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08.11.2019, 13:57 Uhr
Stadt München
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Herbert Kapfer erhält Tukan-Preis 2019

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(c) Antje Kunstmann

Der diesjährige Tukan-Preis der Landeshauptstadt München wird an Herbert Kapfer für sein Buch „1919. Fiktion“ vergeben. Der Autor und langjährige Hörspielchef des Bayerischen Rundfunks spiegelt darin in einer Collage in eindrucksvoller Weise das Revolutions- und Wendejahr 1919 wider. Die Vergabe hat der Kulturausschuss des Stadtrats jetzt auf Empfehlung einer Jury beschlossen. Die öffentliche Preisverleihung findet am Dienstag, 17. Dezember, um 19 Uhr im Literaturhaus statt.

Der mit 6.000 Euro dotierte Tukan-Preis zeichnet alljährlich eine sprachlich, formal und inhaltlich herausragende literarische Neuerscheinung aus. In die Auswahl kommen alle belletristischen Veröffentlichungen von Münchner Autorinnen und Autoren. 61 Bücher wurden in diesem Jahr von der Jury besprochen und bewertet.

 

Jurybegründung

Dieses Buch ist ein Kunstwerk – auch wenn der Autor gleich zu Beginn bekennt, kein Wort selbst geschrieben zu haben. Doch Herbert Kapfers Collage „1919. Fiktion“ (Kunstmann) verbindet auf so beeindruckende Weise Stimmen, Bilder, Nachrichten, Romanfragmente aus dem Revolutions- und Wendejahr, dass ein Stück Menschengeschichte lebendig wird. Die Form passt perfekt zum Inhalt, indem sie die Atemlosigkeit und Zerrissenheit jener Zeit spiegelt. Die zerstörten Illusionen, der fehlgeleitete Patriotismus und die Sehnsucht nach Erlösung, die die Weimarer Republik prägten, sie drücken sich in den ganz unterschiedlichen Texten der Zeitzeugen aus.

Kapfer lässt so bekannte Autoren zu Wort kommen wie Oskar Maria Graf oder Ernst Toller, aber auch weniger bekannte wie den feinsinnigen Dadaisten Richard Huelsenbeck, und vergessene wie Joseph Delmont mit seinem phantastischen Kriegsroman über „Die geheime Stadt unter dem Meer“ oder Sophie Hoechstetter mit ihren melodramatischen Schilderungen von aus dem Baltikum geflohenen Deutschen. Der Krieg ist verloren, die Ideologen haben Oberwasser und bekämpfen sich bitterlich. Was fehlt, ist die Kraft zur Versöhnung. Monarchisten und Anarchisten, Soldaten und Bürgertöchter, Gymnasiasten und Arbeiter, Sozialromantiker und Antisemiten, sie alle suchen die Erneuerung Deutschlands. Und es ist alles schon da: die Sehnsucht nach einem starken Mann („Wo bleibt der deutsche Führer?“), der Rassenhass, die Gewaltbereitschaft.

Herbert Kapfer, der langjährige Hörspielchef des Bayerischen Rundfunks, rüttelt seine Leser mit dieser Symphonie aus Stimmen auf. Sie bleibt lange im Ohr.

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Herbert Kapfer, 1954 in Ingolstadt geboren, leitete von 1996 bis 2017 die Abteilung Hörspiel und Medienkunst im Bayerischen Rundfunk. 2017 erschienen die Bücher „Verborgene Chronik 1915 – 1918“ (mit Lisbeth Exner) und die Essaysammlung „sounds like hörspiel“.



Die Jury sprach weitere Buchempfehlungen aus für:

 

Der Jury des Tukan-Preises gehörten in diesem Jahr an: Sabine Abel (Buch in der Au), Knut Cordsen (Bayerischer Rundfunk), Petra Hallmayer (Süddeutsche Zeitung), Prof. Dr. Annette Keck (LMU), Martina Scherf (Süddeutsche Zeitung), Fridolin Schley (Autor) sowie aus dem Stadtrat Kathrin Abele und Klaus Peter Rupp (beide SPD-Fraktion), Beatrix Burkhardt (CSU-Fraktion) und Marian Offman (CSU-Fraktion bis 15.7.19, anschließend SPD-Fraktion) sowie Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen - rosa Liste).