Konrad von Heimesfurt
Von Konrad sind zwei geistliche Versepen mit außerbiblischen Stoffen überliefert: Unser vrouwen hinvart („Die Himmelfahrt Mariä“) und Diu urstende („Die Auferstehung“). In beiden Texten nennt er seinen Namen; im Prolog der hinvart, wo er sich als „armer phaffe“ bezeichnet, und verhüllt im Akrostichon der urstende, das auf die Parabel vom Unkraut im Weizen (Mt 13,24) anspielt.
Ob er mit dem 1198-1212 urkundlich bezeugten Ministerialen des Bischofs Hartwig von Eichstätt, „Chůnrat de Heimesfurt“ (bei Oettingen im Ries, heute Hainsfarth), identisch ist, ist schwierig. Da der Dichter sich als Pfaffe bezeichnet und seine Dichtungen später anzusetzen sind, dürfte er eher dessen Sohn oder Neffe sein. Andererseits deutet Konrads Selbstcharakterisierung weniger auf seinen geistlichen Stand hin, als auf seine geistliche Bildung als Laie, der die bisher nur in lateinischer Sprache verbreiteten apokryphen Stoffe einem volkssprachlichen Publikum vermitteln will (hinvart, vv. 67-71; urstende, vv. 44-47).
Dass seine Zuhörer- und Leserschaft höfisch ist, scheint zumindest unstrittig; dafür spricht nicht zuletzt Konrads Schulung an Hartmann von Aue und Gottfried von Straßburg. Stilistisch steht Unser vrouven hinfart der Kindheit Jesu von Konrad von Fußesbrunnen, der um 1200 ebenfalls apokryphen Stoff aufgreift, nahe. Obwohl er in erster Linie lebendig und anschaulich erzählt, wendet sich Konrad von Heimesfurt gern erklärend, belehrend und mahnend an sein Publikum. Außer seinen Hauptquellen benutzt er Antiphonen, Responsorien und Lesungen aus der Kirchenliturgie; das in den Eichstätter Osterfeiern besonders gut bezeugte „Canticum triumphale“ Cum rex gloriae Christus (vgl. urstende, vv. 1698-1702) kann als Hinweis auf den Wirkungsort des Dichters gesehen werden.
Die hinvart, wohl um 1225 entstanden, enthält über 1130 Verse und ist in drei Handschriften und sieben Fragmenten überliefert. Als Hauptquelle hat Konrad den Transitus Mariae des Pseudo-Melito von Sardes benutzt, die bekannteste abendländische Legende vom Tod und der Himmelfahrt Mariä. Die hinvart erzählt von ihren letzten Erdenjahren, von dem ihr durch Gabriel angesagten Tod, ihrem Begräbnis, der Wiedererweckung und Aufnahme in den Himmel. Thomas, der auch hier eine Sonderrolle spielt und zu ihrer Himmelfahrt zu spät kommt, überlässt Maria ihren Gürtel, womit er seine Augenzeugenschaft beweisen kann.
Das jüngere Epos Diu urstende, verfasst etwa 1230, enthält ca. 2161 Verse und ist in einer Handschrift und mehreren Exzerpten überliefert. Neben der Bibel ist das apokryphe Evangelium Nicodemi die Quelle. Dieses im Mittelalter fast kanonische Werk berichtet vom Prozess Jesu vor Pilatus, von seiner Auferstehung und der Befreiung des von den Juden eingekerkerten Joseph von Arimathia, von Zeugenaussagen über die Himmelfahrt und vom Zeugnis der Söhne Simeons (Lk 2,25) über die Höllenfahrt Jesu, das Zerbrechen der Höllentore, die Befreiung Adams, der Patriarchen, Propheten sowie übrigen Gefangenen. Die urstende handelt eben davon, wobei Konrad die Vorlagen selbständig bearbeitet hat, indem er kürzt, ausmalt, umstellt, neu verbindet und anders motiviert. So ist im Descensus-Bericht der Söhne Simeons die Erzählung von Adams Sohn Seth über seine Paradiesreise (vv. 1868-2020) gegenüber dem Evangelium stark erweitert. Verhörszenen und Prozessverfahren in der Darstellung weisen Konrad zudem als Kenner der Rechtsverhältnisse seiner Zeit aus.
Konrads Werke sind, Rudolf von Ems zufolge, von seinen Zeitgenossen sehr geschätzt worden, auch spätere Dichter haben sie benutzt. So wirkt die hinvart bereits auf den Heiligen Georg des Reinbot von Durne (nach 1231) und ist dann lange Zeit weit verbreitet; Heinrich von München wiederum nimmt im 14. Jahrhundert Teile (etwa 670 Verse) aus der urstende in seine Weltchronik auf. Über die Prosaauflösungen der Weltchronik in den Historienbibeln setzt die urstende ihr Wirken bis in die Frühdruckzeit weiter fort.
Sekundärliteratur:
Bumke, Joachim (20044): Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 382 und 388.
Fechter, Werner: Konrad von Heimesfurt. In: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 542f., http://www.deutsche-biographie.de/pnd118866524.html, (13.05.2014).
Fechter, Werner (1985): Konrad von Heimesfurt. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston. URL: http://www.degruyter.com.vdbo.emedia1.bsb-muenchen.de/view/VDBO/vdbo.vlma.2372, (13.05.2014).
Gärtner, Kurt (2009): Konrad von Heimesfurt. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston. URL: http://www.degruyter.com.vdbo.emedia1.bsb-muenchen.de/view/VDBO/vdbo.killy.3431, (13.05.2014).
Pörnbacher, Hans (2002): Schwäbische Literaturgeschichte. Tausend Jahre Literatur aus Bayerisch Schwaben. Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn, S. 29.
