Franz Kandolf
Der spätere Geistliche, Karl-May-Forscher und Mitarbeiter des Karl-May-Verlags wird als Sohn des aus dem heutigen Slowenien stammenden Seilergehilfen bzw. Seilers Franz Kandolf sen. und seiner Frau Elise, geb. Rechberger, am 6. November 1886 als erstes überlebendes Kind des Paares auf der Münchener Kohleninsel, dem heutigen Standort des Deutschen Museums, geboren.
Kandolf wächst im Münchener Stadtteil Haidhausen – damals ein Viertel der „kleinen Leute“ – auf. Nach dem Besuch der Volksschule wechselt er 1897 zunächst auf das Wilhelmsgymnasium; 1898 wird er in das Erzbischöfliche Knabenseminar Scheyern aufgenommen, 1902 in das Erzbischöfliche Knabenseminar Freising (das Gebäude auf dem Freisinger Domberg ist heute Sitz des Diözesanmuseums). 1906, nachdem er am K. Humanistischen Gymnasium (heute Domgymnasium) Freising das Abitur abgelegt hat, beginnt er am Freisinger Lyceum ein vorbereitendes Theologiestudium, das er ab dem Wintersemester 1907/08 an der Ludwig-Maximilians-Universität München fortsetzt. 1908 erhält er die niederen Weihen, 1911 wird er zum Priester geweiht. 1913-1932 ist Kandolf als IV. Kaplan an der Pfarrgemeinde St. Johann Baptist München-Haidhausen tätig. Daneben wirkt er als Religionslehrer an verschiedenen Münchener Volksschulen. 1916 besteht er die Konkursprüfung, die ihm die Übernahme einer eigenen Pfarrei ermöglichen würde; er wird sich in der Folgezeit aber nur selten darum bemühen. 1929 stellt er ein erfolgloses Gesuch auf Übernahme der Pfarrei in Solln, 1931 hofft er auf eine Versetzung an die Pfarrei von St. Zeno in Bad Reichenhall. Letztendlich zieht er zum Leidwesen seiner Vorgesetzten seine Kaplansstelle, die ihm genügend Zeit für seine schriftstellerischen Ambitionen lässt, einer „vollwertigen“ Pfarrersstelle vor. Erst 1932-1938 sowie 1945-1949 wechselt er als Seelsorger in das Städtische Altenheim am Gasteig. Nach einer Operation stirbt Kandolf überraschend im Klinikum Rechts der Isar am 19. Juni 1949. Er ist auf dem Münchener Ostfriedhof begraben.
1918 kontaktiert Franz Kandolf erstmals Euchar Albrecht Schmid (1884-1951), den Verleger der Werke Karl Mays. Kandolf, ein Verehrer der Reiseerzählungen des sächsischen Autors, zeigt sich in seinen Briefen kundig und wissbegierig. Rasch wird er für E.A. Schmid, der seit 1913 mit einer wachsenden Zahl zumeist freier Redakteure und Korrektoren daran arbeitet, die Werke Mays für seinen Verlag zu bearbeiten und zu aktualisieren, zu einem wichtigen Mitarbeiter; in den nächsten Jahren legt Kandolf nicht nur zahlreiche Studien zu Werk, Arbeitsweise, Bibliothek und Person Karl Mays vor, er überarbeitet zusammen mit anderen zahlreiche Bände des Autors, wobei er neben sprachlichen Eingriffen – etwa der Entfernung von Fremdwörtern – auch ganze Passagen streicht, aus unterschiedlichen Texten neu zusammenstellt oder direkt neu schreibt. Da Karl Mays symbolistisches Spätwerk bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg als weniger wertvoll gilt, fallen insbesondere solche Passagen diesen frühen Überarbeitungen zum Opfer. Umgekehrt betont und verstärkt Kandolf in seinen Überarbeitungen die christlichen Züge der Texte Mays im römisch-katholischen Sinne.
Besonders einschneidend sind die Überarbeitungen der umfangreichen frühen Kolportageromane, die Karl May 1882-1887 für den Verleger Heinrich Gotthold Münchmeyer (1836-1892) geschrieben hatte. Kandolf und die anderen Mitarbeiter des Karl-May-Verlages zerlegen die im Original oft über 2.000 Seiten umfassenden Vorlagen in ihre einzelnen Erzählstränge und formen aus ihnen gut in die Buchreihe des Verlags passende Einzelbände.
