Kaspar Kuhn
Im 19. Jahrhundert wirkt der Benediktinerpater Kaspar Kuhn als Seelsorger, Lehrer, produktiver Schriftsteller und Naturwissenschaftler in Augsburg und Ottobeuren. Er stammt aus dem kleinen württembergischen Ort Rohrbach bei Wurzach, wo er als Joseph Kuhn geboren wird. Der Vater Franz Xaver, ein strenger Mann, ist Seiler von Beruf und gibt seine Liebe zur Literatur an den Sohn weiter. Die Mutter Katharina, eine liebevolle Frau und gläubige Christin, ist bei seiner Geburt bereits im 40. Lebensjahr. Kuhns zwei Jahre später geborener Bruder Karl wird nur drei Monate alt. Das Elternhaus ist ärmlich, Kindheit und Jugend sind hart. Sein schmächtiger Körperbau, der vor allem der einseitigen Ernährung zuzuschreiben ist, und sein sensibles Wesen setzen ihn den Grobheiten und Hänseleien seiner Schulkameraden aus. Der Titel seiner 1895 erschienenen Autobiographie Durch Kampf zum Sieg ist bezeichnend.
Joseph Kuhn ist ein guter und wissbegieriger Schüler, aber für den Besuch einer weiterführenden Schule reichen die Mittel der Familie nicht, obwohl es die tüchtigen Eltern mit einer Spezereiwarenhandlung, Bäckerei und Bierwirtschaft nach und nach zu bescheidenem Wohlstand bringen. Nach der achtjährigen Schulzeit betätigt sich Kuhn zunächst als Kunstmaler und restauriert mit 21 Jahren die Dorfkapelle von Rohrbach. Immer stärker kommt sein Wunsch auf, in ein Kloster einzutreten. Er erreicht nach zwei Jahren Privatstudium im Oktober 1842 die Aufnahme an das Gymnasium St. Stephan in Augsburg, seine Eltern folgen ihrem einzigen Sohn und ziehen 1843 nach Augsburg. Kuhn macht schließlich 1848 das Abitur und bittet noch im selben Jahr in St. Stephan um Aufnahme in den Benediktinerorden. Zum Noviziat wird er zunächst nach Ottobeuren geschickt. Am 6. Januar 1851 legt er die Gelübde ab und nimmt den Ordensnamen Kaspar an.
Während des folgenden Theologiestudiums in München beginnt er, sich für Pflanzenkunde zu interessieren, fast täglich besucht er den Botanischen Garten. 1853 wird er zum Priester geweiht und noch im gleichen Jahr als Bibliothekar der Benediktinerstifts St. Stephan nach Augsburg berufen, wo sich seine Liebe zur Literatur weiter entfalten kann. Dieses Schaffen, von dem er sagt „ich hätte mir für das ganze Leben keine andere Stellung gewünscht“, dauert nur wenige Monate. Dann muss Kuhn für einen erkrankten Lehrer einspringen und es beginnt eine 17-jährige Tätigkeit in Augsburg als Professor für Latein, Religion, Deutsch und Geographie, später noch für Spanisch. Nebenbei betreibt Kuhn ausgedehnte botanische und entomologische Studien. Um seinen Schülern ein Bestimmungsbuch zu geben, schreibt er Die Käfer des südbayerischen Flachlandes, analytisch beschrieben (1858). Der Druck des Buchs erfolgt unter persönlichen Opfern. Kuhn weitet sein naturwissenschaftliches Interesse auf Schmetterlinge und Fliegen aus. Von 1871 bis 1876 trägt er etwa 1100 Insektenarten zusammen; sein persönliches Herbarium weist mehrere hundert Pflanzen, Flechten und Moose auf. Kuhn widmet sich zudem der Wetterbeobachtung und konstruiert neue Messgeräte.
