Info

Mahnmal zur Bücherverbrennung am Königsplatz eröffnet

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbblogs/autorblog/2017/klein/NS_Doku_Jens_Weber_2015-1210.jpg
Blick auf den Königsplatz mit der Glypthothek, im Hintergrund werden das NS-Dokuzentrum, der Obesilk am Karolinenplatz und die Türme der Frauenkirche sichtbar © Jens Weber

Heute ist auf der zentralen Kiesfläche vor den Staatlichen Antikensammlungen auf dem Königsplatz das Kunstwerk „The Blacklist / Die Schwarze Liste” von Arnold Dreyblatt zur Erinnerung an die Bücherverbrennungen von 1933 eröffnet worden. Pandemiebedingt fand die Eröffnung als nichtöffentlicher Termin statt. Ministerpräsident Dr. Markus Söder, Oberbürgermeister Dieter Reiter, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Kulturreferent Anton Biebl, die Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, Dr. Mirjam Zadoff, sowie der Künstler Arnold Dreyblatt waren zur Eröffnung des Mahnmals anwesend.

Ministerpräsident Dr. Markus Söder: „Dieses Mahnmal ist das richtige Zeichen am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Wir erleben gerade heute wieder, wie mit Hass und Hetze versucht wird, Antisemitismus, Intoleranz, Rassismus und Menschenverachtung Raum zu geben. Erst wird gezündelt, dann wird versucht, das Feuer weiter anzufachen. Haben wir den Mut, für unsere Werte, für Demokratie, für die Freiheit – die Freiheit des Wortes, der Kunst und der Meinungsäußerung – und gegen Antisemitismus und Rassismus einzustehen!“

Oberbürgermeister Dieter Reiter: „Es hat lange gedauert, bis die nationalsozialistischen Bücherverbrennungen Eingang in die Erinnerungskultur der Bundesrepublik Deutschland gefunden haben. Auch München tat sich schwer damit. Seit 1995 setzt der Aktionskünstler Wolfram Kastner am 10. Mai mit seiner Lesung aus verbrannten Büchern und dem sogenannten Brandfleck am Königsplatz alljährlich ein temporäres Zeichen gegen das Vergessen. Die Stadt fördert diese wirkungsvolle Intervention. Das Bodendenkmal ,The Blacklist / Die Schwarze Liste´ von Arnold Dreyblatt mit den Buchtiteln der von den Nazis verfemten Autor*innen knüpft daran an und macht den Königsplatz im öffentlichen Raum dauerhaft als Ort der Bücherverbrennung von 1933 kenntlich. Damit tragen wir nicht zuletzt auch dem Umstand Rechnung, dass gerade der Königsplatz von den Nationalsozialisten propagandistisch ganz besonders aufgeladen worden ist.“ Die Bücherverbrennungen im Mai 1933 gingen von der antisemitischen „Deutschen Studentenschaft“ aus. Sie fanden im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ in vielen deutschen Städten statt und bildeten den Auftakt zur systematischen Entfernung aller den Nationalsozialisten nicht genehmen Literatur aus Bibliotheken, Buchhandlungen und dem Literaturbetrieb. In München kam es zu zwei Bücherverbrennungen am 6. und am 10. Mai auf dem Königsplatz.

IKG-Präsidentin Dr. h.c. Charlotte Knobloch: „Der Königsplatz ist einer der zentralen Erinnerungsorte für die NS-Zeit in München, und es ist sehr erfreulich, dass diese Erinnerung seit einigen Jahren mehr und mehr ins Blickfeld rückt. Dass auch die Bücherverbrennung von 1933, die mit diesem Ort untrennbar verbunden bleibt, jetzt so deutlich sichtbar gemacht wird, ist gerade in der heutigen Zeit richtig und nötig: Die Spuren der Vergangenheit, ohne deren Kenntnis wir die Gegenwart nicht gestalten können, müssen für jedermann lesbar und erkennbar sein.“