Den von Karl May unvollendet hinterlassenen Roman Am Jenseits schließt Franz Kandolf 1921-1923 durch das komplett eigene Werk In Mekka ab. Die Abenteuergeschichte im Stil des (frühen) Karl May ist der einzige Band in der Reihe von „Karl Mays Gesammelten Werken“, der von einem anderen Autor stammt. Eine weitere selbstständige Fortsetzung Kandolfs Marah Durimeh erscheint erst 2017 u.d.T. Die Söhne des Scheiks. Auf der Suche nach Marah Durimeh.
Die Begeisterung des „Karl May-Apostels“ Kandolf für seinen Autor führt auch zu einer erstaunlichen Zahl von Reisen zu Schauplätzen der Erzählungen Karl Mays. Seine Reisen führen ihn 1925 nach Katalonien, 1926 in die Vereinigten Staaten, 1929 auf den Balkan, 1930 und 1938/39 nach Nordafrika, 1934 nach Südamerika; die Reisen 1926, 1930 und 1934 erfolgen offiziell zum Besuch eucharistischer Weltkongresse.
Neben seiner Tätigkeit für den Karl-May-Verlag verfasst Kandolf für Theatergruppen seiner Gemeinde mehrere Theaterstücke auf Grundlage bereits bestehender Werke, darunter 1920 das Lustspiel Ein Ferientraum nach Paul Kellers (1873-1932) Ferien vom Ich. Offenbar ohne Vorlage entstehen in den 1920er-Jahren die Kriminalstücke Fräulein Detektiv und Die Dame mit der blauen Brille für den Mädchenverein seiner Pfarrei. Die Texte dieser Schauspiele scheinen sich nicht erhalten zu haben. Lediglich die Bühnenadaption von Quo Vadis? nach Henryk Sienkiewicz (1846-1916) erscheint im Druck 1924 bzw. 1932.
Sekundärliteratur:
Augustin, Siegfried (2003): Die frühen Mitarbeiter des Karl-May-Verlages. In: Lothar und Bernhard Schmid (Hg.): Der geschliffene Diamant. Die gesammelten Werke Karl Mays. Karl-May-Verlag (Karl May's Gesammelte Werke, Sonderbd.), Bamberg-Radebeul.
Stimpfle, Ludwig (2022): Franz Kandolf – May-Leser, May-Forscher, May-Bearbeiter. Persönliche und biografische Annäherungen an einen Münchner Priester. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft Nr. 170.
Externe Links:
Literatur von Franz Kandolf im BVB
Literatur über Franz Kandolf im BVB
Von Hassan el Kebihr bis Hadschi Halef Omar
Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards
Volker Krischel: Franz Kandolfs Roman In Mekka
Franz Kandolf in der Wikipedia
Franz Kandolf im Karl-May-Wiki
Der spätere Geistliche, Karl-May-Forscher und Mitarbeiter des Karl-May-Verlags wird als Sohn des aus dem heutigen Slowenien stammenden Seilergehilfen bzw. Seilers Franz Kandolf sen. und seiner Frau Elise, geb. Rechberger, am 6. November 1886 als erstes überlebendes Kind des Paares auf der Münchener Kohleninsel, dem heutigen Standort des Deutschen Museums, geboren.
Kandolf wächst im Münchener Stadtteil Haidhausen – damals ein Viertel der „kleinen Leute“ – auf. Nach dem Besuch der Volksschule wechselt er 1897 zunächst auf das Wilhelmsgymnasium; 1898 wird er in das Erzbischöfliche Knabenseminar Scheyern aufgenommen, 1902 in das Erzbischöfliche Knabenseminar Freising (das Gebäude auf dem Freisinger Domberg ist heute Sitz des Diözesanmuseums). 1906, nachdem er am K. Humanistischen Gymnasium (heute Domgymnasium) Freising das Abitur abgelegt hat, beginnt er am Freisinger Lyceum ein vorbereitendes Theologiestudium, das er ab dem Wintersemester 1907/08 an der Ludwig-Maximilians-Universität München fortsetzt. 1908 erhält er die niederen Weihen, 1911 wird er zum Priester geweiht. 1913-1932 ist Kandolf als IV. Kaplan an der Pfarrgemeinde St. Johann Baptist München-Haidhausen tätig. Daneben wirkt er als Religionslehrer an verschiedenen Münchener Volksschulen. 1916 besteht er die Konkursprüfung, die ihm die Übernahme einer eigenen Pfarrei ermöglichen würde; er wird sich in der Folgezeit aber nur selten darum bemühen. 1929 stellt er ein erfolgloses Gesuch auf Übernahme der Pfarrei in Solln, 1931 hofft er auf eine Versetzung an die Pfarrei von St. Zeno in Bad Reichenhall. Letztendlich zieht er zum Leidwesen seiner Vorgesetzten seine Kaplansstelle, die ihm genügend Zeit für seine schriftstellerischen Ambitionen lässt, einer „vollwertigen“ Pfarrersstelle vor. Erst 1932-1938 sowie 1945-1949 wechselt er als Seelsorger in das Städtische Altenheim am Gasteig. Nach einer Operation stirbt Kandolf überraschend im Klinikum Rechts der Isar am 19. Juni 1949. Er ist auf dem Münchener Ostfriedhof begraben.