Externe Links:
Von Konrad sind zwei geistliche Versepen mit außerbiblischen Stoffen überliefert: Unser vrouwen hinvart („Die Himmelfahrt Mariä“) und Diu urstende („Die Auferstehung“). In beiden Texten nennt er seinen Namen; im Prolog der hinvart, wo er sich als „armer phaffe“ bezeichnet, und verhüllt im Akrostichon der urstende, das auf die Parabel vom Unkraut im Weizen (Mt 13,24) anspielt.
Ob er mit dem 1198-1212 urkundlich bezeugten Ministerialen des Bischofs Hartwig von Eichstätt, „Chůnrat de Heimesfurt“ (bei Oettingen im Ries, heute Hainsfarth), identisch ist, ist schwierig. Da der Dichter sich als Pfaffe bezeichnet und seine Dichtungen später anzusetzen sind, dürfte er eher dessen Sohn oder Neffe sein. Andererseits deutet Konrads Selbstcharakterisierung weniger auf seinen geistlichen Stand hin, als auf seine geistliche Bildung als Laie, der die bisher nur in lateinischer Sprache verbreiteten apokryphen Stoffe einem volkssprachlichen Publikum vermitteln will (hinvart, vv. 67-71; urstende, vv. 44-47).
Dass seine Zuhörer- und Leserschaft höfisch ist, scheint zumindest unstrittig; dafür spricht nicht zuletzt Konrads Schulung an Hartmann von Aue und Gottfried von Straßburg. Stilistisch steht Unser vrouven hinfart der Kindheit Jesu von Konrad von Fußesbrunnen, der um 1200 ebenfalls apokryphen Stoff aufgreift, nahe. Obwohl er in erster Linie lebendig und anschaulich erzählt, wendet sich Konrad von Heimesfurt gern erklärend, belehrend und mahnend an sein Publikum. Außer seinen Hauptquellen benutzt er Antiphonen, Responsorien und Lesungen aus der Kirchenliturgie; das in den Eichstätter Osterfeiern besonders gut bezeugte „Canticum triumphale“ Cum rex gloriae Christus (vgl. urstende, vv. 1698-1702) kann als Hinweis auf den Wirkungsort des Dichters gesehen werden.
Die hinvart, wohl um 1225 entstanden, enthält über 1130 Verse und ist in drei Handschriften und sieben Fragmenten überliefert. Als Hauptquelle hat Konrad den Transitus Mariae des Pseudo-Melito von Sardes benutzt, die bekannteste abendländische Legende vom Tod und der Himmelfahrt Mariä. Die hinvart erzählt von ihren letzten Erdenjahren, von dem ihr durch Gabriel angesagten Tod, ihrem Begräbnis, der Wiedererweckung und Aufnahme in den Himmel. Thomas, der auch hier eine Sonderrolle spielt und zu ihrer Himmelfahrt zu spät kommt, überlässt Maria ihren Gürtel, womit er seine Augenzeugenschaft beweisen kann.
Das jüngere Epos Diu urstende, verfasst etwa 1230, enthält ca. 2161 Verse und ist in einer Handschrift und mehreren Exzerpten überliefert. Neben der Bibel ist das apokryphe Evangelium Nicodemi die Quelle. Dieses im Mittelalter fast kanonische Werk berichtet vom Prozess Jesu vor Pilatus, von seiner Auferstehung und der Befreiung des von den Juden eingekerkerten Joseph von Arimathia, von Zeugenaussagen über die Himmelfahrt und vom Zeugnis der Söhne Simeons (Lk 2,25) über die Höllenfahrt Jesu, das Zerbrechen der Höllentore, die Befreiung Adams, der Patriarchen, Propheten sowie übrigen Gefangenen. Die urstende handelt eben davon, wobei Konrad die Vorlagen selbständig bearbeitet hat, indem er kürzt, ausmalt, umstellt, neu verbindet und anders motiviert. So ist im Descensus-Bericht der Söhne Simeons die Erzählung von Adams Sohn Seth über seine Paradiesreise (vv. 1868-2020) gegenüber dem Evangelium stark erweitert. Verhörszenen und Prozessverfahren in der Darstellung weisen Konrad zudem als Kenner der Rechtsverhältnisse seiner Zeit aus.
Konrads Werke sind, Rudolf von Ems zufolge, von seinen Zeitgenossen sehr geschätzt worden, auch spätere Dichter haben sie benutzt. So wirkt die hinvart bereits auf den Heiligen Georg des Reinbot von Durne (nach 1231) und ist dann lange Zeit weit verbreitet; Heinrich von München wiederum nimmt im 14. Jahrhundert Teile (etwa 670 Verse) aus der urstende in seine Weltchronik auf. Über die Prosaauflösungen der Weltchronik in den Historienbibeln setzt die urstende ihr Wirken bis in die Frühdruckzeit weiter fort.
Bumke, Joachim (20044): Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 382 und 388.
Fechter, Werner: Konrad von Heimesfurt. In: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 542f., http://www.deutsche-biographie.de/pnd118866524.html, (13.05.2014).
Fechter, Werner (1985): Konrad von Heimesfurt. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston. URL: http://www.degruyter.com.vdbo.emedia1.bsb-muenchen.de/view/VDBO/vdbo.vlma.2372, (13.05.2014).
Gärtner, Kurt (2009): Konrad von Heimesfurt. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston. URL: http://www.degruyter.com.vdbo.emedia1.bsb-muenchen.de/view/VDBO/vdbo.killy.3431, (13.05.2014).
Pörnbacher, Hans (2002): Schwäbische Literaturgeschichte. Tausend Jahre Literatur aus Bayerisch Schwaben. Anton H. Konrad Verlag, Weißenhorn, S. 29.