Johann Albert Poyssl
Der bayerische Barockdichter und Augustinerchorherr Johann Albert Poyssl wird am 5. September 1622 im Landkreis Cham geboren. Sein Geburtsort ist nicht sicher. Totenrotel und Matrikel geben das abgegangene Schloss Albershof bei Atzenzell, Lkr. Cham, an. Poyssl erwähnt aber auch einmal Loifling, den Stammsitz seiner Familie.
Er entstammt einem alten Adelsgeschlecht. Sein Vater Johann Carl Poyssl von Loifling dient als kurfürstlicher Truchsess. Als dieser 1634 in der Schlacht bei Nördlingen fällt, schickt man den Jungen im gleichen Jahr nach Baumburg in die Klosterschule, um ihn vor dem Wüten des Dreißigjährigen Krieges zu bewahren. Baumburg ist als Stiftsschule beim Adel sehr beliebt. Das weitläufige Augustinerchorherren-Kloster liegt nördlich vom Chiemsee auf einer Erhebung zwischen den Flüssen Alz und Traun.
Kloster Baumburg, Kupferstich von Johann Ulrich Kraus aus dem Churbaierischen Atlas des Anton Wilhelm Ertl, 1687
1639 wechselt Poyssl nach Salzburg an das dortige Gymnasium. 1641 beendet er seine Schulzeit und tritt in das Kloster Baumburg ein. 1646 wird er zum Priester geweiht. Seine guten Leistungen prädestinieren ihn für eine Stelle als Seminarpräfekt. Nach einem Wechsel des Klosterpropstes gibt es jedoch Differenzen. Poyssl stößt sich u.a. an den lockeren Sitten, die im Kloster zwischen Mönchen und Mägden eingerissen sind: ... clandestina colloquia, contactus iocose, favores speciales... Dem Bruder Urban sei der „Dirnen Schlafkammer nächtlicher Weil“ viel angelegener „als sein Cellam im Convent zu besuchen“.
Poyssl verlässt schließlich Baumburg 1650 und reist angeblich sogar bis nach Italien, um direkt bei der römischen Kurie vorstellig zu werden; nach Rom kommt er aber sicher nicht. In den Folgejahren soll der umtriebige Augustinerchorherr an verschiedenen Orten in Bayern und Österreich seelsorgerisch tätig gewesen sein. 1656/57 wird er Kooperator (Hilfspriester) in den Baumburger Klosterpfarreien in Niederösterreich (Sitzendorf und Sieghartskirchen). 1666 ist er erneut Seminarpräfekt in Baumburg.
Er war wohl ein feuriger Prediger. Das bezeugt die sogenannte Totenrotel – ein Nachruf auf Poyssl, wie ihn die Klöster damals über ihre verstorbenen Ordensmitglieder versandten. Dort wird mit barocker Überschwänglichkeit sein Predigertalent gerühmt. Als „eifriger Arbeiter im Weinberg des Herrn“ habe er „die Seelen und Herzen aller mit bewundernswerter Zauberkraft in seinen Bann gezogen“. Leider ist keine seiner Predigten überliefert.
Der Zeitpunkt seiner Rückkehr ist unklar, die Zeit in Poing, Lkr. Traunstein, lässt sich jedoch auf die Jahre 1681 bis 1687 datieren. Auf der kleinen Alzinsel, etwas südlich von Kloster Baumburg gelegen, lebt er in einem ehemaligen Edelsitz, einst Eigentum der Herren von Truchtlaching und nun zum Kloster gehörig. Poyssl wird Pfarrvikar von Truchtlaching, Poing ist der Wohnsitz der Vikare.
Auf der Insel ist heute nichts mehr von dem Gebäude zu sehen, doch die zugehörige Vorburg am Alzufer in Poing ist noch erhalten. Angemerkt sei, dass fast 300 Jahre später der Arzt und Schriftsteller Friedrich Reck-Malleczewen das Anwesen erwirbt und dort bis zu seiner Denunziation vor den Nationalsozialisten abtaucht.
Poyssl hat vermutlich auf der einsamen Alzinsel und somit erst in fortgeschrittenem Alter die meisten seiner Gedichte verfasst. Zumindest legt dies ein von 1680 bis 1690 datiertes Inhaltsverzeichnis nahe. Zwei handschriftlich von Poyssl verfasste Bände sind in der Bayerischen Staatsbibliothek erhalten. Bislang sind nur einzelne der sprachgewaltigen Gedichte dieses altbairischen Barockdichters publiziert.