1870 wird Pater Kaspar Kuhn an das Kloster Ottobeuren versetzt, um sich der Seelsorge zu widmen mit 51 Jahren hält er seine erste Predigt. Besonders belastend wird für ihn die Seelsorge der kranken und sterbenden französischen Kriegsgefangenen, die ab 1871 in den ehemaligen Ökonomiegebäuden des Klosters untergebracht sind; Krankheiten wie Typhus, Pocken und Cholera grassieren im Lager. Kuhn setzt seine naturwissenschaftlichen Studien fort und erforscht die Pflanzenwelt um Ottobeuren, woraus u.a. Flora von Ottobeuren (1875), das (ungedruckte) dreibändige Werk Naturgeschichte von Ottobeuren sowie die Abhandlungen Eine Naturlegende und Analytische Beschreibung der Fliegen um Ottobeuren hervorgehen. 1881 gründet er mit Pater Magnus Bernhard das Klostermuseum Ottobeuren; Kuhn betreut die umfangreiche Naturalienabteilung.
Pater Kaspar Kuhn hinterlässt – neben seiner Fachliteratur – ein umfangreiches literarisches Werk. Er gründet 1873 in Ottobeuren einen Theaterverein, für den er mehrere Theaterstücke (oft mit Musik und Gesang) verfasst, darunter historische und historisierende Stücke (Silach oder die Stiftung des Klosters Ottobeuren, 1877; Der hl. Alexander und die Seinigen, 1877) und Lustspiele (Nichts als Hindernisse, 1897; Lustig und listig, 1880). Er verfasst Novellen (Pater Jeremias. Ein Zeitgemälde aus dem Schwedenkriege, 1879, über das Leben des Pater Jeremias Mayr, der für das Kloster Ottobeuren im Dreißigjährigen Krieg eine zentrale Rolle spielt), Erzählungen (z.B. das stark autobiographisch geprägte Buch Die Zigeunerhütte am Rohrsee, oder die zwei Freunde, Augsburg, 1878), geistliche Werke (Sechzehn Gebetsstationen oder Besuch der Altäre in der Kirche zu Ottobeuren, 1884), dramatische Gedichte (Otto von Wittelsbach, 1880), Jugendbücher (Von Augsburg nach Lima, oder des Lebens wechselvolles Spiel, 1879; Abendunterhaltungen für die Jugend, 1894) und 400 Rätsel für jung und alt, 1890. Er schreibt eine Katholische Literatur-Chronik, von der 1866 jedoch nur der 1. Teil (Schriftsteller bis zum Jahr 1020) gedruckt wird. Pater Kaspar Kuhn ist zudem Mitarbeiter in Hermann Konebergs Kinderbibliothek. Sein umfangreiches Literaturverzeichnis findet sich im Anhang zur Autobiographie Durch Kampf zum Sieg. Aus meinem Leben (1895, 173-174).
2014 wird anlässlich der 1250-Jahr-Feier des Klosters Ottobeuren sein Theaterstück über den Klostergründer Silach oder die Stiftung des Klosters Ottobeuren aus dem Jahr 1875 in der Neufassung Silach durch das Pfadfindertheater Ottobeuren dargeboten, der Klosterhof wird zum Freilichttheater. Einen guten Einblick in Kaspar Kuhns Leben und Wirken in Ottobeuren liefert das virtuelle Museum Ottobeuren macht Geschichte. Mittlerweile liegen viele seiner Schriften in digitaler Form vor.
Sekundärliteratur:
Mader, Ernst T. (1994): Literarische Landschaft bayerisches Allgäu, S. 79, S. 125, Fußn. 3166.
Pörnbacher, Hans (2002): Schwäbische Literaturgeschichte. Weißenhorn, S. 245.
Scherer, Gerhard: P. Caspar Kuhn (1906). Ein Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts. In: Ottobeuren 764-1964. Beiträge zur Geschichte der Abtei, S. 172-176. URL: https://www.bavarikon.de/object/bav:UBR-BOS-0000P472XTB00005?view=meta&lang=de, (18.11.2024).
Mehrere Seiten im Virtuellen Museum Ottobeuren. URL: https://www.ottobeuren-macht-geschichte.de/, (18.11.2024).
