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Schwabinger Kunstpreise 2024 an Barbara Yelin, Malva und das Studio im Isabella

Die Comic-Künstlerin Barbara Yelin, das Kino Studio im Isabella sowie die Musikerin Malva werden für ihre besonderen kulturellen und künstlerischen Leistungen für Schwabing im Sinne seiner Tradition mit den Schwabinger Kunstpreisen 2024 ausgezeichnet.

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Die Stifter der jährlich verliehenen und mit 5.000 Euro dotierten Preise sind die Constantin Film AG, Charly und Max Eisenrieder – Café Münchner Freiheit, die Stadtsparkasse München und die Landeshauptstadt München.

Über die Vergabe entschied eine Jury unter dem Vorsitz von Kulturreferent Anton Biebl: Anne Richter (Schauburg), André Hartmann (Kabarettist), Sibylle Weingart (Kulturwissenschaftlerin), Dr. Brigitta Rambeck (Autorin, Künstlerin) und Cornelia von Seidlein (Grafikerin, Künstlerin).

Die Verleihung findet am 28. Oktober 2024 vor geladenen Gästen in Kooperation mit dem Seerosenkreis im Künstlerhaus am Lenbachplatz statt.

 

Jurybegründungen:

Barbara Yelin

Nicht nur künstlerisch ist Schwabing ein herausragendes Viertel Münchens. Es ist auch ein revolutionäres – denkt man zum Beispiel an die „Schwabinger Krawalle“ zu Beginn der 1960er-Jahre, aber auch an die subversive Satirezeitschrift Simplicissimus, die mit ihren berühmten Karikaturen und Cartoons in der Nähe verortet war. An diese Form der gesellschaftspolitisch engagierten, grafisch-literarischen Intervention knüpft das Genre des Comics an – und mit ihm die großartige Comic-Künstlerin Barbara Yelin.

Ihre Sujets wie ihre Herangehensweise sind oft von einem politischen Anspruch getragen. Die Verbindung von Text und Bild, ihre ebenso feine wie klare Arbeit mit Bleistift, Pinsel und Feder sind von unverwechselbarer Suggestionskraft. Barbara Yelin macht ihre Figuren und die sie bestimmenden gesellschaftlichen Umstände für uns lebendig, zeigt sie uns in all ihrer Zerrissenheit, ihrem Mut, ihrer Verwundbarkeit, ihrer Stärke. Sie eröffnet Welten für uns.

Der Facettenreichtum der Künstlerin ist dabei enorm. In Emmie Arbel erzählt sie von einem Mädchen, das mit sechs Jahren ins Konzentrationslager kam, in Irmina von einer Mitläuferin zur Zeit des Nationalsozialismus – zugleich ein Stück eigene Familiengeschichte. Zusammen mit Alex Rühle veröffentlichte sie das Kinderbuch Gigaguhl und das Riesen-Glück, mit Thomas von Steinaecker die poetische Altersstudie Der Sommer ihres Lebens. Das mitreißende Portrait der jüdischen Schauspielerin und Friedenskämpferin Channa Maron ist ihr mit Vor allem eins: Dir selbst sei treu gelungen, und in Gift schenkt sie der im Bremen des 19. Jahrhunderts lebenden Giftmischerin Gesche Gottfried eine Bühne.

Gemeinsam mit der Literaturwissenschaftlerin Laura Mokrohs hat Barbara Yelin die Graphic Novel Revolution. Kurt Eisner, Gustav Landauer, Erich Mühsam und Ernst Toller 1918/1919 in München erarbeitet. In einer Art „Revolutionstagebuch“ dieser spannungsgeladenen Zeit fügt sie Texte und Bilder zu einem mitreißenden Ganzen, hat einen genauen Blick für die Details, schafft Atmosphäre aus verschiedenen Schichten.

Ein besonders eindrucksvoller Moment dieses Bandes: Soldaten stürmen aus der Türkenkaserne der Münchner Maxvorstadt und zerschlagen ihre Gewehre auf dem Pflaster. Die Frau von Erich Mühsam, Zenzl Mühsam – deren bedeutsame Rolle für die Revolutionsbewegung Barbara Yelin hier einmal nicht von Männern übertüncht sein lässt – schreibt: „Unsere Soldaten sind durch all das Elend Menschen geworden.“ Auf dem Boden sieht man die zerschmetterten Gewehre.

Laut Doris Dörrie, Yelins Laudatorin zum Ernst-Hoferichter-Preis 2021, hat Michelangelo von Kunstschaffenden einst gefordert, den Menschen zu malen und die Absicht der Seele. Eben dies gelingt Barbara Yelin immer wieder aufs Neue in emphatischer Weise.