Kulturreferent Anton Biebl: „Mit Arnold Dreyblatts ,The Blacklist / Die Schwarze Liste´ schließen wir eine Lücke in der Münchner Erinnerungskultur. Das Mahnmal markiert dauerhaft den historischen Ort im Kunstareal. Es legt den Fokus nicht auf die Verbrennung der Werke verfemter Autor*innen, sondern auf das, was bleibt und in die Zukunft weist: die Kraft der Literatur. Eine ununterbrochene Spirale aus Buchtiteln ist der inhaltliche Kern des Mahnmals. Möge ,The Blacklist / Die Schwarze Liste´ uns stets daran erinnern, dass der Umgang mit Kunst und Künstler*innen ein Gradmesser für die demokratische Verfassung einer Gesellschaft ist.“ Der Stadtrat hatte 2016 beschlossen, im öffentlichen Raum an die nationalsozialistische Bücherverbrennung zu erinnern. Aus dem internationalen Wettbewerb ging der Entwurf Arnold Dreyblatts als Gewinner hervor. Der Titel des Kunstwerks „The Blacklist / Die Schwarze Liste“ bezieht sich auf die „schwarzen Listen“ mit unerwünschter Literatur, die im Frühjahr 1933 von dem Berliner Bibliothekar Wolfgang Herrmann erstellt wurden und an denen sich die Organisatoren der Bücherverbrennungen orientierten. Die Buchtitel auf der Spirale des begehbaren, kreisförmigen Kunstwerks stammen von 310 Autor*innen, die vom NS-Regime und seinen Anhängern geächtet und verfemt wurden. Das Mahnmal regt eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ideologie an und führt zugleich zu einer Beschäftigung mit dem verfemten Kulturgut selbst.

Dr. Mirjam Zadoff: „,The Blacklist / Die Schwarze Liste‘ erinnert an 310 Buchtitel, die in den Jahren vor 1933 in Buchhandlungen, auf Kaffeetischen und Wohnzimmerregalen den diversen und vielstimmigen Charakter der ersten deutschen Demokratie repräsentierten. Frauenrechtler*innen meldeten sich da ebenso zu Wort wie Sozialdemokrat*innen, Kommunist*innen, Anarchist*innen, Sexualwissenschaftler*innen, Pädagog*innen, Romanciers und Romancières – viele von ihnen Jüdinnen und Juden. Diese Vielfalt wurde 1933 gewaltsam aus öffentlichen Sammlungen entfernt, um das Trugbild eines homogenen ,deutschen Volkes‘ entstehen zu lassen, einer Gesellschaft der Diskriminierung und des Ausschlusses. Daran erinnert ,The Blacklist / Die Schwarze Liste‘ von nun an jeden Tag aufs Neue. Es dauerte lange, bis diese Diversität wieder in der deutschen Gesellschaft angekommen war – und ist. Nun gilt es, sie zu schützen und zu stärken, damit Minderheiten in Deutschlandangstfrei ihre Stimme erheben können als Angehörige einer Gesellschaft der Vielfalt.“
Arnold Dreyblatt: „In meiner Arbeit ,The Blacklist / Die Schwarze Liste´ habe ich mich auf eine textuelle Markierung konzentriert, um die aktive Zerstörung von Wissen und Kultur durch eine Rezitation der Spuren einer verlorenen Welt zu beschwören. Ohne Interpunktion präsentiert, bildet dieser fortlaufende Text mit aufschlussreichen 310 Buchtiteln von verbotenen Autoren ein poetisches Fenster zu den politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und literarischen Themen der damaligen Zeit. Diese Textfragmente kollidieren und aktualisierenfür uns heute neue Bedeutungen in einer spiralförmigen Komposition, die auch an die Rauchsäulenin den historischen Abbildungen der Bücherverbrennungen von 1933 erinnert.“

Online-Gespräch mit dem Künstler
Am Montag, 10. Mai, 19, Uhr gibt Arnold Dreyblatt im Gespräch mit Dr. Mirjam Zadoff online auf www.youtube.com/nsdoku Einblick in die Entstehung seines Kunstwerks – von der ersten Idee bis zum fertigen Mahnmal. Außerdem diskutieren beide über die Bedeutung von Erinnerungskunst im öffentlichen Raum und an historischen Orten sowie über aktuelle Prozesse und Diskurse der Erinnerungskultur.

Verwandte Inhalte
Städteporträts
Städteporträts