Carl Muth
Carl Borromäus Johann Baptist Muth wird am 31.1.1867 als Sohn des Dekorationsmalers und späteren Gewerbeschuldirektors Ludwig Muth und seiner Ehefrau Katharina, geb. Ebinger, in Worms geboren.
Muth besucht zunächst das Gymnasium in Worms (1877-81), dann die Internatsschule der „Gesellschaft vom göttlichen Wort“ (SVD, „Steyler Missionare“) in Steyl/Holland (1882-84) und schließlich die Missionsschule der „Weißen Väter“ (MAfr) in Algier (1884/85), wo er dem Ordensgründer, Kardinal Charles Martial Allemand Lavigierie, begegnet. Dessen aufgeschlossenes, menschenzugewandtes Denken, dessen Missionsverständnis, das von Respekt geprägt ist gegenüber den vorgefundenen gesellschaftlichen Verhältnissen und der gegebenen Kultur (Akkommodation, Inkulturation), entspricht Muths grundlegender Lebenseinstellung. Er gibt jedoch seine Absicht auf, Missionar zu werden, und wechselt an das Gymnasium in Gießen (1887), das er ohne Abschluss verlässt. Nach einer Zeit des Selbststudiums und nach dem Militärdienst (1890/91) studiert er in Berlin zunächst Volkswirtschaft, Staats- und Verfassungsrecht, Philosophie, Geschichte und Literatur (1891/92) und wechselt dann zu historischen und kunsthistorischen Studien nach Paris (1892/93) und Rom (1893). Während dieser Zeit schreibt er gelegentlich für das Mainzer Journal (Pariser bzw. Römische Briefe). Es beginnt die lebenslange Freundschaft mit dem elsässischen Schriftsteller Friedrich Lienhard und er heiratet Anna Thaler aus Fulda († 1920). 1893 arbeitet er als Volontär beim Berliner Zentrumsblatt Germania, dann als Redakteur bei der Straßburger Tageszeitung Der Elsässer (1894). Von 1895 bis 1902 ist er als Chefredakteur der Monatsschrift Alte und neue Welt. Illustriertes Katholisches Familienblatt in Einsiedeln/Schweiz tätig.
Das Unbehagen Muths an den meisten Werken der Erzähler, die er damals kennen lernt, veranlasst ihn, sich in die durch Georg Freiherr von Hertling bewirkte Diskussion über die „Inferiorität“ der deutschen Katholiken in der geistig-religiösen Krise des zu Ende gehenden 19. Jahrhunderts einzulassen. Da auch die von ihm selbst geleitete Zeitschrift von seiner Kritik am katholischen Literaturschaffen betroffen ist, veröffentlicht er unter dem Pseudonym „Veremundus“ seine literaturtheoretischen Schriften Wem gehört die Zukunft? Ein Literaturbild der Gegenwart (1893) sowie Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit? Eine litterarische Gewissensfrage (1898) und schließlich Die Litterarischen Aufgaben der Deutschen Katholiken. Gedanken über katholische Belletristik und litterarische Kritik. Zugleich eine Antwort an seine Kritiker (1899). In einer schonungslosen Analyse nennt er die Ursachen der literarischen Rückständigkeit und äußert die Überzeugung, dass die Lage durch katholische Intellektuelle und Schriftsteller u.a. dadurch gebessert werden könne, indem moralisierende, kirchliche und bürgerliche „Engherzigkeit“, Interesselosigkeit und Prüderie überwunden werden. Er übt auch Kritik an den wenigen katholischen Literaturzeitschriften (insbesondere an der von den Jesuiten herausgegebenen Zeitschrift Stimmen aus Maria Laach).
Die eigentliche Lebensleistung Carl Muths besteht in der Gründung der Zeitschrift Hochland im Oktober 1903, zusammen mit Dr. Paul Huber, dem Leiter des Kösel Verlags Kempten/München. Von der Gründung der Zeitschrift an bis zu deren Verbot ist Muths Leben auf das Engste mit ihr verbunden. Der Name „Hochland“, angeregt von Friedrich Lienhard, entspricht dem in den ersten Jahrgängen vorangestellten Motto: „Hochland, hohen Geistes Land – Sinn, dem Höchsten zugewandt“. Die Zeitschrift will thematisch „alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst“ umfassen und zur „Wiederbegegnung von Kirche und Kultur in Deutschland“ führen. Sie will kein belletristisches, unterhaltendes Blatt sein, sondern der „freien Besprechung aller neuzeitlichen Fragen des künstlerischen, wirtschaftlichen und politischen Lebens“ dienen. Zunächst stehen literarische, religiöse und philosophische Themen im Mittelpunkt, nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend auch politische, ohne Berücksichtigung der reinen Tagespolitik.