In den vielstrophigen Gedichten kristallisieren sich drei Themenschwerpunkte heraus. Obwohl Poyssl auch einige geistliche Texte in Latein abgefasst hat, widmet er sich durchweg weltlichen Themen.
Er ist vor allem sozial und politisch engagiert. Die Ausbeutung des Bauernstandes durch den Adel prangert er in bitteren Versen an. Als Patriot wettert er gegen Türken und Franzosen, die in die kaiserlichen Erblande eingefallen sind. Wie auch anderen Barockdichtern eignet ihm zudem ein ausgeprägtes Sprachbewusstsein. Als Sprachpurist kritisiert er die „Verwelschung“ der deutschen Sprache und den damit verbundenen Identitätsverlust. Er wettert gegen die „Wortfretter“ und deren modischen Fremdwortgebrauch.
Verdörbte Sprach lautet der Titel eines Gedichts von 1684. Es beschwört den Einklang von Mund und Herz, das authentische Sprechen, im Gegensatz zur Beliebigkeit einer „getrexleten“ Wortakrobatik:
Wenig fündt man altes mehr,
So noch halt sein Nahmen,
Welchen es gehabt, vorher,
ehe Wortfretter kamen.
Mundt und Herz, seint fast ausgwexlet,
Wort und Werck, schön rund getrexlet,
Dass man sie wendten kann,
Wohin man ziel und spann.
Ledereinband des Codex Cmg 1055,1, Bayerische Staatsbibliothek; darin enthaltenes Gedicht „Verdörbte Sprach“ (Foto: Birgit Ziegler-Stryczek)
Die melancholische Gundstimmung der barocken Dichtung und ihre typischen Motive – Vanitas, Carpe diem und Memento mori – durchziehen auch das Werk dieses altbairischen Dichters. In exzessiven, kunstvollen Sprachbildern variiert er das Motiv des Carpe diem – genieße den Tag.
Laßt uns dann eins fröhlich sein,
Helft zusammen insgemein,
Laßt uns ranzen, laßt uns tanzen,
Singen, springen, hupfen, rupfen,
Nur nit sparen, alls erfahren
S’Gütl durch die Gurgel jagen,
Alß sich lassen ein Stundt plagen
Von der Spott-Melancholei
Die von uns viel tausendt Meil
Jederzeit entfernet sey!
Poyssl, der Meister der barocken Häufungen und Amplifikationen, die er in seinen langen Gedichten originell und variantenreich sprudeln lässt, kennt aber auch leise und philosophische Töne. Die Nichtigkeit des Daseins – die Vanitas – und das Erinnern an die Vergänglichkeit – Memento mori – verdichten sich in folgender Strophe aus dem Gedicht Grülle:
Eine Grülle mich vexieret,
Daß mich so nichts contentieret
Auf der grossen Erdenpünn.
Alles eytel, vnbestendig,
Morgen todt, was heunt lebendig,
Allß entfliechet vnserm Sünn.
Poyssl verfasst aber nicht nur Gedichte, sondern auch eine Klosterchronik (heute Stadtarchiv München, Slg. des Historischen Vereins von Oberbayern, Cim 124).
Sekundärliteratur:
Bolte, J. (1909): Drei Gedichte von Johann Albert Poyssl. In: Sonderabdruck aus dem Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 122, H. 3/4.
Ditfurth, Franz Wilhelm von (Hg.) (1872): Deutsche Volks- und Gesellschaftslieder des 17. und 18. Jahrhunderts. Beck, Nördlingen.
Düll, Sigrid (1997): Johann Albert Poyssl (1622-1692). In: Steiner Burgbrief 14, S. 34-57.
Sepp, Florian (2007): Schule, Studium, Bibliothek und Wissenschaft in Baumburg. In: Brugger, Walter (Hg.): Baumburg an der Alz. Regensburg, S. 351-370, hier S. 361f.
Spengler, Karl (1962): „Was dich nit prennt, nit plase...“. Der Barockdichter Albert Poißl von Truchtlaching. In: Der Heimatspiegel 2.
Westermayer, Georg: Poißl, Johann Albert. In: Allgemeine Deutsche Biographie 26 (1888), S. 376; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd120689022.html#adbcontent, (24.11.2021).