Externe Links:
Im 19. Jahrhundert wirkt der Benediktinerpater Kaspar Kuhn als Seelsorger, Lehrer, produktiver Schriftsteller und Naturwissenschaftler in Augsburg und Ottobeuren. Er stammt aus dem kleinen württembergischen Ort Rohrbach bei Wurzach, wo er als Joseph Kuhn geboren wird. Der Vater Franz Xaver, ein strenger Mann, ist Seiler von Beruf und gibt seine Liebe zur Literatur an den Sohn weiter. Die Mutter Katharina, eine liebevolle Frau und gläubige Christin, ist bei seiner Geburt bereits im 40. Lebensjahr. Kuhns zwei Jahre später geborener Bruder Karl wird nur drei Monate alt. Das Elternhaus ist ärmlich, Kindheit und Jugend sind hart. Sein schmächtiger Körperbau, der vor allem der einseitigen Ernährung zuzuschreiben ist, und sein sensibles Wesen setzen ihn den Grobheiten und Hänseleien seiner Schulkameraden aus. Der Titel seiner 1895 erschienenen Autobiographie Durch Kampf zum Sieg ist bezeichnend.
Joseph Kuhn ist ein guter und wissbegieriger Schüler, aber für den Besuch einer weiterführenden Schule reichen die Mittel der Familie nicht, obwohl es die tüchtigen Eltern mit einer Spezereiwarenhandlung, Bäckerei und Bierwirtschaft nach und nach zu bescheidenem Wohlstand bringen. Nach der achtjährigen Schulzeit betätigt sich Kuhn zunächst als Kunstmaler und restauriert mit 21 Jahren die Dorfkapelle von Rohrbach. Immer stärker kommt sein Wunsch auf, in ein Kloster einzutreten. Er erreicht nach zwei Jahren Privatstudium im Oktober 1842 die Aufnahme an das Gymnasium St. Stephan in Augsburg, seine Eltern folgen ihrem einzigen Sohn und ziehen 1843 nach Augsburg. Kuhn macht schließlich 1848 das Abitur und bittet noch im selben Jahr in St. Stephan um Aufnahme in den Benediktinerorden. Zum Noviziat wird er zunächst nach Ottobeuren geschickt. Am 6. Januar 1851 legt er die Gelübde ab und nimmt den Ordensnamen Kaspar an.
Während des folgenden Theologiestudiums in München beginnt er, sich für Pflanzenkunde zu interessieren, fast täglich besucht er den Botanischen Garten. 1853 wird er zum Priester geweiht und noch im gleichen Jahr als Bibliothekar der Benediktinerstifts St. Stephan nach Augsburg berufen, wo sich seine Liebe zur Literatur weiter entfalten kann. Dieses Schaffen, von dem er sagt „ich hätte mir für das ganze Leben keine andere Stellung gewünscht“, dauert nur wenige Monate. Dann muss Kuhn für einen erkrankten Lehrer einspringen und es beginnt eine 17-jährige Tätigkeit in Augsburg als Professor für Latein, Religion, Deutsch und Geographie, später noch für Spanisch. Nebenbei betreibt Kuhn ausgedehnte botanische und entomologische Studien. Um seinen Schülern ein Bestimmungsbuch zu geben, schreibt er Die Käfer des südbayerischen Flachlandes, analytisch beschrieben (1858). Der Druck des Buchs erfolgt unter persönlichen Opfern. Kuhn weitet sein naturwissenschaftliches Interesse auf Schmetterlinge und Fliegen aus. Von 1871 bis 1876 trägt er etwa 1100 Insektenarten zusammen; sein persönliches Herbarium weist mehrere hundert Pflanzen, Flechten und Moose auf. Kuhn widmet sich zudem der Wetterbeobachtung und konstruiert neue Messgeräte.
