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Geb.: 17. 8.1959 in Chicago/Illinois
© Janet Fine/Rowohlt Verlag

Jonathan Franzen

Jonathan Franzen, am 17. August 1959 bei Chicago/Illinois geboren, wächst in Webster Groves in einem Vorort von St- Louis/Missouri im Mittleren Westen der USA auf. Nach dem Abschluss seines Studiums der Germanistik in Swarthmore/Pennsylvania sowie in München und Berlin im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums arbeitet er zwischenzeitlich im Rahmen eines Brotjobs am seismologischen Institut der Harvard University/Massachusetts.

Franzen schreibt Romane und Essays, die in Zeitungen und Zeitschriften erscheinen und im Rahmen von Vorträgen entstehen sowie anschließend gesammelt in Essaysammelbänden veröffentlicht werden. Zudem ist Franzen immer wieder als Übersetzer vom Deutschen ins Englische tätig.

Er zählt zu den aktuell bekanntesten Schriftstellern weltweit. Sein dritter Roman Die Korrekturen aus dem Jahr 2001, mit dem ihm nach zwei von der Kritik gelobten, aber kommerziell eher erfolglosen Romanen der Durchbruch gelingt, wird etwa drei Millionen mal verkauft. Für seine Texte sowie sein Engagement für Umweltschutz und Artenvielfalt, insbesondere bei Vögeln, erhält Franzen zahlreiche Auszeichnungen.

Durch kontroverse Aussagen in Essays und Interviews etwa bezüglich Klimaschutz, negativen Aspekten des Internets sowie Literatur und durch seinen Status als Mainstreambestsellerrautor mit TIME-Magazin-Coverstory, Präsenz in der Zeichentrickserie Die Simpsons und Wertschätzung durch den 44. US-Präsidenten Barack Obama polarisiert und provoziert Jonathan Franzen. Mit der Folge von Shitstorms via Social Media und teilweise negativer Medienberichterstattung.

Jonathan Franzen ist Mitglied der amerikanischen Academy of Arts and Letters, der Berliner Akademie der Künste und des französischen Ordre des Arts et des Lettres. Er lebt in Santa Cruz/Kalifornien.

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Der Debütroman von Jonathan Franzen Die 27ste Stadt (1988, dt. 2005) spielt im Jahr 1984 in St. Louis im Mittleren Westen. In dem Thriller geht es um den Masterplan der neuen indisch-amerikanischen Polizeichefin S. Jammu, ihre kommunistische Weltanschauung per kriminelle Machenschaften und Manipulation durchzusetzen. Fast geht ihr Plan am Ende auf. Die Stadt St. Louis und die Familie des einflussreichen Bauunternehmers Martin Probst, der im Masterplan von S. Jammu als wichtiger Faktor vorgesehen ist, befinden sich im Verfall.

Franzens zweiter Roman Schweres Beben (1992, dt. 2006), spielt in den 1980er-Jahren. Hauptfiguren sind der Student Louis Holland und die Seismologin Renee Seitchek. Es geht um Umweltkriminalität, eine Chemiefirma verursacht durch illegal ins Erdreich eingeleitete Chemikalien Erdbeben. Erschütterungen verursachen auch die schwierigen Familienkonstellationen von Louis und Renee.

Die Korrekturen erscheint im Jahr 2001 um die Terroranschläge des 11. September herum. Franzens dritter und bislang erfolgreichster Roman handelt von der Familie Lambert, von den 1960er-Jahren bis kurz nach der Jahrtausendwende, und von der schwierigen Ehe von Mutter Enid und Vater Alfred, der an Parkinson und Demenz erkrankt ist. Auch die drei Kinder Gary, Chip und Denise stecken in Schwierigkeiten, alle sind zunächst erfolgreich, dann folgen Absturz oder Abstieg. Die Mutter wünscht sich ein letztes Weihnachtsfest mit dem erkrankten Vater im Kreis der Familie, in der Folge stirbt dieser. Für seinen weltweiten Bestseller erhält Franzen den National Book Award 2001.

