erfahrungen auf vielfältige Weise in den sozialen Netzwerken und auf eigenen Webseiten teilen.

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Daniela Weiland (München)

Dass man sich inzwischen – ohne von Redaktionen und etablierten Medien autorisiert zu sein – zu Buchthemen äußern kann, ist für Daniela Weilands Tätigkeit im Netz eine Grundvoraussetzung. Sie erklärt das am Beispiel des Ingeborg-Bachmann-Preises. Zuerst war sie nur Mitleserin des „Forums“ auf der Internetseite „Wir höflichen Paparazzi“, wo sich eine Gruppe um Kathrin Passig, Wolfgang Herrndorf, Sascha Lobo und vielen anderen zu Phänomenen der Zeit äußerten und speziell auch regelmäßig zum Bachmann-Preis. „Die Fernsehaufzeichnung des Bachmannpreises habe ich schon geguckt, seit 3sat sie überträgt. Ich habe mir dafür immer frei genommen, um an dem ganzen Prozess teilnehmen zu können.“ Weiland war nun mit ihren Eindrücken nicht mehr alleine, konnte mitlesen, was andere dachten. Sie hatte Leute gefunden, die die gleiche „Leidenschaft“ hatten. Da es sich im Forum offenbar um eine Gruppe von Leuten handelte, die sich alle untereinander kannten, wagte sie es damals kaum, selbst mitzuschreiben. Als Twitter publik wurde, wechselte diese Gruppe zusätzlich auf das neue, noch schnellere und für alle zugängliche Medium. Dort wurde der Bachmannpreis fortan öffentlich kommentiert – und dort hatte Weiland dann auch keine Hemmungen mehr, ihre Sichtweisen zu äußern.

„Seit 2004 fahre ich fast jedes Jahr nach Klagenfurt. Auch von dort aus kommentiere ich auf Twitter, wie viele andere, die vor Ort sind oder sich das Geschehen im Fernsehen oder Netz anschauen. Dadurch hat sich so eine Art ‚Bachmann-Preis-Community‘ herausgebildet. Viele sind jedes Jahr dabei. Über die Jahre hat sich auch viel Wissen angesammelt, man kann Bezüge nicht nur zu den aktuellen Lesungen und Jury-Diskussionen herstellen, sondern auch zu denen vergangener Jahre“, erklärt Weiland. Sie versteht sich nicht als typische Buchbloggerin, aber Bücher stehen oft im Fokus ihrer Aktivitäten im Internet. Weiland twittert seit 2007, postet auf Facebook und schreibt und fotografiert für Wikipedia. „Meine Reichweite ist mir dabei völlig unwichtig. Ich möchte auch nichts Bestimmtes erreichen, wie etwa Leute zum Lesen zu animieren. Ich äußere mich zu Themen, an denen mir liegt, eines davon ist die Literatur und das literarische Leben. Mein Schwerpunkt liegt auf Romanen und im Sachbuchbereich. Sowohl in Facebook als auch auf Twitter bin in einer gewissen Bubble Gleichinteressierter“, so Weiland. Auf Facebook und Twitter schreibt sie immer dann, wenn ihr etwas einfällt oder etwas los ist. Wenn es eine Debatte gibt, ein Event, wie z.B. auch die Wortspiele, die Leipziger Buchmesse, das Erlanger Poetenfest oder Medienereignisse (z.B. „Das literarische Quartett“).