1870 wird Pater Kaspar Kuhn an das Kloster Ottobeuren versetzt, um sich der Seelsorge zu widmen mit 51 Jahren hält er seine erste Predigt. Besonders belastend wird für ihn die Seelsorge der kranken und sterbenden französischen Kriegsgefangenen, die ab 1871 in den ehemaligen Ökonomiegebäuden des Klosters untergebracht sind; Krankheiten wie Typhus, Pocken und Cholera grassieren im Lager. Kuhn setzt seine naturwissenschaftlichen Studien fort und erforscht die Pflanzenwelt um Ottobeuren, woraus u.a. Flora von Ottobeuren (1875), das (ungedruckte) dreibändige Werk Naturgeschichte von Ottobeuren sowie die Abhandlungen Eine Naturlegende und Analytische Beschreibung der Fliegen um Ottobeuren hervorgehen. 1881 gründet er mit Pater Magnus Bernhard das Klostermuseum Ottobeuren; Kuhn betreut die umfangreiche Naturalienabteilung.
Pater Kaspar Kuhn hinterlässt – neben seiner Fachliteratur – ein umfangreiches literarisches Werk. Er gründet 1873 in Ottobeuren einen Theaterverein, für den er mehrere Theaterstücke (oft mit Musik und Gesang) verfasst, darunter historische und historisierende Stücke (Silach oder die Stiftung des Klosters Ottobeuren, 1877; Der hl. Alexander und die Seinigen, 1877) und Lustspiele (Nichts als Hindernisse, 1897; Lustig und listig, 1880). Er verfasst Novellen (Pater Jeremias. Ein Zeitgemälde aus dem Schwedenkriege, 1879, über das Leben des Pater Jeremias Mayr, der für das Kloster Ottobeuren im Dreißigjährigen Krieg eine zentrale Rolle spielt), Erzählungen (z.B. das stark autobiographisch geprägte Buch Die Zigeunerhütte am Rohrsee, oder die zwei Freunde, Augsburg, 1878), geistliche Werke (Sechzehn Gebetsstationen oder Besuch der Altäre in der Kirche zu Ottobeuren, 1884), dramatische Gedichte (Otto von Wittelsbach, 1880), Jugendbücher (Von Augsburg nach Lima, oder des Lebens wechselvolles Spiel, 1879; Abendunterhaltungen für die Jugend, 1894) und 400 Rätsel für jung und alt, 1890. Er schreibt eine Katholische Literatur-Chronik, von der 1866 jedoch nur der 1. Teil (Schriftsteller bis zum Jahr 1020) gedruckt wird. Pater Kaspar Kuhn ist zudem Mitarbeiter in Hermann Konebergs Kinderbibliothek. Sein umfangreiches Literaturverzeichnis findet sich im Anhang zur Autobiographie Durch Kampf zum Sieg. Aus meinem Leben (1895, 173-174).
2014 wird anlässlich der 1250-Jahr-Feier des Klosters Ottobeuren sein Theaterstück über den Klostergründer Silach oder die Stiftung des Klosters Ottobeuren aus dem Jahr 1875 in der Neufassung Silach durch das Pfadfindertheater Ottobeuren dargeboten, der Klosterhof wird zum Freilichttheater. Einen guten Einblick in Kaspar Kuhns Leben und Wirken in Ottobeuren liefert das virtuelle Museum Ottobeuren macht Geschichte. Mittlerweile liegen viele seiner Schriften in digitaler Form vor.
Mader, Ernst T. (1994): Literarische Landschaft bayerisches Allgäu, S. 79, S. 125, Fußn. 3166.
Pörnbacher, Hans (2002): Schwäbische Literaturgeschichte. Weißenhorn, S. 245.
Scherer, Gerhard: P. Caspar Kuhn (1906). Ein Naturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts. In: Ottobeuren 764-1964. Beiträge zur Geschichte der Abtei, S. 172-176. URL: https://www.bavarikon.de/object/bav:UBR-BOS-0000P472XTB00005?view=meta&lang=de, (18.11.2024).
Mehrere Seiten im Virtuellen Museum Ottobeuren. URL: https://www.ottobeuren-macht-geschichte.de/, (18.11.2024).