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Der bayerische Barockdichter und Augustinerchorherr Johann Albert Poyssl wird am 5. September 1622 im Landkreis Cham geboren. Sein Geburtsort ist nicht sicher. Totenrotel und Matrikel geben das abgegangene Schloss Albershof bei Atzenzell, Lkr. Cham, an. Poyssl erwähnt aber auch einmal Loifling, den Stammsitz seiner Familie.
Er entstammt einem alten Adelsgeschlecht. Sein Vater Johann Carl Poyssl von Loifling dient als kurfürstlicher Truchsess. Als dieser 1634 in der Schlacht bei Nördlingen fällt, schickt man den Jungen im gleichen Jahr nach Baumburg in die Klosterschule, um ihn vor dem Wüten des Dreißigjährigen Krieges zu bewahren. Baumburg ist als Stiftsschule beim Adel sehr beliebt. Das weitläufige Augustinerchorherren-Kloster liegt nördlich vom Chiemsee auf einer Erhebung zwischen den Flüssen Alz und Traun.
Kloster Baumburg, Kupferstich von Johann Ulrich Kraus aus dem Churbaierischen Atlas des Anton Wilhelm Ertl, 1687
1639 wechselt Poyssl nach Salzburg an das dortige Gymnasium. 1641 beendet er seine Schulzeit und tritt in das Kloster Baumburg ein. 1646 wird er zum Priester geweiht. Seine guten Leistungen prädestinieren ihn für eine Stelle als Seminarpräfekt. Nach einem Wechsel des Klosterpropstes gibt es jedoch Differenzen. Poyssl stößt sich u.a. an den lockeren Sitten, die im Kloster zwischen Mönchen und Mägden eingerissen sind: ... clandestina colloquia, contactus iocose, favores speciales... Dem Bruder Urban sei der „Dirnen Schlafkammer nächtlicher Weil“ viel angelegener „als sein Cellam im Convent zu besuchen“.
Poyssl verlässt schließlich Baumburg 1650 und reist angeblich sogar bis nach Italien, um direkt bei der römischen Kurie vorstellig zu werden; nach Rom kommt er aber sicher nicht. In den Folgejahren soll der umtriebige Augustinerchorherr an verschiedenen Orten in Bayern und Österreich seelsorgerisch tätig gewesen sein. 1656/57 wird er Kooperator (Hilfspriester) in den Baumburger Klosterpfarreien in Niederösterreich (Sitzendorf und Sieghartskirchen). 1666 ist er erneut Seminarpräfekt in Baumburg.
Er war wohl ein feuriger Prediger. Das bezeugt die sogenannte Totenrotel – ein Nachruf auf Poyssl, wie ihn die Klöster damals über ihre verstorbenen Ordensmitglieder versandten. Dort wird mit barocker Überschwänglichkeit sein Predigertalent gerühmt. Als „eifriger Arbeiter im Weinberg des Herrn“ habe er „die Seelen und Herzen aller mit bewundernswerter Zauberkraft in seinen Bann gezogen“. Leider ist keine seiner Predigten überliefert.
Der Zeitpunkt seiner Rückkehr ist unklar, die Zeit in Poing, Lkr. Traunstein, lässt sich jedoch auf die Jahre 1681 bis 1687 datieren. Auf der kleinen Alzinsel, etwas südlich von Kloster Baumburg gelegen, lebt er in einem ehemaligen Edelsitz, einst Eigentum der Herren von Truchtlaching und nun zum Kloster gehörig. Poyssl wird Pfarrvikar von Truchtlaching, Poing ist der Wohnsitz der Vikare.
Auf der Insel ist heute nichts mehr von dem Gebäude zu sehen, doch die zugehörige Vorburg am Alzufer in Poing ist noch erhalten. Angemerkt sei, dass fast 300 Jahre später der Arzt und Schriftsteller Friedrich Reck-Malleczewen das Anwesen erwirbt und dort bis zu seiner Denunziation vor den Nationalsozialisten abtaucht.
Poyssl hat vermutlich auf der einsamen Alzinsel und somit erst in fortgeschrittenem Alter die meisten seiner Gedichte verfasst. Zumindest legt dies ein von 1680 bis 1690 datiertes Inhaltsverzeichnis nahe. Zwei handschriftlich von Poyssl verfasste Bände sind in der Bayerischen Staatsbibliothek erhalten. Bislang sind nur einzelne der sprachgewaltigen Gedichte dieses altbairischen Barockdichters publiziert.