1918 kontaktiert Franz Kandolf erstmals Euchar Albrecht Schmid (1884-1951), den Verleger der Werke Karl Mays. Kandolf, ein Verehrer der Reiseerzählungen des sächsischen Autors, zeigt sich in seinen Briefen kundig und wissbegierig. Rasch wird er für E.A. Schmid, der seit 1913 mit einer wachsenden Zahl zumeist freier Redakteure und Korrektoren daran arbeitet, die Werke Mays für seinen Verlag zu bearbeiten und zu aktualisieren, zu einem wichtigen Mitarbeiter; in den nächsten Jahren legt Kandolf nicht nur zahlreiche Studien zu Werk, Arbeitsweise, Bibliothek und Person Karl Mays vor, er überarbeitet zusammen mit anderen zahlreiche Bände des Autors, wobei er neben sprachlichen Eingriffen – etwa der Entfernung von Fremdwörtern – auch ganze Passagen streicht, aus unterschiedlichen Texten neu zusammenstellt oder direkt neu schreibt. Da Karl Mays symbolistisches Spätwerk bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg als weniger wertvoll gilt, fallen insbesondere solche Passagen diesen frühen Überarbeitungen zum Opfer. Umgekehrt betont und verstärkt Kandolf in seinen Überarbeitungen die christlichen Züge der Texte Mays im römisch-katholischen Sinne.
Besonders einschneidend sind die Überarbeitungen der umfangreichen frühen Kolportageromane, die Karl May 1882-1887 für den Verleger Heinrich Gotthold Münchmeyer (1836-1892) geschrieben hatte. Kandolf und die anderen Mitarbeiter des Karl-May-Verlages zerlegen die im Original oft über 2.000 Seiten umfassenden Vorlagen in ihre einzelnen Erzählstränge und formen aus ihnen gut in die Buchreihe des Verlags passende Einzelbände.
Den von Karl May unvollendet hinterlassenen Roman Am Jenseits schließt Franz Kandolf 1921-1923 durch das komplett eigene Werk In Mekka ab. Die Abenteuergeschichte im Stil des (frühen) Karl May ist der einzige Band in der Reihe von „Karl Mays Gesammelten Werken“, der von einem anderen Autor stammt. Eine weitere selbstständige Fortsetzung Kandolfs Marah Durimeh erscheint erst 2017 u.d.T. Die Söhne des Scheiks. Auf der Suche nach Marah Durimeh.
Die Begeisterung des „Karl May-Apostels“ Kandolf für seinen Autor führt auch zu einer erstaunlichen Zahl von Reisen zu Schauplätzen der Erzählungen Karl Mays. Seine Reisen führen ihn 1925 nach Katalonien, 1926 in die Vereinigten Staaten, 1929 auf den Balkan, 1930 und 1938/39 nach Nordafrika, 1934 nach Südamerika; die Reisen 1926, 1930 und 1934 erfolgen offiziell zum Besuch eucharistischer Weltkongresse.
Neben seiner Tätigkeit für den Karl-May-Verlag verfasst Kandolf für Theatergruppen seiner Gemeinde mehrere Theaterstücke auf Grundlage bereits bestehender Werke, darunter 1920 das Lustspiel Ein Ferientraum nach Paul Kellers (1873-1932) Ferien vom Ich. Offenbar ohne Vorlage entstehen in den 1920er-Jahren die Kriminalstücke Fräulein Detektiv und Die Dame mit der blauen Brille für den Mädchenverein seiner Pfarrei. Die Texte dieser Schauspiele scheinen sich nicht erhalten zu haben. Lediglich die Bühnenadaption von Quo Vadis? nach Henryk Sienkiewicz (1846-1916) erscheint im Druck 1924 bzw. 1932.
Augustin, Siegfried (2003): Die frühen Mitarbeiter des Karl-May-Verlages. In: Lothar und Bernhard Schmid (Hg.): Der geschliffene Diamant. Die gesammelten Werke Karl Mays. Karl-May-Verlag (Karl May's Gesammelte Werke, Sonderbd.), Bamberg-Radebeul.
Stimpfle, Ludwig (2022): Franz Kandolf – May-Leser, May-Forscher, May-Bearbeiter. Persönliche und biografische Annäherungen an einen Münchner Priester. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft Nr. 170.