Muths Versuch, Katholizismus und moderne Literatur in der Zeitschrift zu vereinen, löst eine langandauernde Kontroverse, den „katholischen Literaturstreit“ (ca. 1907-1910) aus, eine Auseinandersetzung zunächst zwischen Carl Muth und Richard von Kralik, Ritter von Meyrswalden, dem Herausgeber der Zeitschrift Gral, der die Inferioritätstheorie bestreitet. Schließlich wird die Zeitschrift Hochland des Modernismus bezichtigt und 1911 durch die römische Glaubensbehörde (Congregatio pro doctrina fidei) indiziert. Andreas Franz Kardinal Frühwirth, damals Apostolischer Visitator von Österreich und Apostolischer Nuntius von Bayern, kann zwar verhindern, dass das päpstliche Dekret veröffentlicht wird. Bis in die 1930er Jahre jedoch bleibt das Verhältnis Hochland – kirchliche Hierarchie gespannt.
Carl Muth besitzt die Fähigkeit, Begabungen zu finden und zu fördern. So bildet sich um ihn der „Hochland-Kreis“, dem Schriftsteller und Dichter wie Stefan Andres, Werner Bergengruen, Joseph Bernhart, Peter Dörfler, Theodor Haecker, Gertrud von le Fort, Ruth Schaumann, Sigrid Undset, Leo Weismantel, dem Philosophen und Theologen wie Alois Dempf, Friedrich Dessauer, Romano Guardini, Max Scheler und dem Kunsthistoriker wie Heinrich Lützeler u.v.a. angehören. Hochland wird zum bedeutendsten Publikationsorgan des deutschen „Renouveau catholique“, dessen Hauptschriftleiter in den Jahren 1903-1932 und 1935-1939 Carl Muth ist, in den Jahren 1933 und 1934 Friedrich Fuchs. Am 1. Juni 1941 wird Hochland durch das NS-Regime verboten.
Carl Muth nimmt über die Geschwister Hans und Sophie Scholl auch Einfluss auf die Widerstandsgruppe Weiße Rose. Im Herbst 1941 lernt Hans Scholl durch die Vermittlung seines Freundes Otl Aicher, dem späteren Ehemann seiner Schwester Inge, Carl Muth kennen. Er ordnet und katalogisiert in der Folge nicht nur Muths Privatbibliothek, sondern für ihn prägend sind ihre regelmäßigen Gespräche, beispielsweise über die Verflechtung von christlichem Glauben und politischem Handeln. Als Sophie Scholl im Mai 1942 ihr Studium in München beginnt, findet sie zunächst Unterkunft bei Carl Muth. So werden Sophie und Hans Scholl auch mit dem literarischen Freundeskreis Muths bekannt, beispielsweise mit Theodor Haecker und Werner Bergengruen. Als Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 in München verhaftet werden, wird noch am selben Tag auch bei Muth durch die Gestapo eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Das in seinem Schreibtisch aufbewahrte Manuskript von Theodor Haeckers „Tag- und Nachtbüchern“, das dem Autor und ihm selbst zum Verhängnis hätte werden können, bleibt dabei unentdeckt. Das Todesurteil gegen die Mitglieder der Weißen Rose trifft Muth im Innersten.
Carl Muth ist zeitlebens Theoretiker, Kritiker und Essayist. Den Neuanfang der Zeitschrift Hochland nach 1945 darf er nicht mehr erleben. Er stirbt am 15. November 1944 und wird auf dem Friedhof in München-Solln begraben.
Sekundärliteratur:
Ackermann, Konrad (1965): Der Widerstand der Monatsschrift Hochland gegen den Nationalsozialismus. München.
Muth, Wulfried C. (1974): Carl Muth und das Mittelalterbild des „Hochland“. München.