In den vielstrophigen Gedichten kristallisieren sich drei Themenschwerpunkte heraus. Obwohl Poyssl auch einige geistliche Texte in Latein abgefasst hat, widmet er sich durchweg weltlichen Themen.
Er ist vor allem sozial und politisch engagiert. Die Ausbeutung des Bauernstandes durch den Adel prangert er in bitteren Versen an. Als Patriot wettert er gegen Türken und Franzosen, die in die kaiserlichen Erblande eingefallen sind. Wie auch anderen Barockdichtern eignet ihm zudem ein ausgeprägtes Sprachbewusstsein. Als Sprachpurist kritisiert er die „Verwelschung“ der deutschen Sprache und den damit verbundenen Identitätsverlust. Er wettert gegen die „Wortfretter“ und deren modischen Fremdwortgebrauch.
Verdörbte Sprach lautet der Titel eines Gedichts von 1684. Es beschwört den Einklang von Mund und Herz, das authentische Sprechen, im Gegensatz zur Beliebigkeit einer „getrexleten“ Wortakrobatik:
Wenig fündt man altes mehr,
So noch halt sein Nahmen,
Welchen es gehabt, vorher,
ehe Wortfretter kamen.
Mundt und Herz, seint fast ausgwexlet,
Wort und Werck, schön rund getrexlet,
Dass man sie wendten kann,
Wohin man ziel und spann.
Ledereinband des Codex Cmg 1055,1, Bayerische Staatsbibliothek; darin enthaltenes Gedicht „Verdörbte Sprach“ (Foto: Birgit Ziegler-Stryczek)
Die melancholische Gundstimmung der barocken Dichtung und ihre typischen Motive – Vanitas, Carpe diem und Memento mori – durchziehen auch das Werk dieses altbairischen Dichters. In exzessiven, kunstvollen Sprachbildern variiert er das Motiv des Carpe diem – genieße den Tag.
Laßt uns dann eins fröhlich sein,
Helft zusammen insgemein,
Laßt uns ranzen, laßt uns tanzen,
Singen, springen, hupfen, rupfen,
Nur nit sparen, alls erfahren
S’Gütl durch die Gurgel jagen,
Alß sich lassen ein Stundt plagen
Von der Spott-Melancholei
Die von uns viel tausendt Meil
Jederzeit entfernet sey!
Poyssl, der Meister der barocken Häufungen und Amplifikationen, die er in seinen langen Gedichten originell und variantenreich sprudeln lässt, kennt aber auch leise und philosophische Töne. Die Nichtigkeit des Daseins – die Vanitas – und das Erinnern an die Vergänglichkeit – Memento mori – verdichten sich in folgender Strophe aus dem Gedicht Grülle:
Eine Grülle mich vexieret,
Daß mich so nichts contentieret
Auf der grossen Erdenpünn.
Alles eytel, vnbestendig,
Morgen todt, was heunt lebendig,
Allß entfliechet vnserm Sünn.
Poyssl verfasst aber nicht nur Gedichte, sondern auch eine Klosterchronik (heute Stadtarchiv München, Slg. des Historischen Vereins von Oberbayern, Cim 124).
Bolte, J. (1909): Drei Gedichte von Johann Albert Poyssl. In: Sonderabdruck aus dem Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 122, H. 3/4.
Ditfurth, Franz Wilhelm von (Hg.) (1872): Deutsche Volks- und Gesellschaftslieder des 17. und 18. Jahrhunderts. Beck, Nördlingen.
Düll, Sigrid (1997): Johann Albert Poyssl (1622-1692). In: Steiner Burgbrief 14, S. 34-57.
Sepp, Florian (2007): Schule, Studium, Bibliothek und Wissenschaft in Baumburg. In: Brugger, Walter (Hg.): Baumburg an der Alz. Regensburg, S. 351-370, hier S. 361f.
Spengler, Karl (1962): „Was dich nit prennt, nit plase...“. Der Barockdichter Albert Poißl von Truchtlaching. In: Der Heimatspiegel 2.
Westermayer, Georg: Poißl, Johann Albert. In: Allgemeine Deutsche Biographie 26 (1888), S. 376; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd120689022.html#adbcontent, (24.11.2021).