2002 erscheint der erste Essaysammelband Anleitung zum Alleinsein (dt. 2002, überarb. Neuaufl. 2007). Franzen initiiert die Veröffentlichung, um u.a. seinen vielbesprochenen „Harpers Essay“ über das Schriftstellerdasein aktualisiert zu präsentieren, auf dass dieser nun richtig verstanden werde, wie er im Vorwort schreibt. Des Weiteren finden sich in der Sammlung Essays über die Alzheimer-Erkrankung von Franzens Vater, das Rauchen, die Dysfunktionalität der Post in Chicago, Sexszenen in der Literatur sowie die Demonstration gegen George W. Bush bei dessen Amtseinführung als 43. US-Präsident im Jahr 2001.

Der autobiografische Erzählband Die Unruhezone – eine Geschichte von mir (2006, dt. 2007) beinhaltet sechs Texte Franzens, u.a. über den Hausverkauf nach dem Tod seiner Mutter, seine Begeisterung für Charlie Brown und dessen Schöpfer Charles M. Schulz, Streit in der Ehe seiner Eltern, seine Zeit in einer christlichen Jugendgruppe (als Blaupause zu Franzens sechstem Roman Crossroads, 2021), die „Fremdsprache“ Deutsch – die er lernt in der Schule, im Studium (samt Zugang zu den Klassikern deutschsprachiger Literatur wie Kafkas Proceß, Goethes Lyrik und Thomas Manns Zauberberg) und in München bei einem Auslandsstudienjahr – sowie seine Expedition in Südtexas über Vogelbeobachtung und Umweltschutz, einschließlich Überlegungen zum Ende seiner eigenen Ehe.

2007 erscheint Franzens englische Übersetzung von Frank Wedekinds Dramaklassiker Frühlings Erwachen aus dem Jahr 1891.

Sein vierter Roman Freiheit (2010) spielt Ende der 1970er-Jahre bis zur Wahl Obamas 2008 und dreht sich um Patty, ehemalige Basketballspielerin und Tochter einer Demokraten-Politikerin sowie ihren Mann Walter Berglund, linker Umweltschützer, der aus einer von Alkoholismus überschatteten Familie stammt und zwischenzeitlich per Teufelspakt zum Industrielobbyisten wird. Patty und Walter haben zwei Kinder: Joey, der zu den republikanischen Eltern seiner Jugendliebe zieht, und Jessica, die neben Pattys Liebling, ihrem Bruder Joey, lange unscheinbar bleibt. Die Ehe wird überschattet von der über Jahrzehnte hinschwelenden Ménage-à-trois mit Walters Musikerfreund Richard Katz. Es geht um Freiheit und die Schwierigkeiten, die mit ihr verbunden sein können.

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Im zweiten Essaysammelband Weiter weg (2012, dt. 2013) finden sich Texte von Jonathan Franzen über seine Leidenschaft für Ornithologie und die Bedrohung der Vogelvielfalt durch Jäger und Umweltzerstörung, über seinen verstorbenen Schriftstellerfreund und Rivalen David Foster Wallace (Franzen verstreut im Auftrag von dessen Witwe seine Asche auf der Insel, wo Daniel Dafoe Robinson Crusoe geschrieben haben soll), über autobiografisches Schreiben, moderne Kommunikationstechnologien und Empfehlungen von Autor*innen wie Alice Munro und Paula Fox.

Mithilfe zweier Mitstreiter, seinem Freund und Schriftstellerkollegen Daniel Kehlmann und dem Karl-Kraus-Experten Paul Reitter, veröffentlicht Franzen u.d.T. Das Kraus Projekt (2013, dt. 2014), eine Hommage an sein frühes Vorbild Karl Kraus, in der er zwei Aufsätze aus dessen Werk, „Heine und die Folgen“ sowie „Nestroy und die Nachwelt“, übersetzt, in Fußnoten kommentiert und dabei auch sein eigenes Leben und Wirken reflektiert. Neben seiner Studienzeit in Berlin behandelt Franzen in Analogie zu Kraus' Kritik an den damaligen Massenmedien seine eigene Skepsis gegenüber dem Internet, den Techkonzernen und Social Media.