Externe Links:
Carl Borromäus Johann Baptist Muth wird am 31.1.1867 als Sohn des Dekorationsmalers und späteren Gewerbeschuldirektors Ludwig Muth und seiner Ehefrau Katharina, geb. Ebinger, in Worms geboren.
Muth besucht zunächst das Gymnasium in Worms (1877-81), dann die Internatsschule der „Gesellschaft vom göttlichen Wort“ (SVD, „Steyler Missionare“) in Steyl/Holland (1882-84) und schließlich die Missionsschule der „Weißen Väter“ (MAfr) in Algier (1884/85), wo er dem Ordensgründer, Kardinal Charles Martial Allemand Lavigierie, begegnet. Dessen aufgeschlossenes, menschenzugewandtes Denken, dessen Missionsverständnis, das von Respekt geprägt ist gegenüber den vorgefundenen gesellschaftlichen Verhältnissen und der gegebenen Kultur (Akkommodation, Inkulturation), entspricht Muths grundlegender Lebenseinstellung. Er gibt jedoch seine Absicht auf, Missionar zu werden, und wechselt an das Gymnasium in Gießen (1887), das er ohne Abschluss verlässt. Nach einer Zeit des Selbststudiums und nach dem Militärdienst (1890/91) studiert er in Berlin zunächst Volkswirtschaft, Staats- und Verfassungsrecht, Philosophie, Geschichte und Literatur (1891/92) und wechselt dann zu historischen und kunsthistorischen Studien nach Paris (1892/93) und Rom (1893). Während dieser Zeit schreibt er gelegentlich für das Mainzer Journal (Pariser bzw. Römische Briefe). Es beginnt die lebenslange Freundschaft mit dem elsässischen Schriftsteller Friedrich Lienhard und er heiratet Anna Thaler aus Fulda († 1920). 1893 arbeitet er als Volontär beim Berliner Zentrumsblatt Germania, dann als Redakteur bei der Straßburger Tageszeitung Der Elsässer (1894). Von 1895 bis 1902 ist er als Chefredakteur der Monatsschrift Alte und neue Welt. Illustriertes Katholisches Familienblatt in Einsiedeln/Schweiz tätig.
Das Unbehagen Muths an den meisten Werken der Erzähler, die er damals kennen lernt, veranlasst ihn, sich in die durch Georg Freiherr von Hertling bewirkte Diskussion über die „Inferiorität“ der deutschen Katholiken in der geistig-religiösen Krise des zu Ende gehenden 19. Jahrhunderts einzulassen. Da auch die von ihm selbst geleitete Zeitschrift von seiner Kritik am katholischen Literaturschaffen betroffen ist, veröffentlicht er unter dem Pseudonym „Veremundus“ seine literaturtheoretischen Schriften Wem gehört die Zukunft? Ein Literaturbild der Gegenwart (1893) sowie Steht die katholische Belletristik auf der Höhe der Zeit? Eine litterarische Gewissensfrage (1898) und schließlich Die Litterarischen Aufgaben der Deutschen Katholiken. Gedanken über katholische Belletristik und litterarische Kritik. Zugleich eine Antwort an seine Kritiker (1899). In einer schonungslosen Analyse nennt er die Ursachen der literarischen Rückständigkeit und äußert die Überzeugung, dass die Lage durch katholische Intellektuelle und Schriftsteller u.a. dadurch gebessert werden könne, indem moralisierende, kirchliche und bürgerliche „Engherzigkeit“, Interesselosigkeit und Prüderie überwunden werden. Er übt auch Kritik an den wenigen katholischen Literaturzeitschriften (insbesondere an der von den Jesuiten herausgegebenen Zeitschrift Stimmen aus Maria Laach).
Die eigentliche Lebensleistung Carl Muths besteht in der Gründung der Zeitschrift Hochland im Oktober 1903, zusammen mit Dr. Paul Huber, dem Leiter des Kösel Verlags Kempten/München. Von der Gründung der Zeitschrift an bis zu deren Verbot ist Muths Leben auf das Engste mit ihr verbunden. Der Name „Hochland“, angeregt von Friedrich Lienhard, entspricht dem in den ersten Jahrgängen vorangestellten Motto: „Hochland, hohen Geistes Land – Sinn, dem Höchsten zugewandt“. Die Zeitschrift will thematisch „alle Gebiete des Wissens, der Literatur und Kunst“ umfassen und zur „Wiederbegegnung von Kirche und Kultur in Deutschland“ führen. Sie will kein belletristisches, unterhaltendes Blatt sein, sondern der „freien Besprechung aller neuzeitlichen Fragen des künstlerischen, wirtschaftlichen und politischen Lebens“ dienen. Zunächst stehen literarische, religiöse und philosophische Themen im Mittelpunkt, nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend auch politische, ohne Berücksichtigung der reinen Tagespolitik.