„Inhaltlich kann ich ganz spontan meinen Interessen folgen, da ich davon nicht leben muss. Mein Engagement resultiert gewissermaßen aus Nähe: Das heißt, dass ich manches sehr gut kenne, ich mich also einigermaßen kompetent dazu verhalten kann“, so Weiland. Was ihr Wikipedia-Engagement betrifft, so habe es auch etwas von „Service für Alle“. Weiland schreibt Artikel über Autor*innen, die noch keinen Artikel haben, fotografiert sie (inzwischen sind es über 500 Fotos) und aktualisiert bereits vorhandene Artikel. Ebenso dokumentiert sie Preisverleihungen mit Texten und Bildern in den jeweiligen Wikipedia-Artikeln. Mit vielen Autor*innen hatte Weiland entweder beruflich zu tun, hat sie auf einer Lesung erlebt oder findet sie irgendwie interessant. „Ich lasse diese Autor*innen dann meist auch nicht mehr aus den Augen.“ Weiland schätzt Wolfgang Tischlers literaturcafé.de und liest regelmäßig online Facebook, Twitter, Volltext, und den Perlentaucher. Dort wurde auch die Rede von Hubert Winkels thematisiert, der bei den 45. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt von „banalisierenden Tendenzen“ in der Literaturkritik sprach. „Ohne Hubert Winkels akademischen Herleitungen folgen zu wollen: Er hat recht damit, dass heute Unterhaltsamkeit wichtiger wird als kompetentes literarisches Urteil. Man muss aber auch nach den Ursachen fragen. Es ist nämlich nichts weniger als der Versuch, Literatursendungen, von denen früher gar nicht verlangt wurde, dass sie ein großes Publikum ansprechen, heute aber an der Quote gemessen werden, zu retten, damit sie nicht aus dem Programm verschwinden.“

Weiland nennt ein Beispiel, an dem sie selbst beteiligt war: In der wöchentlichen Traditionssendung „Lesezeichen“ des Bayerischen Fernsehens hatten die Macher so um das Jahr 2000 zunehmend die Befürchtung, Zuschauer zu verlieren. „Ein Resultat dessen, dass die Sendung immer wieder lieblos von einem unattraktiven Sendeplatz auf den anderen herumgeschoben wurde. Mal auf Sonntag ganz früh, mal montags ganz spät. Was jedes Mal Zuschauer*innen kostete. Wir versuchten also zusätzliche Reize einzubauen. Nur keine Langeweile aufkommen lassen! Nur keinen Umschaltreflex auslösen!“, erklärt Weiland. So wurden Autoreninterviews nicht mehr – wie früher oft – vor Bücherwänden gedreht. Es galt, möglichst ausgefallene Interview-Orte zu finden, Hingucker, wie etwa eine Tankstelle oder ein Fußballfeld. 2015 wurde die Sendung nach 45 Jahren eingestellt, trotz vieler tatsächlich erfolgreicher Bemühungen „die Zuschauer abzuholen“. Weiland fügt an: „Es gab später noch einmal eine Literatursendung im Bayerischen Fernsehen, moderiert ausgerechnet von Thomas Gottschalk, der damit kokettierte, nichts von Literatur zu verstehen, weshalb sie auch ein großes Fragezeichen schon im Titel trug (‚Gottschalk liest?‘). Sie kam über ein paar Folgen nicht hinaus. Wenn im ‚Literarischen Quartett‘ – jetzt mit Thea Dorn – Schriftsteller*innen zur Diskussion über aktuelle Bücher eingeladen werden, kann das durchaus auch interessant und erfrischend sein, schließlich erfährt man dabei auch etwas über die Eingeladenen selbst“, so Weiland. Anders sei das beim Bachmannpreis. Es sei immer noch ein Ort der ernsthaften Beschäftigung mit Literatur für die „Hardcore-Fans“. Wenn man da versuche, die Bachmannpreis-Jury aufzupeppen, indem man – wie jüngst – die junge Autorin Vea Kaiser einlädt, die aber selten darüber hinauskomme, Texte einfach nur „großartig“ zu finden, sei das sehr unbefriedigend. „Das darf man gar nicht Vea Kaiser anlasten. Schließlich ist sie Schriftstellerin, nicht Kritikerin. Mit dieser Popularisierungsstrategie gewinnt der Bachmannpreis mit Sicherheit keinen einzigen neuen Zuschauer“, so Weiland, die Germanistik und Romanistik studierte, Fernsehjournalistin wurde und seit 2000 in der Kulturredaktion des Bayerischen Rundfunks war und inzwischen in Rente ist, „jedoch ohne die Leidenschaft für die Literatur und alles, was das Jahr in diesem Zusammenhang mit sich bringt, aufzugeben.“