Barbara Yelin, in München geboren, lebt hier mit ihrer Familie. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bayerischen Kunstförderpreis, dem Max-und-Moritz-Preis, dem Ernst-Hoferichter-Preis und einem Arbeitsstipendium der Landeshauptstadt München. Für 2025 winkt ein zehnmonatiges Stipendium an der Villa Massimo in Rom.

Malva

Magdalena „Malva“ Scherer ist in Schwabing aufgewachsen und noch immer dort ansässig. Musik lag in ihrem Elternhaus von Anfang an „in the air“ – ihre Mutter ist Gesangslehrerin. Die schwierige Corona-Zeit, in die auch Malvas Scherers Abitur fiel, nutzte sie zum Schreiben von Gedichten und für ihre ersten professionellen musikalischen Projekte. Schon die frühen Auftritte als MALVA – von Anfang an gemeinsam mit ihrem ebenso jungen Produzenten und musikalischen Partner Quirin Ebnet – fanden sofort große Resonanz auf bekannten Musik-Bühnen wie dem Milla oder bei Festivals wie dem legendären „Heimatsound“ im Oberammergauer Passionstheater. Die wehmütig leuchtenden Pop-Songs von Malva trafen und treffen einen postpandemischen Nerv und sind zugleich mit sehr persönlichem, bereits jetzt unverwechselbarem Akzent versehen.

Das Debüt-Album Das Grell in meinem Kopf brachte dem Duo 2022 ein Pop-Produktionsstipendium der Stadt München ein – sowie hymnische Kritiken, die zurecht kaum ein Superlativ ausließen. So bildhaft wie exemplarisch drückt sich der charakteristische, poetisch-musikalisch „verpackte“ Weltschmerz der Lieder in einem der Titel aus: Kandierter Kummer, eine bittersüße, virtuos schwebende Melancholie also, mal auf Englisch, mal auf Deutsch besungen, in der man sich durchaus auch wohlfühlen kann. Das 2024 erschienene zweite Album A Soft Seduction Daily, das unter anderem Freud und Leid von Trennungen behandelt (und wie beides meist unentwirrbar verbunden ist), unterstreicht Malvas Erfolg „als eine der größten Pop-Hoffnungen Münchens“, so die Süddeutsche Zeitung.

Als Vorbilder nennt Malva Scherer Patti Smith, Robert Mapplethorpe, Mascha Kaléko, Simone de Beauvoir sowie die britische Singer-Songwriterin Dodie Clark, deren Werk und Vita sie seit ihrem 12. Lebensjahr aufmerksam verfolgt. Als früh ausgereifte Mischung aus Chanson und Indiepop fließen all diese Einflüsse zu etwas völlig Eigenem in Malvas Musik zusammen: authentisch und handgemacht, analog und ein bisschen aus der Zeit gefallen – hochaktueller, wunderschöner Retro eben.

Studio im Isabella

Das Kino „Studio im Isabella“ in Schwabing ist seit 105 Jahren eine unersetzliche, unentbehrliche kulturelle Institution. Es lebt und hat überlebt, weil immer noch und immer wieder genügend Besucher verstehen, worum es hier geht, wie wichtig die Weltverbindung durch laufende Bilder ist und wieviel mehr als nur ein kleines Kino verschwinden würde, wäre es eines Tages nicht mehr da.

Das Isabella-Kino besteht seit 1919. Es wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, wieder aufgebaut, modernisiert, mehrfach verkauft und landete in den 60er-Jahren glücklicherweise in den Händen von Fritz Falter, der mit seinem Programmkino „Occam Studio“ eine neue erfolgreiche Kinoform erfunden hatte und dem es fortan gelang, wichtige internationale Filme zur Erstaufführung nach München zu holen: ins Isabella. Endlich gab es auch in München großes Kino. 1990 übernahm Louis Anschütz, der dem Haus schon seit 1980 als Programmmacher und Geschäftsführer verbunden war. Er hatte Germanistik und an der HFF studiert, hatte mit Kollegen eine Gesellschaft mit dem animierenden Namen „Gut Licht, gut Ton und volle Kassen“ gegründet – und erwarb nach und nach auch das Türkendolch, Neue Rottmann, Neue Arena und das Filmcasino am Odeonsplatz. Geblieben ist ihm das „Studio im Isabella“, das er mit heiterer Hartnäckigkeit, Verve, Neugier und unerschütterlichem Qualitätsanspruch betreibt.

Die Zeiten für anspruchsvolles Programmkino sind hart. Die Multiplex-Kultur hat Spuren hinterlassen, Netflix schauen ist bequem, und die wenigen verbliebenen Ein-Leinwandhäuser ringen ums Überleben. Umso wichtiger ist es, dass eigenständige Kinos wie das Isabella erhalten bleiben. Das „Studio im Isabella“ ist weit mehr als nur ein Kino, es ist ein Leuchtturm der Kinokultur, der weit über Schwabing und München hinaus strahlt.