Muths Versuch, Katholizismus und moderne Literatur in der Zeitschrift zu vereinen, löst eine langandauernde Kontroverse, den „katholischen Literaturstreit“ (ca. 1907-1910) aus, eine Auseinandersetzung zunächst zwischen Carl Muth und Richard von Kralik, Ritter von Meyrswalden, dem Herausgeber der Zeitschrift Gral, der die Inferioritätstheorie bestreitet. Schließlich wird die Zeitschrift Hochland des Modernismus bezichtigt und 1911 durch die römische Glaubensbehörde (Congregatio pro doctrina fidei) indiziert. Andreas Franz Kardinal Frühwirth, damals Apostolischer Visitator von Österreich und Apostolischer Nuntius von Bayern, kann zwar verhindern, dass das päpstliche Dekret veröffentlicht wird. Bis in die 1930er Jahre jedoch bleibt das Verhältnis Hochland – kirchliche Hierarchie gespannt.
Carl Muth besitzt die Fähigkeit, Begabungen zu finden und zu fördern. So bildet sich um ihn der „Hochland-Kreis“, dem Schriftsteller und Dichter wie Stefan Andres, Werner Bergengruen, Joseph Bernhart, Peter Dörfler, Theodor Haecker, Gertrud von le Fort, Ruth Schaumann, Sigrid Undset, Leo Weismantel, dem Philosophen und Theologen wie Alois Dempf, Friedrich Dessauer, Romano Guardini, Max Scheler und dem Kunsthistoriker wie Heinrich Lützeler u.v.a. angehören. Hochland wird zum bedeutendsten Publikationsorgan des deutschen „Renouveau catholique“, dessen Hauptschriftleiter in den Jahren 1903-1932 und 1935-1939 Carl Muth ist, in den Jahren 1933 und 1934 Friedrich Fuchs. Am 1. Juni 1941 wird Hochland durch das NS-Regime verboten.
Carl Muth nimmt über die Geschwister Hans und Sophie Scholl auch Einfluss auf die Widerstandsgruppe Weiße Rose. Im Herbst 1941 lernt Hans Scholl durch die Vermittlung seines Freundes Otl Aicher, dem späteren Ehemann seiner Schwester Inge, Carl Muth kennen. Er ordnet und katalogisiert in der Folge nicht nur Muths Privatbibliothek, sondern für ihn prägend sind ihre regelmäßigen Gespräche, beispielsweise über die Verflechtung von christlichem Glauben und politischem Handeln. Als Sophie Scholl im Mai 1942 ihr Studium in München beginnt, findet sie zunächst Unterkunft bei Carl Muth. So werden Sophie und Hans Scholl auch mit dem literarischen Freundeskreis Muths bekannt, beispielsweise mit Theodor Haecker und Werner Bergengruen. Als Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 in München verhaftet werden, wird noch am selben Tag auch bei Muth durch die Gestapo eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Das in seinem Schreibtisch aufbewahrte Manuskript von Theodor Haeckers „Tag- und Nachtbüchern“, das dem Autor und ihm selbst zum Verhängnis hätte werden können, bleibt dabei unentdeckt. Das Todesurteil gegen die Mitglieder der Weißen Rose trifft Muth im Innersten.
Carl Muth ist zeitlebens Theoretiker, Kritiker und Essayist. Den Neuanfang der Zeitschrift Hochland nach 1945 darf er nicht mehr erleben. Er stirbt am 15. November 1944 und wird auf dem Friedhof in München-Solln begraben.
Ackermann, Konrad (1965): Der Widerstand der Monatsschrift Hochland gegen den Nationalsozialismus. München.
Muth, Wulfried C. (1974): Carl Muth und das Mittelalterbild des „Hochland“. München.