Franzens fünfter, 2015 erscheinender Roman Unschuld, der in den 2010er-Jahren und zu Zeiten der DDR sowie in den USA und Südamerika spielt, dreht sich um drei Hauptfiguren. Pip, eine junge amerikanische Studienabsolventin, ist auf der Suche nach ihrem Weg und ihrem Vater, den sie nie kennengelernt hat; ihre Mutter, die Milliardenerbin Anabel, verschweigt ihr dies über viele Jahre. Der Julian Assange ähnliche Aufklärungsguru Andreas Wolf ist ein Ostdeutscher, der aus einer schwierigen aber privilegierten DDR-Familie stammt. Der amerikanische Journalist Tom Aberant ist Pips Vater, was aber erst am Ende des Romans herauskommt. Er ist Mitwisser eines Mordes seitens Andreas Wolf zu DDR-Zeiten. Es geht um Schuld in verschiedenen Ausprägungen und die DDR, die Franzen mit dem Internet in Verbindung bringt.

Im gleichen Jahr wird Franzen für sein Engagement für den Schutz von Wildvögeln mit dem EuroNatur-Preis ausgezeichnet.

Jonathan Franzen veröffentlicht seine dritte Essaysammlung Das Ende vom Ende der Welt (2018, dt. 2019) mit Aufsätzen zum Essay-Schreiben, Kritik am 45. Präsidenten der USA, Donald Trump, sowie zu Stammthemen Franzens, wie Literaturempfehlungen, Schriftstellerdasein, Skepsis gegenüber Internet und neuen Technologien und Techkonzernen, Vogelbeobachtung, Umweltschutz vs. Klimaschutz. In der Titelgeschichte schreibt Franzen über eine Kreuzfahrt zum Nordpol mit einem seiner beiden Brüder und gedenkt seines verstorbenen Onkels, mit dessen überraschendem Erbe er die Kreuzfahrt finanziert. In einem weiteren Essay Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? (2019, dt. 2020) ruft Franzen dazu auf, sich einzugestehen, dass der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist. Stattdessen plädiert er dafür, das Machbare in die Wege zu leiten zum Schutz der Umwelt und zur Stärkung der Demokratie, um die unausweichlichen drastischen Folgen des Klimawandels etwas kompensieren zu können. Da es Optionen gibt, macht Franzen Hoffnung.

Im sechsten Roman Franzens Crossroads (2021) lebt Pastor Russ Hildebrandt mit seiner Frau Marion sowie drei seiner vier Kinder Becky, Perry, Judson im fiktiven Vorort von Chicago, New Prospect. Der älteste Sohn Clem studiert bereits. Die gesellschaftlichen Umbrüche Anfang der 1970er-Jahre korrespondieren mit Verfall und Umbruch in der Familie, etwa durch „Fliehkräfte“ in der Ehe, nicht zuletzt ausgelöst durch die junge Witwe Mrs. Frances Cottrell. Außerdem wird Russ vom charismatischen jüngeren Pastor Rick Ambrose in der Jugendgruppe „Crossroads“ der Rang abgelaufen. Am Ende des Romans wird deutlich, dass die Geschichte noch nicht auserzählt ist, sondern in zwei weiteren Romanen innerhalb einer Trilogie erzählt werden wird.

Seinen Verlag hierzulande wechselt Franzen im Jahr 2022, von Rowohlt beim Hamburg, wo alle Bücher Franzens bis 2021 erscheinen, zu dtv in München. 2022 wird er auch mit dem Thomas-Mann-Preis geehrt.

Franzens englische Übersetzung von Thomas Brussigs 1999 publiziertem Roman Am kürzeren Ende der Sonnenallee (zus. mit Jenny Watson) erscheint 2023. Im Zuge der Übersetzung wird der Roman beim btb-Verlag in einer Neuauflage präsentiert.

Verfasst von: Thomas Steierer / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

Weinstein, Philipp (2015): Jonathan Franzen. The Comedy of rage. Bloomsbury. 


Externe Links:

Homepage des Autors

Literatur von Jonathan Franzen im BVB

Literatur über Jonathan Franzen im BVB

Jonathan Franzen im Rowohlt Verlag

Jonathan Franzen im dtv Verlag

Podcast Mr. Difficult über Jonathan Franzen und seine Werke

Jonathan Franzen in der Wikipedia