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18.01.2017, 14:15 Uhr
Redaktion
Betriebsgeflüster

Abbas Khider erhält Chamisso-Preis 2017

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(c) Yves Noir

Der Schriftsteller Abbas Khider erhält den mit 15.000 Euro dotierten Adelbert-von-Chamisso-Preis der Robert Bosch Stiftung 2017. Mit diesem Preis wird sein bisheriges Gesamtwerk geehrt. Darin erweise sich Abbas Khider „als sprachsensibler Beobachter der Verzweiflung, Verstörtheit, Wut und Hoffnung junger Männer, die ihre Heimat verlassen müssen und Zuflucht in Europa suchen", so die Begründung der Jury. Die mit je 7.000 Euro dotierten Förderpreise gehen an die Autorin Barbi Marković für ihren witz- und schwungreichen Stadtroman Superheldinnen (Residenz 2016) sowie an den Autor Senthuran Varatharajah für seinen originellen, als Facebook-Dialog aufgebauten Roman Vor der Zunahme der Zeichen (S. Fischer 2016).

Mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ehrt die Robert Bosch Stiftung seit 1985 herausragende auf Deutsch schreibende Autoren, deren Werk von einem Kulturwechsel geprägt ist. Die Preisträger verbindet zudem ein außergewöhnlicher, die deutsche Literatur bereichernder Umgang mit Sprache. 2017 wird der Preis zum 33. und letzten Mal verliehen. 

Die Preisverleihung findet am 9. März in der Allerheiligen-Hofkirche der Münchner Residenz statt. Am 10. März treten die Preisträger im Literaturhaus München auf und lesen aus ihren Werken.

Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad/ Irak geboren. Aus politischen Gründen verfolgt, floh er 1996 aus dem Land. Vier Jahre lang zog er als illegaler Flüchtling durch Jordanien, Libyen und die Türkei. 2000 beantragte er in Deutschland Asyl, studierte in München und Potsdam Philosophie und Literaturwissenschaft. Heute lebt Abbas Khider in Berlin. Er veröffentlichte Gedichte in arabischer und in deutscher Sprache. Für seinen ersten Roman Der falsche Inder (2008) erhielt er 2010 den Chamisso-Förderpreis. Es folgten die Romane Die Orangen des Präsidenten (2011) und Briefe in die Auberginenrepublik (2013). 2016 erschien sein vierter Roman Ohrfeige im Hanser Verlag. Darin zeigt Abbas Khider die Strukturen, in denen sich das Leben der ,Illegalen' organisiert: sogenannte Kulturvereine, Scheinehen, Geldtransfers oder Schwarzarbeit. Im Mittelpunkt stehen die Sehnsüchte und Lebenslügen, die Wut und Verzweiflung junger Männer, die als Asylsuchende nach Deutschland gelangt sind.

Auf drastische, tragische und oft auch komische Weise erzähle er in seinen Werken von den Identitätskrisen und Integrationsschwierigkeiten heutiger Flüchtlinge. „Mit genuin literarischen Mitteln gestaltet Abbas Khider damit eines der wichtigsten und bedrückendsten Probleme unserer Gegenwart", urteilt die Jury.

Barbi Marković wurde 1980 in Belgrad/ Serbien geboren. Sie studierte Germanistik in Belgrad und Wien. In Serbien wurde sie durch den Pop-Roman Ausgehen (2006/ dt. 2009) sowie mit Kurzgeschichten, Theaterstücken und Hörspielen bekannt. Seit 2006 lebt sie in Wien. Für ihren Roman Superheldinnen, den sie teilweise auf Deutsch, teilweise auf Serbisch geschrieben hat, wird Barbi Marković mit dem Chamisso-Förderpreis geehrt. Der Roman erzählt vom oft schrägen Alltag dreier Freundinnen, die keinesfalls auf ihre schmerzlich nachwirkende Vergangenheit als Migrantinnen angesprochen werden möchten und sich mit manchmal zauberischen Kräften in einer neuen Umgebung zu behaupten suchen. „Der skurrile, mit bösem Humor nicht geizende Text besitzt Witz, Ironie, Tempo und Schwung", heißt es in der Begründung der Jury.

Senthuran Varatharajah, Barbi Marković, (c) Yves Noir

Senthuran Varatharajah wurde 1984 in Jaffna/ Sri Lanka geboren, seine Muttersprache ist Tamil. In den achtziger Jahren kam er nach Deutschland, studierte Philosophie, Theologie und Kulturwissenschaft in Marburg, Berlin und London. Mit dem Chamisso-Förderpreis wird Senthuran Varatharajah für seinen Roman Vor der Zunahme der Zeichen geehrt. Darin erzählt er seine Geschichte als fiktionalen Facebook-Dialog - oder modernen Briefroman - zweier Flüchtlinge aus Sri Lanka und dem Kosovo, die inmitten der globalisierten und medial vielfach vernetzten Welt von heute ihre je eigene Art von Identität suchen. „In kühner, hochreflektierter und sehr persönlicher Sprache diskutiert sein Text die großen philosophischen Fragen nach Identität, Wahrheit und Gott", erklärt die Jury.

Die Juroren des Chamisso-Preises 2017 sind: Wolfgang Herles (Literaturkritiker), Michael Krüger (Schriftsteller und Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste), Klaus-Dieter Lehmann (Präsident des Goethe-Instituts), Wiebke Porombka (Literaturkritikerin), Denis Scheck (Literaturkritiker), Insa Wilke (Literaturkritikerin) und Feridun Zaimoglu (Schriftsteller und Chamisso-Preisträger 2005).